Eine schlichte Maßnahme wäre laut Keßler-Rosa, bei Pflegesatzverhandlungen „die richtigen Fragen zu stellen“. Derzeit geschehe dies nicht. Eine „richtige Frage“ wäre für den Schweinfurter Diakonie-Chef zum Beispiel, wie sich die Miete von Heimen privat-gewerblicher Konzerne zusammensetzt. Denn das, was an Rendite an Investoren fließt, steckt zu einem nicht geringen Teil in der Miete. Dahinter verbirgt sich folgendes Geschäftsmodell: Bauunternehmen oder Investoren gründen eine Tochterfirma, die ein neu errichtetes Heim vom Mutterunternehmen zu einem hohen Preis mietet. Auf diese Weise würden oft Renditen von sechs bis acht Prozent erwirtschaftet.
„Showdown in der Altenpflege"
In Österreich soll dem „Showdown in der Altenpflege“, wie Keßler-Rosa die aktuelle Entwicklung bezeichnet, ein Riegel vorgeschoben werden. „Die österreichischen Bundesländer stellen nacheinander gerade um, mit einer Übergangsfrist soll Altenpflege nur noch gemeinnützig erbracht werden dürfen“, erläuterte er den Bezirksräten. Das Burgenland will den Anfang machen. „Im Burgenland sollen Pflegeheime künftig nur mehr gemeinnützig betrieben werden“, teilte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im März dieses Jahres bei der Präsentation des „Zukunftsplans Pflege“ mit. Kein Unternehmen dürfe künftig mit Altenpflege mehr einen Gewinn erzielen.
In Deutschland wird es absehbar legal bleiben, via Pflege Gewinne zu scheffeln. Die Konkurrenz durch Private macht den gemeinnützigen Trägern immer stärker zu schaffen. Wobei die Probleme in der Pflege ohnehin groß genug sind. Für ausnahmslos alle Träger ist es schwer, Personal zu finden. Sehr viel Zeit und Geld fließt deshalb in die Personalakquise. „Wir zum Beispiel haben durch eine Kooperation begonnen, Fachkräfte aus Albanien anzuwerben“, berichtete Martin Ulses, Geschäftsführer der AWO in Unterfranken. Auch erhalten Mitarbeiter einen Bonus, wenn sie eine neue Kollegin vermitteln. Ulses: „Doch das sind alles nur kleine Mosaiksteinchen, es rettet uns nicht.“
„Die Bürokratie hat weiter zugenommen“
Fachkräfte müssen in den Heimen nicht nur pflegerisch ein hohes Pensum erfüllen. Hinzu kommt die Pflicht zur akribischen Dokumentation. Denn der Medizinische Dienst der Krankenlassen (MDK) sowie die kommunalen „Fachstellen Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht“ (FQA), vormals Heimaufsicht, können jederzeit unangemeldet prüfen. „Die Bürokratie hat weiter zugenommen“, kritisierte Ulses. Die Frage sei, ob tatsächlich zwei Prüfinstanzen nötig sind. Gerade die viele Büroarbeit schrecke junge Menschen ab: „Schließlich steigt niemand in den Pflegeberuf ein, weil er Lust hat, zu dokumentieren.“
An der überbordenden Bürokratie scheitert manche hoffnungsvoll begonnene Karriere in der Altenpflege, bestätigte Keßler-Rosa. „Ich habe von einem Frühdienst mit vier Leuten gehört, wo nur der Azubi sprachlich ausreichend in der Lage war, zu dokumentieren“, schilderte der Pfarrer. Geschieht so etwas öfter, hörten die jungen Leute aus lauter Frust wieder auf. Die Schulen hätten keine Schuld an den hohen Abbruchzahlen in der Pflegeausbildung: „Was die jungen Menschen prägt, ist die Alltagswirklichkeit, die sie in den Heimen erleben.“
Hohe Quote an Abbrechern
Auch in den bezirklichen Pflegefachschulen gibt es eine vergleichsweise hohe Quote an Abbrechern, bestätige Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel (CSU). Jedes Jahr fangen nach seinen Worten jeweils 30 junge Menschen in Lohr und Werneck eine Ausbildung zur Pflegefachkraft an. Zehn dieser Einsteiger in die Pflege, also mehr als 15 Prozent, springen vor dem Examen wieder ab. Dotzel: „Wir müssen uns überlegen, wie wir diese jungen Leute auffangen können.“
Jugendliche für einen Job im sozialen Sektor zu interessieren, wird ohnehin immer schwieriger, bemerkte dazu Pia Theresia Franke, Direktorin des diözesanen Caritas-Verbands. Früher habe der Zivildienst für soziale Themen sensibilisiert. Diese Möglichkeit gibt es seit mehreren Jahren nicht mehr. Von daher würde Franke den Vorstoß des Bezirks begrüßen, bei Ausbildungsabbrüchen nach den Gründen zu fragen und zu versuchen, die Schüler zurückzugewinnen. Außerdem appellierte sie, kontraproduktive Regelungen zu überdenken: „Azubis, die im Juli ihre Ausbildung abgeschlossen haben, werden erst im September als Fachkräfte anerkannt.“
Neues Pflegeberufegesetz
Gäbe es hier eine Reform, könnte sich die höchst prekäre Situation in der Kurzzeitpflege entspannen. Denn der höchste Bedarf an Kurzzeitpflege besteht im August, wenn viele pflegende Angehörige mit schulpflichtigen Kindern verreisen. Aber auch Pflegekräfte sind in dieser Zeit im Urlaub. Absolventen der Pflegeausbildung stünden zur Verfügung, dürften aber in diesem Monat noch nicht als Fachkräfte eingesetzt werden.
Um die Pflege insgesamt aufzuwerten, wurde ein neues Pflegeberufegesetz kreiert: Es löst ab Januar 2020 das bisher geltende Altenpflege- sowie das Krankenpflegegesetz ab. Wer die neue Ausbildung durchläuft, kann hinterher sowohl als Altenpflegerin als auch als Kranken- oder Kinderkrankenpflegerin arbeiten. Unterfrankens Wohlfahrtsverbände sehen die neue Gleichwertigkeit der Pflegeberufe kritisch. Denn noch gilt ein Job in einer Klinik als attraktiver als ein Job im Pflegeheim. Keßler-Rosa: „Durch das neue Gesetz entsteht ein neuer, kurioser Wettbewerb."
Pat Christ