Anlässlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut, der weltweit am 17. Oktober begangen wird, lud der Caritasverband für die Diözese Würzburg, Bürgermeister und Fachleute aus den Kommunen der unterfränkischen Region 3 – Main-Rhön – zum Workshop „Obdachlosigkeit in Kommunen“ am Donnerstag, 14. Oktober, nach Schweinfurt ein. Als Referent konnte der Caritasverband Unterfrankens Regierungspräsidenten Dr. Eugen Ehmann gewinnen. Der Einladung folgten gut 85 Frauen und Männer, Bürgermeister, Verwaltungskräfte und weitere Fachleute, die mit der Thematik „Obdachlosigkeit“ in ihrer Kommune befasst sind.
Gero Utz, Koordinator der Wohnungslosenhilfe Nordbayern, begrüßte im Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirche darüber hinaus prominente Ehrengäste. So richteten der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg, Domkapitular Clemens Bieber, die Ehrenvorsitzende der Caritas und ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm, sowie Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert Grußworte an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Bayerische Sozialministerium war durch Petra Pfeffer aus dem Referat Teilhabe vertreten.
Utz nutze die Gelegenheit, das Projekt „Vier Wände“ vorzustellen. Gefördert durch das Sozialministerium gehe es der Caritas darum, die aktuelle Bedarfssituation im Bereich der Wohnungslosenhilfe in der Region Main-Rhön zu erfassen, konzeptionelle Grundlagen zu deren Weiterentwicklung zu erarbeiten und einen echten Beitrag zur Vernetzung zu leisten.
Domkapitular Clemens Bieber dankte in seinem Grußwort vorab für das große Interesse am Workshop und berichtete aus seinen Erfahrungen als langjähriger Seelsorger in Schweinfurt und am Untermain im Umgang mit Obdachlosen. „Die Haltung des Respekts ist entscheidend“, so Bieber. „Wir erleben Menschen, die in unserer Gesellschaft, die immer schneller zu werden scheint, nicht mehr mithalten können.“ Es sei auch der Umgang mit Obdachlosen in den zuständigen Kommunen, der den weiteren Weg dieser benachteiligten Menschen prägen könne. Bieber richtete seinen Dank an Barbara Stamm, die immer mit an Bord sei, wenn es um die großen sozialen Fragen gehe. Dank gelte ebenso dem Regierungspräsidenten Eugen Ehmann, der sich als ausgewiesener Fachmann für den Workshop zur Verfügung gestellt habe.
Barbara Stamm erinnerte in ihrem Grußwort daran, dass Obdachlosigkeit sich längst nicht mehr auf Großstädte und Ballungsräume beschränke, sondern ebenso im ländlichen Raum angekommen sei. „Was mich gegenwärtig sehr erschreckt ist die zunehmende Zahl an betroffenen Frauen, oftmals auch mit Kindern.“ Es brauche, so Stamm, viel mehr Prävention. „Wieso beginnen wir erst zu handeln, wenn es Brennpunkte gibt? Wieso muss das Kind erst in den Brunnen gefallen sein, bevor wir aktiv werden?“ Der Staat leiste sich zu viele Reparaturkosten, statt im Vorfeld menschlicher Katastrophen aktiv zu werden. Stamm empfahl den Kommunen ausdrücklich die Vernetzung mit der Caritas und anderen Verbänden vor Ort.
Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin griff die kritischen Anmerkungen auf und ergänzte: „Wir warten, dass die betroffenen Menschen zu uns kommen. Wir sollten jedoch auch zu den Menschen hingehen, um rechtzeitig zu unterstützen.“ Dass Menschen aus dem System fallen, dürfe nicht hingenommen werden. „Schweinfurt ist auf einem guten Weg, aber wir müssen noch professioneller werden.“ Zugleich appellierte die Kommunalpolitikerin auch an die Selbstverpflichtung der Menschen. Hilfe müsse nicht nur angeboten, sondern auch angenommen werden.
Lebendiger Workshop
Der anschließende Workshop mit Dr. Eugen Ehmann fand unter reger Beteiligung der anwesenden Fachleute aus den Kommunen statt. Viele Wortmeldungen und Fragen bereicherten den lebendigen Vortrag des Regierungspräsidenten, der als ausgewiesener Experte anhand konkreter Fallbeispiele die oftmals komplexe Rechtsmaterie anschaulich machte. „Wer ist zuständig, wenn ein Obdachloser anklopft?“, war eine der nur auf den ersten Blick einfach erscheinenden Fragen. „Was steht Betroffenen in Obdachlosigkeit von Rechts wegen zu, und wie ist mit obdachlosen Menschen umzugehen, die sich nicht kooperativ und einsichtig zeigen?“ Ehmann plädierte für eine gute Vernetzung aller beteiligten Institutionen. Es gehe nicht allein um rechtliche Fragen, sondern ebenso um eine gute Betreuung und Begleitung der Betroffenen. „Wir haben es oftmals mit psychisch belasteten Menschen zu tun, mit Haftentlassenen, mit Männern und Frauen, die unter einer Suchtproblematik leiden.“ Natürlich sei das nie einfach, aber wir entkommen der Zuständigkeit nicht dadurch, dass wir die Betroffenen zwischen Behörden hin- und herschieben. „Da geht in manchen Kommunen viel zu viel Energie drauf.“ Der Workshop war von Anfang an durch eine klare und ehrliche Sprache auf allen Seiten gekennzeichnet. Das würdigten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Koordinatoren des Projektes „Vier Wände“, in dem es in einem hohen Maße auch um eine Vernetzung von Akteuren im Bereich Obdachlosigkeit in der Region 3 geht. „Wir wollen im Sinne der Vernetzung eine mobile Beratung und Hilfe aufbauen“, erläuterte Stefan Gerhard, Leiter Soziale Dienste am Heimathof Simonshof, einer traditionsreichen Caritaseinrichtung für wohnsitzlose Männer in Bastheim, in der das vom Freistaat geförderte Projekt „Vier Wände“ seinen Dienstsitz hat.
Am Ende des Workshops dankten die Anwesenden dem Referenten mit anhaltendem Applaus für seine lebendige und – trotz der Ernsthaftigkeit des Themas - humorvolle Art, den Akteuren in den Kommunen Rechts- und Handlungssicherheit vermittelt zu haben und für zahlreiche weiterführende Hinweise, die zu substanziellen Verbesserungen im System beitragen könnten. Mit Blumen und Schokolade schloss sich die verantwortliche Vorsitzende der Steuerungsgruppe im Projekt „Vier Wände“, Sonja Schwab, diesem Dank an und würdigte ebenso die Unterstützung durch den Moderator des Tages, Gero Utz. Applaus erhielt zudem die gesamte Steuerungs- und Vorbereitungsgruppe.
„Ich nehme sehr viel für meine Arbeit mit“, meinte abschließend eine Verwaltungsangestellte. Auch wenn Obdachlosigkeit in der Region noch kein überbordendes Problem darstelle, sei eine bessere Vernetzung der Kommunen und anderer Institutionen sinnvoll. „Wir wollen für die Menschen da sein, auch wenn das manchmal anstrengend ist.“ „Mir wird der Satz ‚Obdachlose müssen als Mensch respektiert und rechtlich korrekt behandelt werden‘ lange im Kopf bleiben“, sagte ein Bürgermeister. Es müsse darum gehen, eine gute Grundhaltung zu entwickeln und zugleich rechtlich immer „up to date“ zu sein. „Ehmann ist ein großartiger, kluger und unterhaltsamer Referent“, äußerte sich eine Vertreterin der Caritas, „Wir werden auf jeden Fall an der Thematik dranbleiben.“
Sebastian Schoknecht