„Der Tod von Barbara Stamm macht uns betroffen und traurig“, so der Geistliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des DRW Martin Riß. „Mit ihr verlieren wir eine starke Stimme in Bayern für Menschen mit Beeinträchtigungen. Barbara Stamm stand bis zuletzt in engem Austausch mit uns, hat unsere Einrichtungen besucht und sich für wichtige Projekte in der Soziallandschaft Bayerns und insbesondere in ihrer Heimat Unterfranken stark gemacht. Ohne ihren Einsatz, ihre Tatkraft, Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit wäre das erst im August in Maria Bildhausen bei Münnerstadt gegründete Zentrum für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt (ZfPSE) mit insgesamt neun Trägern aus Stiftungen, Medizin, Verbänden und der Stadt Münnerstadt wohl nie Realität geworden“, so Martin Riß.
Barbara Stamm habe bei ihrer langjährigen Tätigkeit als Politikerin immer den Menschen im Vordergrund gesehen und gewusst, dass insbesondere eine gute soziale Arbeit immer beim Einzelnen beginne, der für seine Aufgabe für den Nächsten Kraft und Perspektive brauche. Ihr Interesse für den Einzelnen und ihre Herzenswärme habe jeder gespürt, der ihr begegnet sei, so Riß. „So war ihr großes Engagement für die in der Pflege Tätigen zu erklären und so entstand auch ihr Herzensprojekt des neuen Zentrums für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt“, so Riß weiter. Barbara Stamm sagte beim Gründungsakt der Trägergesellschaft im August 2022: „Ich sehe das Zentrum als Zeichen unseres Respekts und unserer Hochachtung für all diese Menschen und deren Leistungen für das Allgemeinwohl.“ „Diesem Erbe von Barbara Stamm, der Sorge um Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen und der Sorge für die Menschen, die sich täglich um jene mit Hilfebedarf kümmern, sehen wir uns verpflichtet“, sagte Martin Riß.
Ulrichskreuz in Gold in Ursberg verliehen
Bis vor wenigen Monaten war Barbara Stamm zudem regelmäßiger Gast am Gründungsort des Dominikus-Ringeisen-Werks in Ursberg (Schwaben) gewesen. Noch im Juni besuchte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Ludwig Stamm und dem Würzburger Caritasdirektor Clemens Bieber u. a. die Flüchtlingsunterkunft für junge Menschen mit Behinderung, die das DRW gemeinsam mit Partnern im Frühjahr aus dem ukrainischen Kriegsgebiet evakuiert hatte. Im Juli schließlich nahm sie am Stabwechsel im Amt des Geistlichen Direktors und Vorstandsvorsitzenden des DRW in Ursberg teil. Bei dieser Gelegenheit wurde ihr vom Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier das Ulrichskreuz in Gold, die höchste Auszeichnung des Bistums Augsburg, verliehen. Stamm sei eine Pionierin moderner Sozialarbeit, sagte der Bischof damals. Als gelernte Erzieherin und später als Politikerin in höchster Verantwortung habe Stamm jahrzehntelang das soziale Gewissen Bayerns geprägt.
Stamm-Initiative: Gedenktag für Nazi-Opfer in Ursberg 2018
Ebenfalls auf Initiative der damaligen bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm fand am 27. Januar 2018 der Internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Ursberg statt. Er stand im Zeichen der Euthanasieopfer der Nazis. Diesem Vernichtungsprogramm waren im gesamten DRW 379 Menschen mit Behinderung zum Opfer gefallen. Barbara Stamm damals: „Wir dürfen in der Sorge und in der Betreuung von Menschen mit Handicap nicht fragen, was sie uns kosten dürfen. Diese Frage ist nicht erlaubt. Sondern wir müssen ihre Würde gewährleisten, uns darüber freuen, dass es sie gibt, dass sie einzigartig sind und sie alle sichtbar in die Mitte unserer Gesellschaft stellen.“
Schwestern verneigen sich vor Lebenswerk
Für den 27. Januar 2023 plant die St. Josefskongregation die offizielle Eröffnung des neuen Mahnmals in Ursberg für die Opfer des Nationalsozialismus im DRW. Auch Barbara Stamm war dazu eingeladen. „Wir sind traurig und gleichzeitig sehr berührt darüber, eine so lange Wegstrecke mit Barbara Stamm unterwegs gewesen sein zu dürfen. Mit ihr verlieren wir eine Freundin der Menschen und der Ordensschwestern sowie eine große Fürsprecherin in den Anliegen für die Menschen am Rand der Gesellschaft“, sagte die Generaloberin der St. Josefskongregation, Sr. Katharina Wildenauer CSJ. „Ihre Persönlichkeit, ihre Stimme für Schwache, ihre Integrität in der Politik werden fehlen. In Gedanken an ihre Familie und im Gebet vereint verneigen sich die Schwestern der St. Josefskongregation vor dem Lebenswerk von Barbara Stamm.“
Das Dominikus-Ringeisen-Werk
In den bayerischen Regierungsbezirken Schwaben, Unterfranken und Oberbayern an über 30 Standorten begleitet das Dominikus-Ringeisen-Werk zurzeit ca. 5.000 Menschen mit einer geistigen Behinderung, mit Lernbehinderung, mit mehrfacher Behinderung, mit Sinnesbehinderung, Autismus, erworbener Hirnschädigung, psychischer Erkrankung und Menschen im Alter. Am Standort Ursberg, dem Stammsitz der kirchlichen Stiftung, leben ca. 900 Menschen mit Behinderung. Über 4.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für das Dominikus-Ringeisen-Werk tätig. Die St. Josefskongregation hatte das Werk Dominikus Ringeisens seit 1904 bis zur Gründung einer gleichnamigen kirchlichen Stiftung öffentlichen Rechts 1996 weitergeführt.
Manuel Liesenfeld