Wer die Justizvollzugsanstalt (JVA) am Würzburger Stadtrand aufsucht, betritt über die Sicherheitsschleuse am Eingang eine eigene Welt. Hinter hohen Mauern und Stacheldrahtzäunen verbüßen derzeit in der JVA Lengfeld etwa 600 Männer und Frauen ihre Haftstrafen. Für mehrere Jahre sind sie Bewohnerinnen und Bewohner eines Mikrokosmos’ mit Betrieben, einigen Freizeitangeboten, einer Schule und einer eigenen Kapelle. Vor allem aber ist es eine Welt mit eigenen Regeln. Und draußen geht das Leben weiter.
„Wenn ich in drei Jahren rauskomme, ist meine Tochter acht“, sagt Elena H.*. Sie werde wohl nicht dabei sein, wenn Sofia* in die Schule kommt und habe große Angst vor der Entfremdung. Silke S.*, ebenfalls für mehrere Jahre inhaftiert, fürchtet sich, ihrem neunjährigen Sohn am Telefon erklären zu müssen, wo sie gerade ist. „Tim* lebt bei seinem Vater, und der tut sich ebenfalls schwer, über die Mama und das Gefängnis zu reden.“
Die inhaftierten Frauen sitzen an diesem Nachmittag in der modernen Kapelle der JVA und tauschen sich für gut neunzig Minuten mit Beraterin Saskia Hartmann und Seelsorgerin Doris Schäfer aus. „Vielfältig sind die Herausforderungen, die insbesondere die Mütter und Väter hier haben“, berichtet Pastoralreferentin Doris Schäfer vom Fachdienst katholische Gefängnisseelsorge. Ihr und den Kolleginnen und Kollegen sei es ein Anliegen, dass der Kontakt zu den Kindern nicht abbreche. „Es gibt auch eine Zeit nach der Haft, und dann soll das Leben mit den Kindern möglichst gelingen“, bringt es die erfahrene Seelsorgerin auf den Punkt. „Deshalb habe ich einen Hilferuf an die Caritas geschickt.“
„Wir haben uns mit der Seelsorge, dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und anderen Akteuren, die hinter den Mauern engagiert sind, gut abgestimmt“, berichtet Saskia Hartmann. Sie ist Referentin für Familie und Jugendhilfe im Caritasverband für die Diözese Würzburg und besucht in dieser Funktion einmal im Monat auch die JVA. „Das Coaching für inhaftierte Väter und Mütter ergänzt bereits bestehende Angebote. Wir fügen uns hier ein in ein hilfreiches Netzwerk für die Inhaftierten.“
Hartmann hört zu, berät, ermutigt, hilft Ängste zu überwinden und unterstützt. „Viele der Frauen“, sagt Hartmann, „tun sich schwer mit dem Jugendamt und anderen Behörden.“ Auch da gehe es ihr um gelingende Kommunikation. Elena H. und Silke S. sind begeistert und nutzen nach eigenem Bekunden jedes Treffen mit der Fachfrau der Caritas. „Wir sprechen über das, was uns auf den Nägeln brennt.“ Das helfe sehr. Einmal im Monat dürften sie telefonieren, hin und wieder auch skypen und natürlich Briefe schreiben. Silke S.: „Seit es das Coaching gibt, fällt mir da manches leichter.“ Inzwischen sei der Vater sogar bereit, hin und wieder ein Foto von Tim zu schicken.
„Ich biete Gruppengespräche an“, sagt Hartmann. Über einen Aushang werde auf das Angebot aufmerksam gemacht. Es richtet sich nicht an alle, sondern an Mütter und Väter, denn es gehe stets um die Beziehung zu den Kindern. „Das Coaching wird aber getrennt durchgeführt, weil die Herausforderungen und das Rollenverständnis von Müttern und Vätern doch spezifisch sind“, erläutert Hartmann. Dass die Treffen in der hellen und sehr freundlich wirkenden Kapelle stattfinden, freue sie sehr. „Hier wird für alle Beteiligten spürbar, dass es um Ermutigung und Vertrauen ins Leben geht.“
Ob aus dem Projekt ein dauerhaftes Angebot werden könne, müsse sich noch zeigen und sei am Ende auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten, so Hartmann. „Ich sehe, wie gut es den Menschen tut und hoffe deshalb das Beste.“
Sebastian Schoknecht
*Namen wurden geändert.