Die Predigt im Wortlaut:
„Sternstunden“ – so heißt die große Hilfsaktion des Bayerischen Rundfunks, mit der seit über 30 Jahren soziale Projekte für Kinder und Jugendliche gefördert werden.
Es sind fürwahr „Sternstunden“, wenn Menschen von den Berichten über die oft schwierige Lebenssituation angerührt werden und bereit sind, mit ihren Spenden, ebenso mit ihren Ideen und Aktionen finanzielle Mittel zu akquirieren, um sowohl in Einzelfällen zu helfen, als auch hilfreiche Dienste und Einrichtungen zu unterstützen.
Gerade in den beim Sternstundenabend an diesem Freitag exemplarisch vorgestellten Projekten wurde deutlich, dass es für die betroffenen Menschen „Sternstunden“ sind, wenn sie Zuwendung und Hilfe erfahren. Insofern können wir von „Sternstunden“ sprechen, wo immer hilfsbereite Menschen sich ihren bedürftigen Mitmenschen zuwenden. Diese Beispiele und die damit verbundenen Signale an Menschlichkeit sind gerade in unseren Tagen eine sehr wichtige Botschaft in unsere Gesellschaft, in unsere Welt, denn die macht große Sorgen und weckt viel Unsicherheit.
Dazu nur einige aktuelle Stichworte: „Assad gestürzt“, „Bombardierung syrischer Waffenlager geht weiter“, „Waffenruhe im Nahen Osten immer wieder unterbrochen“, „Iran fährt sein Atomprogramm hoch“, „Nordkorea und China beliefern Russland mit Waffen“, „Ukraine in immer größerer Bedrängnis“, „Oppositionsführer in Georgien verhaftet“, „Wahl in Rumänien muss wiederholt werden“, Südkoreanisches „Parlament stimmt für Absetzung des Präsidenten“, „Künftige Regierung der USA wirft Fragen auf“, „Regierung in Frankreich gestürzt“ usw. Bei uns im Land werden die wirtschaftlichen Probleme immer deutlicher. Dazu gibt es problematische gesellschaftliche Veränderungen, die im Hau-Ruck-Verfahren vor der anstehenden Bundestagswahl noch schnell beschlossen werden sollen wie z.B. die „Abschaffung des § 218“ usw.
Die Frage der Leute, die damals zu Johannes dem Täufer kamen, drängt sich auch uns auf: „Was sollen wir tun?“ Die Menschen suchten nach einem glaubwürdigen und lebenswerten Weg. Die Antworten des Täufers sind sehr konkret, keineswegs allgemein, unverbindlich und nach allen Seiten offen.
- Er mahnt zur Solidarität,
- fordert aufrichtiges, nicht korruptes Agieren
- und er erinnert an faires Verhalten und Menschenrechte.
Dazu gab Johannes den Leuten eine Fülle von Hinweisen, z.B. „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.“ An die unsicher gewordenen Zöllner gewandt, sagte er: „Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist.“ Und den Soldaten riet er: „Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!“
Ich erspare es mir, diese Aussagen im Blick auf die Solidarität und das Miteinander in der Welt unserer Tage zu aktualisieren, im Blick etwa auf die dramatischen Veränderungen in der Arbeitswelt, wo Löhne reduziert und Produktionsstandorte in Frage gestellt werden. Ebenso könnte man eine Fülle von konkreten Hinweisen nennen im Blick auf die Be-wert-ung und den Umgang mit menschlichem Leben, wie auch die sozialen Herausforderungen.
Ganz wichtig aber ist, dass Johannes es nicht bei seinen Verhaltenshinweisen belässt, sondern auf den hinweist, der dem Leben zum Durchbruch verhelfen wird, den kommenden Messias. „Johannes aber sagte. Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich.“
Wer von IHM, dem menschgewordenen Gott, den Johannes angekündigt hat, begeistert ist, der wird anders leben und anders mit dem Leben umgehen als bisher. Darauf weist Paulus hin, wie wir in seinem Brief an die Philipper gehört haben: „Eure Güte werde allen Menschen bekannt.“ Und weiter schreibt er: „Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.“
Die Verunsicherung vieler Menschen in unseren Tagen muss uns Christen, muss die Kirchen dazu veranlassen, die grundlegenden Fragen in der Gesellschaft aufzuwerfen und die Diskussion darüber einzufordern. Deshalb dürfen sich die christlichen Kirchen nicht in ein frommes Schneckenhaus zurückziehen, im Gegenteil, sie müssen sich vernehmbar zu Wort melden und dies durch ihren Einsatz für das Leben verstärken. Dazu habe ich kürzlich gelesen: Die Kirche muss „das christliche, eigene Proprium einbringen, um nahe bei den Menschen zu sein. Dazu gehört in erster Linie die Gottesfrage und damit Antworten auf die Fragen, was der Sinn des Lebens … und wie real dieser Sinn ist. Nicht was sie wissen können und tun sollen, sollen die christlichen Kirchen den Leuten sagen, sondern was sie hoffen dürfen.“
Wir haben den Menschen unendlich viel zu geben, damit sie hoffnungsvoll leben!
Bei seiner Generalaudienz am vergangenen Mittwoch in Rom hat Papst Franziskus über die Hoffnung gesprochen. Hoffnung sei keine „passive Tugend“, sondern eine „höchst aktive“, die dazu beiträgt, Veränderungen herbeizuführen. Die Aufgabe eines Christen sei es daher, nicht nur selbst Hoffnung zu haben, sondern diese auch auszustrahlen und zu verbreiten: „Der Christ kann sich nicht damit begnügen, Hoffnung zu haben; er muss auch Hoffnung ausstrahlen, ein Sämann der Hoffnung sein. Dies ist das schönste Geschenk, das die Kirche der ganzen Menschheit machen kann, besonders in Zeiten, in denen alles die Segel herunterzudrücken scheint.“ Deshalb hat Franziskus mit dem Leitwort für das bevorstehende „Heilige Jahr“ zugleich die Haltung beschrieben, in der Christen sich in der Welt bewegen und wirken sollen: „Pilger der Hoffnung!“
Menschen aber, die auf der Suche nach einem besseren Weg für ihr Leben sind, die hören zu und sie werden, wie im Evangelium dreimal hervorgehoben wird, immer wieder fragen: „Was sollen wir tun?“ Das große Problem der Menschen unserer Gesellschaft ist, dass viel zu wenige ehrlich die entscheidende Frage stellen: „Was sollen wir tun?“ Alle reden davon: „Es kann so nicht weitergehen, es muss sich etwas ändern!“ Im Grunde aber will sich keiner ändern, will keiner, dass sich für ihn und bei ihm etwas ändert: Kinder, Eltern, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Gewerkschaftler, Politiker, Journalisten und Fernsehmacher. Im Grunde sollte es zur Kernfrage eines jeden Einzelnen werden: „Was sollen wir tun?“
Wenn wir wirklich wollen, dass Gott in die Welt kommt, und dass durch ihn die Welt menschlicher und lebenswerter wird, dann müssen die Menschen wieder lernen, hinzuhören auf die Botschaft Gottes und wirklich bereit sein, zu fragen: „Was sollen wir tun?“ Wo Menschen diese Frage stellen, da wird der Weg geebnet, so dass Gott in der Welt ankommen kann.
Gott sei Dank, gibt es Menschen, die nicht einfach im sogenannten „mainstream“ mitschwimmen oder die der Menge nicht nach dem Mund reden, sondern die Profil haben und die Frage provozieren: „Was sollen wir tun?“
Dazu ein Erlebnis, das mich fasziniert hat. Den zweiten Advent am vergangen Sonntag verbrachte ich in Innsbruck, das mir seit meinem Studium vor 42 Jahren sehr vertraut und zur zweiten Heimat geworden ist. Der Gang – schon am Samstagnachmittag – über den zentralen „Weihnachtsmarkt“ bot das gleiche Bild wie in allen Städten. Menschenmassen schoben sich regelrecht durch die Altstadt bis hinauf zur Annasäule in der Maria-Theresien-Straße – vorbei an den zahlreichen Buden und Verkaufsständen mit ihren vielfältigen Angeboten.
Umso erstaunter war ich, als ich am Rand der Maria-Theresien-Straße einen Plakatständer sah, auf dem der Hinweis zum Segnungsgottesdienst in der unmittelbar danebenliegenden Spitalkirche zu lesen war. Als ich das Portal öffnete, traute ich meinen Auge nicht: Ich sah ein dicht besetztes Gotteshaus. Lieder und Texte wurden vorgetragen. Viele Menschen gingen nach vorne, wo zwei Priester jedem einzelnen die Hände auflegten, und einen persönlichen Segen zusprachen.
Für mich war dieses Erlebnis eine „Sternstunde“. Es gibt also nach wie vor Menschen, die sich gerade im Advent aufmachen und die Nähe zu Gott suchen, der uns zumeist – wie die Weihnachtsbotschaft berichtet – in ungewöhnlicher Umgebung und in unverhofften Situationen entgegenkommt.
Zurück zur Frage „Was sollen wir tun?“ Die Antwort ist kurz und klar: Als Christen selber das eigene Herz weiten und hellhörig werden für die Lebensbotschaft Gottes und dieser folgen in den Aufgaben und der Verantwortung, die jeder und jede von uns zu tragen hat in Familie, Beruf und gesellschaftlichem Engagement.
Unsere Gesellschaft, die Menschen brauchen Vertrautheit und Glaubwürdigkeit, die durch Reden und Tun auf den Herrn des Lebens hinweisen, und von daher den Menschen Ermutigung, Hoffnung und Zuversicht über den Alltag hinaus schenken. Daraus erwachsen dann auch die vielen Gelegenheiten praktizierter Solidarität und Hilfe. Das sind dann sehr konkrete „Sternstunden“, die das Leben und das Zusammenleben bereichern.
Jeder und jedem von uns wünsche ich immer wieder solche „Sternstunden“ die unser Leben bereichern, und ich wünsche den Menschen in unserer Zeit die Erfahrung von „Sternstunden“ durch beherzte Christen – vielleicht durch uns –, die ihr Leben wertschätzen und bereichern.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Text zur Besinnung
Wir warten
wir warten
auf einen stern
der hand und fuß hat
der ein wort für uns hat
wir warten
auf einen menschlichen stern
wir warten auf einen stern
der unser leben froh macht
der das leben auch der ärmsten menschen
hell macht
wir warten
auf einen Stern
der uns nicht hinters licht führt
wir brauchen einen stern
der uns heimleuchtet
heim
ins wahre leben
(Autor unbekannt)