Würzburg, Ochsenfurt: Zum 30. November geht Sepp Mauderer, langjähriger Geschäftsführer des Orts- und Kreis-Caritasverbandes Würzburg, in den Ruhestand. Sein Nachfolger Matthias Fenger (34), zur Zeit Bereichsleiter für Jugend- und Familienförderung in der Stadtverwaltung Altena in Westfalen, tritt seine neue Stelle zum 1. Februar 2008 an. Bis dahin führt der 1. Vorsitzende Werner Häußner die Geschäfte des Verbandes. Mauderer, geboren in Marktbreit und aufgewachsen in Ochsenfurt, lernte technischer Zeichner, bevor er in Würzburg Sozialpädagogik studierte. Nach Stationen in der Bewährungshilfe und im bischöflichen Jugendamt trat er 1980 in den Bereich "Soziale Dienste" der Caritas ein. Im Oktober 1985 wurden der Ortscaritasverband und der Kreiscaritasverband Würzburg gegründet, Mauderer bekam die Geschäftsführung für beide übertragen. Zum 1. Januar 1997 fusionierten die Verbände unter seiner Führung zum Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. und entwickelten sich bald zu einem mittelständischen Unternehmen. In seinem Ochsenfurter Haus wird der begeisterte Musiker und Instrumentenbauer seinen Ruhestand inmitten eines großen Gartens und über 250 Blas- und Streichinstrumenten genießen.
Sepp Mauderer, Gratulation oder Beileid zum Ruhestand?
Gratulieren, in jedem Fall. Ich hatte viele Hobbys gehabt, die in den letzten zwölf Jahren zum Erliegen gekommen sind. Ich freue mich wahnsinnig darauf, jetzt dafür mehr Zeit zu haben. Ich bin froh, die Verantwortung los zu sein. Das ist ein Gefühl, als wenn mir ein großer Fels von den Schultern fällt. Wir hatten Zeiten, da waren wir nur eine Handvoll Leute, in Hochzeiten hatten wir 162 Mitarbeiter. Heute sind es mit den Sozialstationen noch ca. 125 Beschäftigte. Wir haben also unheimlich viel aufgebaut, viele Beratungs- und Fachdienste.
Was waren die größten Rückschläge?
Die Schwierigkeiten infolge der Pflegeversicherung, unsere Sozialstationen über Wasser zu halten. Die Mitarbeiter/innen haben kaum mehr Zeit, sich mit ihren Patienten zu unterhalten. In unseren Sozialstationen müssen wir heute nach Pflegeminuten abrechnen. Das ist für Caritasarbeit eigentlich unerträglich. Dann kam die Zeit, wo es alle Pflegedienste erwischte und wir ernsthafte Sorge hatten, ob wir überhaupt als Verband bestehen können. 2003 hatten wir aufgrund der noch geltenden AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen der Caritas) eine ziemlich heftige Situation und mussten von der Öffnungsklausel Gebrauch machen. Es hat sich Gott sei Dank wieder so ergeben, dass die Mitarbeiter unterm Strich keinen finanziellen Verzicht hinnehmen mussten. In dieser Zeit lagen natürlich bei allen die Nerven blank. Damals hatte ich auch viele schlaflose Nächte.
Was würden Sie als einen Erfolg Ihrer Arbeit bezeichnen?
Zunächst ging es mir nach dieser schwierigen Zeit darum, den Verband wieder zu konsolidieren. Das ist uns auch gelungen. Wir waren ja fast vor der Situation gestanden, dass wir zum Konkursrichter gehen mussten. Jetzt, bei meinem Ausscheiden, konnte ich den Verband mit einer Liquidität übergeben, die er seit seiner Gründung nie hatte. Das heißt aber nicht, dass es ihm besonders toll geht, wenn man sieht, was in absehbarer Zeit an Verpflichtungen - z.B. Lohnerhöhungen und Rückstellungen für Altersteilzeitverträge - auf ihn zukommt.
Stichwort Sozialpolitik: Was würden Sie ändern, wenn Sie könnten?
Ich würde in jedem Fall einiges im Bereich des Pflegeversicherungsgesetzes und der Jugendpolitik ändern. In der Politik - z.B. im Bereich der Jugendhilfe - wird ständig von Kostenexplosionen gesprochen. Wenn man aber die Haushalte anschaut, macht der Jugendhilfehaushalt nur drei Prozent aus. Im Bereich von Hartz IV ist oft von Betrügern die Rede. Das stimmt einfach nicht, das ist übertrieben. Ich finde es unmöglich, dass seitens der Politik Menschen, die wirklich geschlagen sind, so abgefertigt werden.
Hat die Caritas politisch auf Stadt- und Kreisebene etwas zu sagen, z.B. im Jugendhilfe- oder Sozialausschuss?
Ich denke ja, wenngleich der politische Einfluss im Vergleich zur Zeit vor zwanzig Jahren zurück gegangen ist. Doch in den letzten Jahren haben wir einen engen Schulterschluss mit den politisch Verantwortlichen aller Couleur vorgenommen, so dass wir unsere Interessen gut vertreten können.
Wo steht Ihr Verband in zehn Jahren?
Das ist eine schwierige Frage. Ich wünsche mir, dass unser Verband dann noch alle Angebote machen kann, die er augenblicklich hat. Garantien würde ich dafür aber keine geben. Vor fünfzehn Jahren hätte ich das noch getan. Ich bin aber der Meinung, dass die Caritas - gerade angesichts des Rückgangs öffentlicher und kirchlicher Mittel - Prioritäten setzen und auch in Zukunft Anwaltsfunktion für in Not geratene Menschen - ungeachtet der Schuldfrage - wahrnehmen muss. Der berühmte Aufschwung, von dem in der Politik überall die Rede ist, kommt bei vielen Menschen nicht an. Es werden Statistiken geschönt, die Arbeitslosenzahlen gehen zurück und die Leute werden in Mini-Jobs gedrängt, damit sie aus der Statistik rauskommen. Es kann und darf nicht sein, dass jemand Vollzeit beschäftigt ist und mit seinem Arbeitsentgelt seine Familie nicht ernähren kann.
Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger, was können Sie ihm empfehlen?
Ich wünsche ihm, dass er schnell in die Arbeit hinein wächst. Ich habe den Verband quasi aufgebaut, bin mit ihm gewachsen. Mein Nachfolger hat es als Quereinsteiger schwerer, da er mit dem Verband ein mittelständisches Unternehmen übernimmt. Unser kirchlicher Wohlfahrtsverband hat genügend Aufgaben, die es umzusetzen gilt. Wir sollten im kirchlichen Bereich alle Menschen unterstützen, die Hilfe brauchen oder bereit sind, anderen Menschen ehrenamtlich zu helfen. Das Ehrenamt müsste auf neue Füße gestellt werden. Wir haben sehr gute Ansätze im Bereich Gemeindecaritas, seit wir hierfür hauptamtliche Mitarbeiter haben. In Stadt und Landkreis Würzburg gibt es über 120 Kirchenstiftungen, in denen überall Menschen ehrenamtlich tätig sind. Diesen müssen wir helfen. Und wir sollten uns nicht zu sehr von der Politik leiten lassen, die oft Dienste anfinanziert, uns dann aber auf den Folgekosten sitzen lässt. Und noch ein Wort an unseren Bischof: Unsere Diözese tut unendlich viel für den Bereich der stationären Altenhilfe. Dafür bin ich persönlich sehr dankbar. Doch der Bereich der ambulanten Pflege bekommt nach meiner Ansicht zu wenig Unterstützung. Immerhin werden achtzig Prozent der pflegebedürftigen Menschen zu Hause gepflegt.