Sie lebten jahrelang auf der Straße, einige saßen im Gefängnis, alle hatten private und berufliche Probleme erlebt, viele eine Alkohol- oder Drogenkarrieren hinter sich. Sie kennen die Untiefen des Lebens und standen lange am Rand der Gesellschaft. Doch am vergangenen Freitag standen sie im Mittelpunkt. Vor über 150 Gästen eröffneten wohnungslose Künstler eine ungewöhnliche Ausstellung im Würzburger Rathaus. Unter dem Titel „Rand-Notizen - Von der Kunst - menschlich zu sein“ zeigen sie mit vierzig Bilder, Collagen, Graphiken und Plastiken Szenen aus ihrer Gefühls- und Erlebniswelt. Barbara Stehmann, die im Auftrag des Fördervereins Würzburger Wärmestube seit Anfang des Jahres das Projekt artGERECHT leitet, brachte hierfür zehn Künstler des Berufsverbandes Bildender Künstler Unterfranken (BBK) und 14 wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen zusammen. Die meisten von ihnen leben heute in städtischen Verfügungswohnungen oder kirchlichen Wohnheimen. In monatelanger Zusammenarbeit, die mit einer intensiven Phase des gegenseitigen Kennenlernens und Vertrauens begonnen hatte, lernten sie, sich über die Kunst auszudrücken und so ihre Botschaft an die Gesellschaft zu formulieren.
Bürgermeister Dr. Adolf Bauer, einer der Gründungsväter der Wärmestube und Mitglied im Förderverein, rief in seiner Begrüßung zur Solidarität mit Menschen am Rande der Gesellschaft auf. Wohnungslose Menschen müssen zur Selbstbestimmung befähigt werden, meinte auch Vereinsvorsitzender MdB Paul Lehrieder. Man dürfe sie nicht nur als Empfänger sozialer Hilfen sehen, sondern solle sie als Kooperationspartner in vielen Bereichen des Lebens und als Teil der Gesellschaft akzeptieren. Er dankte ausdrücklich Projektleiterin Barbara Stehmann und seinem Vorstandskollegen Bernhard Christof, der sich sehr für die Wohnungslosenhilfe in Würzburg und den Förderverein Wärmestube engagiere. In den vergangenen Monaten konnte sie immer wieder erfahren, mit welcher Begeisterung sich Menschen, die vermeintlich am Rand der Gesellschaft stehen, in ebendiese produktiv einbringen, erzählte Barbara Stehmann mit einem liebevollen Blick auf „ihre“ Künstler. Sie sei stolz darauf, dass sie sich getraut hätten, ihre Gefühle auf diesem Weg auszudrücken und bedankte sich bei den BBK-Künstlern, die nicht nur sofort ohne Honorar mitgemacht, sondern die Wohnungslosen auch in ihr Leben und ihre Wohnungen gelassen hätten.
Angefangen habe das Projekt mit einem alten Bauwagen, einer Leihgabe der Baufirma Göbel. Nachdem ihn die Wohnungslosen im Sommer hergerichtet hätten, sei er zu einem beliebten Treffpunkt geworden. Viele Kontakte zwischen Künstlern und Wohnungslosen und gemeinsame Kunstideen seien hier entstanden. „Die ganz unterschiedlichen Kunstwerke erzählen von Armut und Ausgegrenztheit, doch auch von Kraft und Poesie, von Kreativität und Würde“, so Stehmann. Aus den Reihen der neuen Künstler begrüßte Johann Rothedl die Gäste. Er kenne das Leben auf der Straße gut. Seine Wünsche an die Zukunft sind bescheiden. Er wünsche sich nur ein Bett und ein warmes Zimmer in Würzburg, in der Stadt, in der er so viele liebe Menschen kennen gelernt habe. Worte, die Oberbürgermeister Georg Rosenthal, der als Überraschungsgast noch vom Weihnachtsmarkt in standesgemäßer historischer Bürgermeistertracht vorbeischaute, gerne von seiner Stadt hörte.
Zur Ausstellung haben Projektleiterin Barbara Stehmann und die Künstlerin Barbara Schaper-Oeser vom BBK einen Katalog zu fünf Euro erstellt. Die Kunstwerke sind bis zum 18.12. im Rathaus zu sehen, eine Begleitausstellung in der HypoVereinsbank zeigt bis zum 11.12. Fotoinstallationen des Kunstprojektes. Die Ausstellung kann ausgeliehen werden. Kontakt: Barbara Stehmann, artGERECHT, Tel. 0151/59096778, mail: artgerecht@foerderverein-waermestube.de.