Die Predigt im Wortlaut:
„No Kings“-Proteste: Millionen Menschen sind vor vier Wochen in zahlreichen Städten der USA auf die Straßen gegangen und haben gegen US-Präsident Trump protestiert.
„No Kings“, „Keine Könige“! – Die Protestierenden kritisieren den Regierungsstil von Donald Trump. Er würde das Land wie ein König regieren, so die Rufe der Demonstranten, und die demokratische Verfassung ignorieren.
Auf der Website der Bewegung heißt es, Trumps Regierung schicke „maskierte Agenten auf unsere Straße“, terrorisiere Gemeinden und nehme Menschen ohne Haftbefehl fest. Außerdem wirft man ihm vor, Wahlen zu bedrohen, Gesundheits- und Umweltschutz abzubauen und Milliardären Vorteile zu verschaffen, während viele Familien unter steigenden Lebenshaltungskosten litten. „Der Präsident glaubt, seine Macht sei absolut“, heißt es weiter. „Aber wir haben keine Könige.“
Ob wir nun Trump, Putin, Xi Jinping, Al Chamenei, Lukatschenko, Kim Jong Un, Maduro, Erdogan, Orban oder andere Machthaber in den Blick nehmen, immer häufiger begegnen wir autoritären, sogar diktatorischen Haltungen im Umgang mit der Macht. Die ZEIT hat vor einer Woche auf einer ganzen Seite einige der bekannten Situationen unter der Überschrift dargestellt: „Ich, die Macht“. Die erweiterte Überschrift lautet: „Diese Männer sind Gegenspieler der Demokratie: Sie unterdrücken die Menschen mit Gewalt, Geld und Religion.“
In einem ersten Abschnitt werden exemplarisch einige „Diktatoren des 21. Jahrhunderts“ auflistet: „Zehn Staatschefs, die aktuell mit repressiven Mitteln regieren.“
In einem zweiten Abschnitt wird im Blick auf die dort vorgestellten Staatschefs die Frage gestellt: „Auf dem Weg zum Autokraten?“ Weiter heißt es: „Seit sie demokratisch nach oben kamen, wurden sie zunehmen autoritär.“
Jeder der genannten Staatenlenker und die Systeme, für die sie stehen, sind sich allenfalls in dem Punkt einig: Es geht vor allem um ideologische Vorherrschaft, ökonomische Vorteile und fast durchgängig auch um totalitäre Ansprüche im Blick auf das Verhalten der Menschen in der Unterordnung unter den Staatsapparat, der möglichst alles reglementiert und kontrolliert. Sie verkörpern in unterschiedlicher Weise, wie über das Leben von Menschen und ihr Zusammenleben gedacht, aber auch wie mit ihrer Not und ihrem Leid umgegangen wird.
Eine ähnliche Situation mit einem aufkeimenden Nationalismus nach dem ersten Weltkrieg führte vor genau 100 Jahren dazu, dass Papst Pius XI. das „Christkönigsfest“ proklamierte. Er wollte damit auf Christus als den wahren König einer völkerübergreifenden Menschheitsfamilie hinweisen. Ebenso hat Pius XI. mit seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ rassistische und völkische Tendenzen kritisiert. Während die Massen in Italien dem „Duce“ und in Deutschland dem „Führer“ zujubelten, verwies der Papst auf Christus. „Christus ist der König, Jesus ist unser Führer.“
Historiker bestätigen im Blick zurück die „antiautokratische Tendenz des Festes“.
Es geht um einen anderen Regierungsstil, der nicht nur am eigenen Vorteil und Nutzen ausgerichtet ist. Wenn nämlich die Menschen erleben, dass die Verantwortlichen im Staat auch persönliche Anliegen Einzelner im Blick haben und in schwierigen Situationen Anteilnahme, Zuwendung, Sympathie, Beistand und Unterstützung spürbar wird, dann wird Gottes hilfreiche Nähe für sie erfahrbar. Genau darum geht es in der Botschaft dieses Sonntags.
Das Evangelium des Christkönigsfestes stellt uns Jesus vor Augen, wie er selbst nackt und entkräftet, leidend und dem Tod nah am Kreuz hängt. Er ist dem Gespött der Leute ausgeliefert. Er stirbt unschuldig zwischen zwei Verbrechern.
Der Bericht des Evangelisten Lukas ist sehr bemerkenswert, aber weniger wegen der Beschreibung der schrecklichen Ereignisse, sondern wegen der Haltung, die Jesus noch in dieser Situation zeigt: Jesus stirbt, wie er gelebt hat. Sein Herz für die Menschen und seine Souveränität, ihnen zum Leben zu verhelfen, zeigen sich sogar noch am Kreuz.
Zwischen all den Beleidigungen, mit denen die Umstehenden sein Sterben begleiten, hört er noch die flehentliche Bitte einer der beiden Männer, die mit ihm gekreuzigt wurden. Dieser stimmt nicht in das Gegröle und in die Lästerungen der Menge ein, sondern bittet Jesus um ein Gedenken, wenn er die Schwelle des Todes überschritten hat.
Jesus übersieht und überhört trotz des eigenen Todeskampfes die bittende Stimme nicht und lädt den Mitleidenden ein, ihm durch den Tod in das Leben bei Gott zu folgen. Die Souveränität Jesu und die Solidarität des Mitgekreuzigten hält Lukas als Hinweis für uns fest, dass es entscheidend ist, Jesus nachzufolgen. ER gibt unserem Leben den eigentlichen Wert.
Bei der Frage nach unserer Haltung und unserem Umgang mit dem Leid – dem eigenen und dem der Menschen um uns herum – richtet sich unser Blick auf das Kreuz, auf den Gekreuzigten. Er gibt uns Würde und Wertschätzung und zeigt uns die Richtung für unser Leben.
Wir können unseren eigenen Weg im Vertrauen auf IHN gehen, weil er uns immer wieder aufrichtet und ermutigt. Deswegen sollen wir auch die Menschen rechts und links von uns im Blick haben. Durch unsere Aufmerksamkeit und Wertschätzung – selbst in der Situation des Leidens – können wir ihnen ein Stück Himmel auf Erden bereiten, z.B. durch das Ansehen, das wir ihnen sehr bewusst schenken, wenn wir so manche leise Hilferufe hören oder wenn wir mutig für sie eintreten. Das ist gerade dann wichtig, wenn ihr Leben, ihre Situation nicht ernst genommen oder gar übersehen werden, oder sie in ihrer Hilflosigkeit sogar noch lieblosen Urteilen ausgeliefert sind.
Wo Menschen in dieser Weise solidarisch miteinander umgehen, wird mitten in der Welt die Ahnung vom Reich Gottes erfahrbar. Der König am Kreuz herrscht souverän und voller Liebe. Seine Zuneigung zu den Menschen endet auch im Tod nicht.
Wer dem Christkönig nachfolgt, wird selbst fähig zur Liebe. Das Zeugnis von einer Liebe, die selbst an den Grenzen des Lebens nicht Halt macht, fehlt – leider Gottes – vielfach in unserer nur an Kosten und Nutzen und schließlich Vormacht interessierten Welt.
Wo aber Menschen den Weg Jesu nachgehen, geben sie über all die vielen konkreten, augenblicklichen Situationen hinaus den nachfolgenden Generationen das Beispiel eines souveränen von Liebe geprägten Lebens, damit auch sie einmal wiederum den ihnen nachfolgenden Generationen zeigen können, wie gut es ist, dem Christkönig zu folgen.
Manche beklagen heute die Lieblosigkeit, mit der ihnen begegnet wird. Aber sind sie selbst immer liebevoll ihren Mitmenschen, ihren Angehörigen begegnet?
Immer wieder berichten die Medien von schrecklichen Ereignissen bis hinein in Familien, bei denen Menschen ihr Leben verlieren. Ob wir z.B. das schreckliche Ereignis auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg vor einem Jahr oder den Angriff auf eine Kindergartengruppe im Aschaffenburger Schöntal bedenken, immer wieder gibt es dabei auch Vorwürfe gegen Behörden, sie hätten die Signale der Gefahr zu wenig beachtet.
Doch es braucht mehr als das wache Bewusstsein der Behörden, es braucht auch das wache, aufmerksame Auge der Nachbarn, der Menschen in der Umgebung, ihr Interesse, ihre Sorge.
Aber das gibt es ja überall, wenn irgendwo Probleme auftauchen. „Das geht mich nichts an, da halte ich mich raus. Ich will keinen Ärger!“ – So die oft zu hörende Meinung.
Vor einiger Zeit habe ich ein bemerkenswertes Wort einer angesehenen Persönlichkeit gelesen: „Es gibt in Deutschland zahlreiche Preise für Managementleistungen. Einen Preis mit hoher gesellschaftlicher Reputation für moralische Integrität oder für ‚ein Zeichen setzen’ gibt es leider nicht.“
Wir feiern heute den, der Zeichen gesetzt hat für den Wert und die Würde eines jeden Menschen, selbst des Lebens, das schwach und hilflos ist und leidet.
Wert, Würde, Ehre gilt IHM, der uns Menschen Wert, Würde und Ehre gibt.
IHM die Ehre zu geben und IHM nachzufolgen ist unsere Hoffnung und unser Auftrag.
Grotesk ist für mich, dass es sogar Machthaber gibt, die sich auf Gott berufen und zugleich Menschen unterdrücken; d.h., keineswegs für die selbstlose Haltung einstehen, die Jesus deutlich gemacht hat. Kürzlich habe ich gelesen: „Wenn wir nicht mehr in Gottes Hand sind, bin ich gespannt, wer uns in die Finger kriegt.“
„No Kings“-Proteste drücken nicht nur die Ablehnung der Unterdrückung von Menschen mit verschiedenen Formen von Gewalt, mit Geld oder gar Religion aus. „No Kings“-Proteste markieren andererseits die Sehnsucht nach einer Haltung in der politischen Verantwortung, die geprägt ist von Empathie, Menschlichkeit und Friedenswillen, um den Weg in eine lebenswerte Zukunft zu bereiten.
Wir können nur hoffen, dass wir mit all dem, was unser Leben ausmacht auch an Belastendem und Bedrückendem, immer wieder in gute Hände kommen und uns selbst gegenüber anderen als Handlanger für Gottes und seine Menschenfreundlichkeit und Liebe erweisen. Dann werden wir gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Aufbau SEINES Reiches sein, in dem ER deutlich macht, was es heißt König für die Menschen zu sein!
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Text zur Besinnung
Wir sehnen uns nach einem,
der die Probleme anpackt,
der für Arbeit und soziale Gerechtigkeit sorgt,
der die Armen reich und die Unterdrückten stark macht,
der den Nord-Süd-, und den Ost-West-Konflikt löst,
der für Frieden sorgt,
der Verständigung möglich macht,
der von Angst und Sorgen befreit,
der zeigt, wohin es gehen soll,
der die Menschen zur Besinnung bringt,
der dem Leben Sinn gibt.
Wir sehnen nun nach dem Messias.
Wir sehnen uns nach Dir, Jesus.
Wir sehnen uns danach, dass Dein Reich kommt, Jesus.
(Autor unbekannt)





