Am 1. August 1945 wird Pfarrer Robert Kümmert neuer Caritasdirektor. Die Position war seit 1927 nicht mehr besetzt. Was er vorfand, kommentierte er so: „Am Punkt Null soll ich eine nicht zu überblickende Aufgabe beginnen. Die völkische Weltanschauung ist zerplatzt; der unsinnige Krieg hat Millionen gefressen; Deutschland ist gevierteilt; Behörden so vorhanden, können nur unter Aufsicht der Besatzung arbeiten; Schulen und Universitäten sind zerstört oder ohne Lehrer, weil diese Parteigenossen waren; die Stadt Würzburg ist zerstört, die gesamte Diözese im Durchschnitt zu 25 Prozent. Klöster und kirchliche Einrichtungen sind noch enteignet oder stehen als Ruinen da; Tausende sind ausgebombt, wissen nicht wohin; Kriegsgefangene stehen hungernd am Bahnhof; das Geld ist wertlos, wir haben eine Schnaps- und Zigaretten-Währung; auf den Straßen bewegen sich die Kolonnen zu Fuß; Bischofshaus und Ordinariat sind ausgebombt, seit 17 Jahren kein Caritasdirektor, der Diözesan-Caritasverband ist am Punkt Null". 1945 werden in der Koellikerstraße 4 drei Räume ohne Fenster und Türen für Büro und Lagerraum angemietet.
Hilfe aus dem Ausland
Doch bald kommen Sach‑ und Finanzhilfen. 1945 zunächst Kleidungsstücke, dann Lebensmittel. Die Schweiz, der Vatikan, die USA, Österreich, Spanien, Kanada, Irland und Schweden beteiligen sich an den Hilfsaktionen. Care-Pakete kommen ab 1947 aus den USA.
Ein amerikanischer Lastwagen ist so "wertvoll", dass er den bischöflichen Segen verdient. Die Caritas ist in ganz Unterfranken für die Schulspeisung zuständig und verteilt täglich bis zu 90.000 Portionen.
Suchdienst für Kriegsheimkehrer und Vermisste
Der kirchliche Suchdienst der Caritas klärt allein in Würzburg 36.000 Fälle auf; 10.000 Briefe, die über das Päpstliche Hilfswerk kommen, werden an die Angehörigen weitergeleitet.
Ein Dach über dem Kopf
Für alte Leute und "Ausgebombte" aus Würzburg, Aschaffenburg und Schweinfurt, aber auch für viele Heimatvertriebene gilt es, menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen. Der 23. Januar 1949 ist der Gründungstag des "St.-Bruno-Werkes". Am 11. Mai ist Grundsteinlegung für 100 bescheidene aber familiengerechte Wohnungen. Initiator und "Geburtshelfer" des St.-Bruno-Werkes war Robert Kümmert.
Seelsorgehelferinnen
Bemerkenswerte Weitsicht beweist Pfarrer Robert Kümmert, als er 1948/49 den Beruf der Seelsorgehelferin, heute Gemeindereferentin, geschaffen hat. "Frauen in der Seelsorge" waren damals noch nicht vorstellbar. Heute stehen 98 Gemeindereferentinnen im Dienst der Seelsorge in der Diözese Würzburg.
Der Heimathof Simonshof
Am 22. September 1951 wird der Heimathof Simonshof bei Bastheim/Rhön vom Land Bayern dem Diözesan‑Caritasverband übereignet. Auflage ist, ihn allezeit als Heimat‑ und Fürsorgehof zu führen. 115 obdachlose Männer finden heute dort eine Bleibe und können in den angegliederten Werkstätten arbeiten. 87 Männer können alters‑ und krankheitsbedingt im Alten‑ und Pflegeheim sorglos ihren Lebensabend genießen.
Bewährungsprobe Ungarnflüchtlinge
Von November 1956 bis Oktober 1957 werden in Tag‑ und Nachtarbeit durch die Mitarbeiter der Bahnhofsmission 142 Züge aus Ungarn mit rund 47.500 Flüchtlingen betreut. Die Baracke der Bahnhofsmission ist viele Jahre Wartesaal für Reisende, Flüchtlinge, Heimkehrer, Kinder‑ und Jugendliche ‑ manchmal bis 1.000 Personen pro Tag. Aus der noch armen Bundesrepublik rollen Hilfsgüter nach Ungarn.
Arbeiter werden angefordert ‑ Menschen kommen
Mit dem Wirtschaftswunder der sechziger Jahre werden bei uns die Arbeitskräfte knapp. Ausländische Arbeiter aus südlichen Ländern Europas werden angeworben, doch es kommen Menschen. Für sie ist es nicht leicht, sich bei uns zu integrieren. Die Caritas hat schon sehr bald Begegnungszentren eingerichtet und spanische, portugiesische, italienische und jugoslawische Sozialarbeiter für den Beratungsdienst eingestellt.
Caritas und Familie
Wo es um ältere Menschen, um Kranke und Behinderte, um Kinder und Jugendliche geht, sind Dienste der Caritas "Familienhilfe". Ein spezielles Angebot ist die Familienpflege". In den sechziger Jahren gewachsen, in den siebziger Jahren ausgebaut, regelt die Familienpflegerin dort den Tagesablauf, wo die Mutter für längere Zeit ausfällt und Familien in Notsituationen geraten. Die Ausbildung zur Familienpflegerin erhalten Mädchen und Frauen unter anderem auch in der Familienpflegeschule der Ritaschwestern in Würzburg.
Vater der Behinderten
Herzliche Zuneigung, liebevolles Bemühen um das Wohlergehen Behinderter war ein wesentliches Merkmal von Robert Kümmert: 1962 gelungener Versuch eines heilpädagogischen Kindergartens in der Leo‑Deeg‑Schule in Würzburg; 1963 Gründungsversammlung der "St.-Josefs-Stiftung für geistig Behinderte e.V."; 1965 Grundstückskauf in Eisingen; 1970 Richtfest für das St.-Josefs-Stift; 1972 Erstbelegung mit vier Kinder‑ beziehungsweise Erwachsenengruppen. Heute leben 340 Frauen und Männer im St.-Josefs-Stift; 170 können in den "Eisinger Werkstätten" arbeiten. Eine Fachschule für Heilerziehungspflege und ‑hilfe ist Bestandteil der Caritas‑Einrichtung.
Ungewollte Schwangerschaft
Schwangerschaftskonflikte entstehen durch Schwierigkeiten in der Partnerbeziehung, durch Druck der Familie, des sozialen Umfeldes, aus Angst vor der Zukunft. Schwangerschaftsberatungsstellen in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen suchen - unabhängig aller Diskussionen um den Paragraph 218 - Wege aus der persönlichen Krise und nach der richtigen Entscheidung der Mutter für ein Leben mit oder ohne Kind.