Über achtzig „geschätzte Mitglieder und Anverwandte der Caritasfamilie“ konnte Diözesan-Caritasdirektor Martin Pfriem zum Neujahrsempfang am vergangenen Freitag im Würzburger Caritashaus begrüßen. Neben vielen Leitungskräften und Geschäftsführer caritativer Einrichtungen oder Ordensgemeinschaften aus Unterfranken hatten sich auch zahlreiche Vertreter des bischöflichen Ordinariats eingefunden. „Grüßen kommt gut an“, so Pfriem, der sich mit diesem Ausspruch auf die neue Jahreskampagne der Caritas bezog. Sie wirbt für soziale Manieren gegenüber Menschen am Rande der Gesellschaft. Die Caritas, so Pfriem, habe mit ihren Kampagne der letzten Jahre gute Erfahrungen gemacht. Daher sei er sich sicher, dass auch die neue Kampagne ihre Wirkung in der Öffentlichkeit nicht verfehlen werde.
Mit einem Bekenntnis zur Demokratie eröffnete Landtagspräsidentin Barbara Stamm, stellvertretende Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes, ihre Festrede. Aufgrund ihres neuen Amtes im Landtag habe sie sich in den letzten Monaten nicht viel Zeit für ehrenamtliche Aufgaben nehmen können. Die politische Entwicklung des letzten Jahres sei für ihre Partei sicher schmerzhaft, für die Demokratie in Bayern jedoch ein Gewinn gewesen. Dazu passe das neue Jahresthema der Caritas, „Soziale Manieren für eine bessere Gesellschaft“, sehr gut. Auch die Finanzkrise würde dem Thema eine hohe Aktualität verleihen. Stamm brach dabei eine Lanze für die soziale Marktwirtschaft. Viele Menschen hätten sie in den letzten Jahren als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Die negativen Auswirkungen der Finanzkrise gäben der sozialen Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen aber eine neue Bedeutung. Bei rund elf Millionen armen Menschen in Deutschland, darunter besonders viele alleinerziehende Mütter und Kinder, und einer steigenden Arbeitslosigkeit, die besonders gering qualifizierte Menschen treffe, müsse überlegt werden, „wie wir solche Menschen am Arbeitsprozess teilhaben lassen können. Auch in unseren Einrichtungen müssen wir alle Nischen nutzen, um diese Menschen unterzubringen“, appellierte die langjährige Sozialpolitikerin an ihre Zuhörer. „Das neue Jahresthema der Caritas bedeutet für uns eine Kultur des Hinschauens, nicht des Wegschauens“.
Menschen am Rande gebe es in unserer Leistungsgesellschaft genug, erläuterte Rosa Schubert-Stierkorb, Abteilungsleiterin für Beratung und Integration beim Caritasverband. Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung, Krankheit, Überschuldung, Straffälligkeit oder Wohnungslosigkeit können Ursache sein. Doch solche Schicksale würden oft gerne ausgeblendet. Bei einer bundesweiten Umfrage des Deutschen Caritasverband aus dem vergangenen Jahr hatten 87 Prozent der Befragten angegeben, keine armen Menschen bzw. solche in sozialen Notlagen zu kennen. Tatsächlich gebe es aber fast 250.000 wohnungslose Menschen, von denen schätzungsweise 18.000 auf der Straße leben. Bis zu 235.000 weitere Personen seien aktuell von Wohnungsverlust bedroht. Straffällig gewordene Menschen gab es in Deutschland 2006 ca. 65.000, sucht- oder medikamentenkranke ca. 2,7 Mio, dazu kämen ca. 290.000 Konsumenten illegaler Drogen und bis zu 170.000 beratungs- und behandlungsbedürftige Spieler. Bei der Kampagne, so Schubert-Stierkorb, gehe es um Respekt, Kommunikation und Offenheit und den politischen Stil in diesem Land, gerade im Umgang mit den Armen. Offen sein, lächeln, Kontakt aufnehmen – dazu fordern die Menschen auf den Plakaten auf. Eine höfliche Begegnung mag zunächst als etwas Unwichtiges erlebt werden. „Doch wann haben Sie das letzte Mal einem Menschen am Rande die Hand geschüttelt?“
Viel Anklang fand ein Film, den der Diözesan-Caritasverband über Menschen mit solchen Schicksalen produziert hatte. Fünf Personen bzw. Familie erzählen hierin sehr offen, welche Probleme sie haben, wie sie von ihrer Umgebung wahrgenommen werden und welche langfristigen Perspektiven sie für sich sehen. Der zwölf Minuten lange Film kann beim Caritasverband bestellt werden.