Was als Präsenzveranstaltung im großen Kardinal-Döpfner-Saal geplant war, musste am Freitagnachmittag, 26. November, virtuell stattfinden. „Die angespannte Lage lässt im Augenblick nichts anderes zu“, sagte der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg, Domkapitular Clemens Bieber. Er begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Bildschirmen in ganz Unterfranken auch im Namen der Ehrenvorsitzenden, Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm.
Geistlicher Impuls
In seinem geistlichen Impuls stellte Bieber ein Bildwerk des Malerpfarrers Sieger Köder ins Zentrum der Betrachtung: „Der Seher von Patmos“. Es brauche Visionen und Ideen für eine gute Zukunft, so Bieber. Umgesetzt mit dem Bild vom Himmlischen Jerusalem, weise Sieger Köder auf die große Sehnsucht des Menschen nach Frieden und Geborgenheit hin. Die Caritas arbeite mit an dieser Vision. Bieber setzte dies ins Verhältnis zum neuen Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“. „Wir wollen dem Leben gerecht werden. Die Caritas leistet ihren Beitrag für ein gutes gesellschaftliches Miteinander.“ Viele der politischen Ziele begrüßt der Caritasverantwortliche, wies aber auch auf einige kritische Punkte hin. „Als Kirche und Caritas können wir nicht jede Form das Zusammenlebens als ‚Familie‘ bezeichnen. Es gibt unterschiedliche Modelle, die auch unterschiedlich gewichtet werden müssen.“ Sieger Köder verwende mit den Rosen ein Symbol, das zeige: „Die Liebe Gottes ist der Maßstab – auch für unser Tun.“ „Wenn die Vertreterversammlung zusammentritt, dann geht es um eine Selbstvergewisserung. Wo stehen wir? Wie werden wir dem Auftrag und der Sendung Jesu gerecht? Was sind unsere Ideen für die Zukunft, um mehr Fortschritt zu wagen auf dem Weg zu einer lebenswerten, menschenwürdigen und friedvollen Welt. Dafür gilt es, der Liebe Gottes mehr Gewicht in unserem Land zu geben?“
Caritas Netzwerk IT
Mehr Fortschritt wagen schließe die Digitalisierung mit Sicherheit ein, meinte Caritas-Referent Joachim Fuchs und berichtete über den neuen Verein „Caritas Netzwerk IT e. V.“. Es gehe darum, die Digitalisierung in den Diensten und Einrichtungen der Caritas bundesweit voranzubringen. „Wir in der Diözese Würzburg sind auf einem sehr guten Weg. Gut 190 Einrichtungen nutzen die Dienstleistungen unseres Fullserviceproviders SoCura.“ Man nutze nun die Erkenntnisse und Ergebnisse des neuen Vereins, in dem auch der Caritasverband für die Diözese Würzburg Mitglied sei. „Zugleich bringen wir unsere Erfahrungen zugunsten anderer mit ein.“ Er wünsche sich, so Fuchs, dass noch mehr Einrichtungen in Unterfranken die Vorteile der Vernetzung erkennen und ins System einsteigen würden. Domkapitular Clemens Bieber: „Wir wollen Synergie- und Einsparpotentiale nutzen. Wir müssen aufhören mit den kostspieligen Insellösungen.“
Fuchs stellte außerdem die App Viadesk vor und lud ein, sich am System „MIT“ zu beteiligen. „Die Plattform mit ihren vielen Gruppen ist wertvoll zur Vernetzung von Gruppen und zur Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlich Engagierten.“
Neun Caritas-Kreisverbände – neun Dekanate
Als durchweg positiv bezeichnete Domkapitular Clemens Bieber die Restrukturierung der katholischen Dekanate. „Wir haben neun Orts- und Kreisverbände in den neun unterfränkischen Landkreisen, und in diese Struktur passen die neun Dekanate sehr gut.“ Es gehe um eine vertiefte Zusammenarbeit in einer Kirche, die unter den Menschen sein wolle. „Wir wollen eine caritative Pastoral und eine pastorale Caritas“, brachte Bieber eine Anforderung von Bischof Franz in Erinnerung.
Damit die Caritas auf allen Ebenen ihren Dienst erfüllen könne, brauche es eine auskömmliche Finanzierung. „Im kommenden Frühjahr werden sich die Verantwortlichen aus Kirche und Caritas über ein festes Budget aus den jährlichen Kirchensteuereinnahmen verständigen.“ Der Caritas gehe es bei ihren Diensten nicht um Gewinne, sondern um die Menschen. „Aber angesichts schwindender Mittel müssen wir uns als Kirche und Caritas gemeinsam die Frage stellen: Was werden wir in Zukunft für die Menschen tun, und was werden wir nicht mehr leisten können.“ Beim Blick nach vorne gehe es nicht allein um Finanzielles. „Unser Bischof erwartet eine Caritas, die spirituell durchdrungen ist.“ Caritas und Kirche befänden sich in einer Phase gewaltiger Umbrüche. „Wir sind bereit, diese Phase aktiv mitzugestalten“, unterstrich Bieber. „Alles wird strukturell größer, aber die Menschen erwarten zugleich Nähe. Das ist die große Herausforderung.“
Kritik kam aus den Reihen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Arbeit in den kirchlichen Verwaltungsstrukturen sei oftmals träge, und Zusagen würden bisweilen nicht eingehalten. Davon betroffen seien nicht selten die Träger von Kindertageseinrichtungen.
„Die Kindertageseinrichtungen sind uns wichtig“
Im Bistum gebe es 523 katholische Kindertageseinrichtungen erläuterte Domkapitular Clemens Bieber. „Das sind pastorale Orte. Wie unser Bischof, so sehen wir große Chancen, diese Orte in einer Qualitätsoffensive weiterzuentwickeln. Wo es um die Verzahnung mit der Pastoral vor Ort geht, wird es manchmal schwierig, weil Ansprechpartner fehlen.“
Die Kirche von Würzburg ziehe sich aus der Bauträgerschaft zurück. „Das muss in den Kommunen gut kommuniziert und erklärt werden, denn letztlich begeben wir uns hier auf den Standard der anderen Akteure der Freien Wohlfahrtspflege. Caritas und Kirche seien Betreiber der Einrichtungen, könnten aber nicht mehr als Bauherren und Geldgeber auftreten. Für andere große Träger sei das seit Jahrzehnten Standard. „Wir machen die Arbeit mit den Kindern und Eltern sehr gern, können aber nicht mehr für die Unterhaltung von Gebäuden aufkommen“, so Bieber. „Wir hoffen, dass wir, nachdem wir über Generationen hinweg wie selbstverständlich auch für die Gebäude aufgekommen sind, jetzt genauso wie andere erwarten dürfen, dass uns die Last von Kita-Immobilien genommen wird.“ Gemeinsam mit Michael Deckert aus dem Kita-Referat sei er unterwegs, um die Lage zu erläutern. „Unser Anliegen wird zumeist verstanden. Die Kommunen schätzen die hohe Qualität in unseren Einrichtungen.“
Mehr Fortschritt wagen
Über die Rolle der Öffentlichkeitsarbeit sprach der zuständige Referent Dr. Sebastian Schoknecht. Es gelte, so Schoknecht, die vielen Kanäle noch gezielter zu nutzen und auszubauen. „Wir wollen im kommenden Jahr unter anderem die Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten bei Facebook und Instagram verdoppeln.“ Als große Herausforderung sehe er die Personalakquise in den sozialen Handlungsfeldern des Verbandes, so Schoknecht. Auch hier werde die Öffentlichkeitsarbeit helfen, an einem positiven Image zu arbeiten, um junge Menschen für den Dienst etwa in der Kita oder Altenhilfe zu begeistern. „Wir brauchen mehr positive Beispiele“, so Kerstin Celina. Sie regte eine Serie auf Instagram an, die die schönen und interessanten Seiten der Kita-Arbeit zeigte. „Die wichtigsten Öffentlichkeitsarbeiterinnen und -arbeiten sind unsere Kolleginnen und Kollegen. Sie stehen mit ihrer Person für die Caritas“, sagte Schoknecht.
Auch im Bereich Fundraising werde es im kommenden Jahr Neues geben, versprach Schoknecht. Abteilungsleiterin Angela Lixfeld: „Wir sind der Caritas-Stiftung dankbar für die Unterstützung bei der Einrichtung einer Projektstelle ‚Fundraising.“ Die Stelle, so Schoknecht, diene der ganzen unterfränkischen Caritas. „Angesichts ausbleibender Finanzmittel müssen wir uns neue Quellen erschließen. Wir wissen, dass es viele Menschen gibt, die die Arbeit der Caritas sehr schätzen und diese unterstützen werden.“
Schwarze oder rote Null
Über die Finanzlage des Verbandes sprach anschließend Abteilungsleiter Andreas König. Die Lage sei angespannt, aber nicht gänzlich aussichtslos. König zeigte auf, dass der Diözesanverband bereits dreizehn Vollzeitstellen abgebaut und damit in einem sehr großen Umfang Finanzmittel eingespart habe. „Der Haushalt für das Jahr 2022 wurde vom Caritasrat genehmigt. Aber es bleibt abzuwarten, ob wir ihn mit einer schwarzen oder roten Null abschließen.“ Domkapitular Clemens Bieber betonte die Grenzen des Sparens. „Wir haben im großen Umfang Personal abgebaut. Wir müssen aufpassen, dass wir handlungsfähig bleiben.“ Bieber nutzte die Gelegenheit, der Leitungskonferenz und den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verbandes spontan zu danken. „Ich bin dankbar, dass sich die meisten in unserem Haus sehr stark mit der Caritas identifizieren und bereit sind, sich bis an die Grenze einzubringen.“ Dank gelte ebenso der Ehrenvorsitzenden der Caritas, Barbara Stamm. „Du hast Tag für Tag ein offenes Ohr für Deine Caritas und ihre Aufgaben und gibst unsere wichtigen Anliegen in die richtigen Kanäle. Am Ende geht es ja nicht um uns, sondern um die Menschen, für die wir den Dienst erbringen.“
Frauenpower
Aus der Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes berichtete Dr. Anke Klaus. Sie sehe in der Wahl von Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa ein starkes Zeichen. Natürlich werde sie Zeit brauchen, um in dieses Amt hineinzuwachsen, so Klaus. „Wir wünschen der neuen Caritas-Präsidentin alles Gute.“ Klaus wies auf die Neuwahlen im Zentralrat der Katholiken (ZdK) hin. Mit Irme Stetter-Karp sei eine erfahrene Caritasfrau zur Vorsitzenden gewählt worden. Auch das mache Hoffnung auf dem Weg in die Zukunft von Kirche und Caritas. Die Delegiertenversammlung habe sich zudem mit der Digitalisierung befasst, berichtet Klaus.
Epidemische Lage
„Wir befinden uns in eine äußerst kritischen Lage“, unterstrich Sonja Schwab, Abteilungsleiterin der Caritas und Expertin für die Altenhilfe. Die steigenden Infektionszahlen seien erschreckend und würden Dienste und Einrichtungen erneut vor gewaltige Aufgaben stellen. Schwab informierte über die laufenden Änderungen im Infektionsschutzgesetz. Sie könne nicht verstehen, wieso die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aufgehoben werde. „Da hätten wir mit kleinen Anpassungen alle Instrumente an der Hand gehabt, die wir brauchen.“ Nun herrsche wieder ein großes Durcheinander. Täglich bekäme sie Anrufe aus den Einrichtungen mit Fragen zur Rechtslage. „Wir wollen alles richtigmachen, aber das ist kaum noch möglich.“ Inzwischen brauche selbst der Postbote oder der Handwerker einen aktuellen Test, um ins Haus kommen zu dürfen. Im Namen der Anwesenden dankte Geschäftsführerin Angelika Ochs – Caritas Rhön-Grabfeld – für die vielen hilfreichen und zeitnahen Informationen, die aus der Geschäftsstelle kämen. „Ihr erleichtert uns die Arbeit ganz erheblich“, so Ochs. „Vieles in der Altenhilfe ist personell und finanziell auf Kante genäht. Wir wissen manchmal nicht, wie wir die staatlichen Vorgaben umsetzen sollen“, so Ochs.
Er habe inzwischen kein Verständnis mehr für ideologisch verhärtete Impfverweigerer, meinte Domkapitular Bieber. „Wir sind unserem Bischof dankbar für seinen Aufruf, alle mögen sich impfen lassen.“ Es sei erstaunlich, dass selbst aus kirchlichen Kreisen gegen vernünftige Empfehlungen der Bischöfe gewettert werde.
Bleiben Sie zuversichtlich!
Der Advent lade ein, selbst zum Licht in dunkler Zeit zu werden. „Bleiben Sie zuversichtlich wie der Seher von Patmos“, wünschte Domkapitular Clemens Bieber den Vertreterinnen und Vertretern der unterfränkischen Caritas und dankte für das gute Miteinander. „Wir wollen auch weiterhin unseren hilfreichen Beitrag in Zeiten des Umbruchs leisten.“
Sebastian Schoknecht