Gesetzesentwurf:
Im Gesetzesentwurf ist vorgesehen, dass zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung pflegebedürftiger Personen und Leistungsberechtigter Pflegestützpunkte eingerichtet werden sollen. Die Stützpunkte sollen von den Pflege- und Krankenkassen gemeinsam initiiert und entsprechende Verträge über die inhaltliche Ausgestaltung, sowie der Einbezug von kommunalen, wohlfahrtsverbandlichen und privat-gewerblichen Organisationen und Institutionen geschlossen werden.
Für Personen, die Leistungen nach dem SGB XI erhalten, soll eine individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegebegleiter nach § 7a sichergestellt werden. Die Pflegeberatung ist im jeweiligen Pflegestützpunkt anzusiedeln. Die Pflegekassen im Land haben die PflegebegleiterInnen bereitzustellen und hierüber einheitliche und gemeinsame Vereinbarungen zu treffen.
Bewertung:
Die inhaltliche Konkretisierung sowie der Auf- und Ausbau von Beratungs-, Vermittlungs- sowie Fallmanagementleistungen wird ausdrücklich begrüßt. Die bisherigen gesetzlichen Vorgaben zur Beratung gem. § 7 Abs. 2 SGB XI sind recht allgemein gehalten und werden von den Pflegekassen nach unserer Auffassung nicht im erforderlichen Umfang wahrgenommen. Die bayerische Caritas als der größte Anbieter von ambulanter häuslicher Pflege hat schon vor Jahren erkannt, dass Beratung und Case-Management einen immer größer werdenden Stellenwert bei der Versorgung und Betreuung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen einnimmt. Die Einrichtungen haben deshalb mit Einsatz beträchtlicher Eigenmittel diese Angebote qualitativ und quantitativ auf- bzw. ausgebaut. Hierzu zählen neben der regelmäßigen Durchführung von Pflegekursen und Schulungen im häuslichen Bereich insbesondere die Fachberatungsstellen für pflegende Angehörige. Von den elf in Unterfranken existierenden Fachberatungsstellen sind sieben in Trägerschaft von Einrichtungen, die der Caritas angeschlossen sind. Lange vor den Bestrebungen zur gesetzlichen Regelung war es daher bereits Zielsetzung der Caritas im Sinne eines Casemanagements zu unterstützen und zu beraten, um die Leistungsfähigkeit der pflegenden Angehörigen zu erhalten, sowie die Versorgung in der eigenen Häuslichkeit möglichst lange sicherzustellen.
Das Vorhaben, einen Anspruch auf Pflegebegleitung zur individuellen Beratung zu schaffen und Pflegestützpunkte zu errichten, berücksichtigt die in Bayern vorhandenen und u. a. von der Caritas geschaffenen und getragenen Strukturen in keiner Weise. Vielmehr wird ein neues "bürokratisches Monster" geschaffen, das erhebliche zusätzliche Kosten verursachen wird. Die Mittel, die hier für den Aufbau von Doppel- und Mehrfachstrukturen verbraucht werden, entziehen der eigentlichen Versorgung beträchtliche Ressourcen, was den Kranken- und Pflegekassenmitgliedern nicht mehr zu vermitteln ist. Die Kassen haben bereits signalisiert, dass die für die Stützpunkte vorgesehene Anschubfinanzierung nicht ausreichen wird und eine Regelfinanzierung noch vollkommen ungeklärt ist. Statt der Nutzung bestehender Strukturen und der Stärkung der bestehenden Einrichtungen, die zudem in der Regel örtlich sehr gut vernetzt sind, wird hier ein neues Angebot aufgebaut, das aus unserer Sicht den schon jetzt erreichten Standard nur mit Hilfe beträchtlicher Geldmittel leisten und erreichen kann.
Zusammenfassung:
Durch die Zuschreibung der Verantwortung von Beratung und Leistungsentscheidung an die Kranken- und Pflegekassen kommt es aus Sicht der bayerischen Caritas in Zukunft zu einem erheblichen Interessenkonflikt, der außerdem die Gefahr einer zukünftigen Monopolstellung der Kranken- und Pflegekassen auf dem Pflegemarkt in sich birgt.
Weisungsabhängige MitarbeiterInnen der Kassen beraten, koordinieren und entscheiden nach Vorgaben ihrer Arbeitgeber. Selbst bei strikter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch die BeraterInnen besteht die Gefahr, dass (subjektiv) wahrgenommene wirtschaftliche Zwänge des Kostenträgers die Entscheidungen beeinflussen werden. Eine kranken- und pflegekassen-orientierte Beratung wäre die Folge.
Es ist auch in unserem Sinne, wenn gefordert wird, dass Beratung und Begleitung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen weiter gestärkt und verbessert werden soll. Die Einrichtungen der bayerischen Caritas werden sich hier mit ihrer Kompetenz und Erfahrung beteiligen und stehen, wie in der Vergangenheit auch, innovativen Konzepten aufgeschlossen gegenüber.
Mit den geplanten Pflegestützpunkten, die nicht nur in der Fachwelt, sondern auch bei vielen politischen Entscheidungsträgern heftig umstritten sind, werden sowohl Selbstbestimmung als auch die Stärkung der Verbraucherrechte ad absurdum geführt. Im Rahmen der Selbstbestimmung als Versicherte soll den Bürgerinnen und Bürgern die Wahlfreiheit zugestanden werden, ob sie sich von den Wohlfahrtsverbänden, den privat-gewerblichen Anbietern oder von ihrer Kasse beraten und begleiten lassen wollen.