Die Predigt im Wortlaut:
„Friday for future“ – hunderttausende nicht nur junge Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren gegen die zunehmende Belastung der natürlichen Umwelt und damit – nach unserem Verständnis – auch für die Bewahrung der Schöpfung. Es ist erstaunlich, welch große mediale Aufmerksamkeit der Protest erfährt. Wenn ich daran denke, wie vor einigen Jahren von den Vereinten Nationen die Agenda 21 ausgerufen wurde und auch wir als Kirche unter dem Slogan „Global denken – lokal handeln“ vielfältige Aktionen gestartet haben, um Bewusstsein zu schaffen und z.B. Umweltzertifizierungen in unseren Einrichtungen durchgeführt haben, da fand dies bei weitem nicht das Echo der Medien wie zurzeit.
„Friday for future“ – mit dieser inzwischen beachtlich großen Bewegung verbinden sich viele konkrete Vorschläge zum Schutz der Umwelt, von den Bienen bis hin zum Reduzieren des CO2-Ausstoßes über die Einschränkung der Fortbewegungsmöglichkeiten per Auto oder Flugzeug und den Essensgewohnheiten. Längst geht es dabei nicht mehr nur um den „Veggie day“ – die Forderung nach einem fleischlosen, einem vegetarischen Tag in der Woche. Fleischgerichte werden insgesamt in Frage gestellt und vegetarische bzw. vegane Kost für öffentliche Einrichtungen von Kindergärten und Schulen an bis zu Kantinen propagiert.
An dieser Stelle kann ich mir nicht verkneifen daran zu erinnern, wie scharf noch vor wenigen Jahren die Ablehnung gegenüber dem Freitagsgebot war: „Ich lasse mir nicht von der Kirche vorschreiben, wann ich Fleisch esse und wann nicht!“ Es war geradezu ein Akt der Befreiung gegenüber kirchlicher Bevormundung, an den Fasttagen bewusst Fleisch zu essen.
Am Beispiel von „Veggie day“ und kirchlichen Fasttagen wird der entscheidende Unterschied deutlich: Die kirchliche Fastenpraxis stellt keine politische Forderung dar und hatte auch nie nur eine rein körperliche Dimension wie die Gesundheit im Blick. Vielmehr ging und geht es aus einer religiösen Motivation heraus um einen bewussten Verzicht, der auch Kopf und Herz für eine größere Wirklichkeit unseres menschlichen Lebens freimachen wollte und will. Sinn und Zweck des Freitagsgebotes wie auch anderer Fastengebote ist also nicht nur, den Genuss von Fleisch durch den Genuss von lecker zubereiteten fleischlosen Speisen zu ersetzen.
Weil unsere Welt und unser Leben nicht nur durch die ökologische Krise, sondern ebenso durch die ökonomische wie auch die soziale Krise durch die bedenklich nachlassende Solidarität bedroht ist, ist eine Veränderung des Lebensstils von innen her not–wendig. Es genügt nicht, „Friday for future“ zu propagieren, wenn gleichzeitig Verkehrsüberwachung und Polizei und vor Kitas und Schulen stehen und Eltern daran erinnern, dass die Kinder nicht unbedingt mit dem Auto bis vor die Eingangstüre gefahren werden müssen. Ebenso ist es merkwürdig, dass von immer mehr Sympathisanten für „Friday for future“ berichtet wird, während gleichzeitig die Fluggastzahlen ein Rekordniveau erreichen, Greta Thunberg mit einem Boot über den Atlantik schippert, und der Begleittross wie auch der Rücktransport ihres Bootes mehr Energie verbraucht, als wenn sie mit einer Linienmaschine nach New York geflogen wäre. Fast jeder der Demonstranten hat ein Handy in der Tasche. Deshalb möchte ich auf die Ansprache von Professor Harald Lesch beim Diözesanempfang am 21. Januar dieses Jahres in Würzburg verweisen, der den Zuhörern den Spiegel vorhielt, indem er erinnerte, wie viel Energie das Nutzen der Smartephons, jedes Posten und Streamen verbraucht, weil dabei jedes Mal eine ganze Kaskade von Reaktionen bzw. Rechenoperationen in den Servern überall auf der Welt ausgelöst wird.
Es genügt also nicht nur „Fridays for future“ zur Rettung der Welt hoch zu loben, es braucht vielmehr ein grundsätzliches Umdenken, eine nicht nur materialistische Sicht auf das Leben. Umdenken heißt im Griechischen und in der Sprache des Neuen Testaments „metanioa“, was wörtlich übersetzt bedeutet, den Sinn, das Denken umkehren.
Weil wir heute in unseren Gottesdiensten Erntedank feiern, sollten wir über die größere Dimension unseres Lebens nachdenken, da es ohne diese keinen Grund gäbe Gott zu danken.
- Wenn etwa in der Landwirtschaft – wie in der Wirtschaft überhaupt – alles nur auf Steigerung, Wachstum, immer höhere Erträge, Umsatz und Profit ausgerichtet wäre, wäre es angebracht, den dafür verantwortlichen Managern zu danken.
- Oder wenn beim Einkauf von Obst und Gemüse, von Fleisch und Wurst die Haltung „Geiz ist geil“ und deshalb „alles zum Dumpingpreis“ im Vordergrund stünde, dann wäre denen zu danken, die nicht nur mit künstlichen Hilfsmitteln, sondern auch mit unlauteren und gewissenlosen Methoden produzieren, um billige Waren in die Ladenregale und auf die Theke zu bringen.
- Und wenn beim Gespräch über das Thema „Erntedank“ aus dem Mund eines Kindes die Aussage kommt: „Mein Papa sagt: Wir müssen nicht danken, wir bezahlen alles!“, dann gilt es halt dem Papa zu danken.
Viele Menschen haben den Bezug zur Natur, den Blick dafür, wie reich beschenkt wir sind, und von daher auch das Verantwortungsbewusstsein für die Schöpfung verloren. Für viele ist nur die augenblickliche Situation, der persönliche Nutzen, die körperliche Gesundheit wichtig; sie wollen weder lokale noch globale Solidarität noch bedenkliche Entwicklungen in den Blick nehmen.
Wenn die Christen seit dem 3. Jahrhundert Erntedank feiern, dann geht es um die Gaben der Schöpfung, die uns zugutekommen, und um den verantwortungsbewussten Umgang mit ihnen.
Das weit verbreitete Verständnis von der Umwelt als Ressource, als reine Quelle und Nutzfläche für menschliche Bedürfnisse, ist ein deutliches Zeichen, dass die Beziehung zwischen Mensch und Natur in eine Krise geraten ist.
Der veränderte und verbrauchende Umgang mit der guten Schöpfung Gottes führte in den letzten dreißig, vierzig Jahren auch zu einer veränderten Sicht und Bewertung menschlichen Lebens. Das können wir z.B. an der Selektion erkennen, die durch die Pränatal- und die Präimplantationsdiagnostik möglich ist und auch in der Diskussion um die aktive Sterbehilfe deutlich wird.
Wir brauchen wieder einen geschwisterlichen und achtungsvollen mehrdimensionalen Umgang mit der Schöpfung, der Natur und dem Leben überhaupt, auch dem menschlichen Leben.
Dadurch wird uns immer wieder neu aufgehen und bewusst, dass Gott alles Lebendige wie auch die Natur geschaffen und uns Menschen anvertraut hat, und dass es unser Auftrag ist, die Schöpfung zu bewahren und zu ihrer natürlichen Entfaltung zu beizutragen.
Gott hat uns die Erde anvertraut, damit wir sie in SEINEM Geist bebauen, gestalten und mit dem Ertrag ihrer Früchte auch dafür sorgen, dass alle Menschen sich daran freuen, satt werden und leben können.
Und weil der Mensch in vielfältiger Weise verantwortungslos mit der ihm anvertrauten Schöpfung und dem ihm geschenkten Leben umging, hat Gott selbst in Jesus das entscheidende Zeichen für den Neuanfang gesetzt. Das Leben und Wirken Jesu zielte darauf ab, dem Leben zum Durchbruch zu verhelfen. Dieser Weg wurde an Ostern bestätigt mit der Auferstehung vom Tod zum Leben. Deshalb ist für uns Christen die wichtigere und größere Botschaft, die wir Sonntag für Sonntag beim wöchentlichen Osterfest verkünden, der „Sunday for future“.
Damit sind wir bei der biblischen Botschaft des heutigen Sonntags.
- Zwei wichtige Anliegen spricht Jesus im Evangelium an: „Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn …“ Diese Aussage macht deutlich: Wo der Glaube schwach ist, fehlt es an Liebe und Hoffnung, an Zuversicht und Mut, da bewirken wir letztlich nichts.
- Und sein Wort „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind nur unnütze Sklaven, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“, weist darauf hin, dass uns die Erde anvertraut ist, dass wir einen Auftrag für das Leben haben und uns nicht als Herren über die Welt und das Leben gebärden dürfen. Es geht um mehr als nur um aktuelle politische Forderungen.
- Und die Ermutigung des Paulus zum Zeugnis für die von Gott geschenkte Lebensbotschaft gilt heute uns: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Das genau ist das Leitwort, das unser Bischof über das Jahr 2019 geschrieben hat.
Wir sollen also im Geist Gottes wirken. ER hat uns begabt und eröffnet uns Möglichkeiten. IHM verdanken wir, dass wir leben und mitwirken können beim Bebauen und Pflegen der Erde, des Lebens, der Schöpfung Gottes! Deshalb wirkt es sich auf lange Sicht fatal aus, wenn Menschen glauben, dass sie alles aus eigener Kraft können und vermögen.
Das Erntedankfest macht nicht nur unsere Dankbarkeit Gott gegenüber deutlich, sondern weist auch auf unsere Verantwortung hin, die wir als SEINE Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sorge um die uns anvertraute Welt haben.
Es geht um mehr als um „Friday for future“, es geht um unsere Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens, es geht um den „Sunday for future“, um unseren verantwortungsbewussten Umgang mit dem Leben und den guten Gaben der Schöpfung. Das alles hat mit Gott und dem Glauben an IHN zu tun und wirkt sich in einem guten Umgang mit dem Leben und der Schöpfung aus.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Zur Besinnung nach der Kommunion
Gott allein kann schaffen,
aber wir können das Erschaffene zur Geltung bringen.
Gott allein kann Leben schenken,
aber wir können es weitergeben und achten.
Gott allein kann Glauben schenken,
aber wir können Zeugnis geben.
Gott allein kann Hoffnung wecken,
aber wir können anderen Vertrauen schenken.
Gott allein kann Freude schenken,
aber wir ein Lächeln.
Gott allein ist der Weg,
aber wir können ihn anderen zeigen.
Gott allein ist das Unmögliche,
aber wir können das Mögliche tun.
Gott allein ist die Liebe,
aber wir können seine Liebe weitergeben.
Gott allein genügt sich selbst,
aber er hat es vorgezogen, auf uns zu zählen.
(Verfasser unbekannt)