Der Arbeitstag von Ulrike Westermann beginnt mit ihrer morgendlichen Runde durch die Wohnbereiche im „St. Elisabeth“. Mit den Leitungen bespricht sie, was an diesem Tag aktuell ansteht, ob Mitarbeiter erkrankt sind oder bei welchen Bewohnern etwas Besonderes vorgefallen ist. Gemeinsam werden Lösungen gesucht, Dienstpläne bei Bedarf angepasst und kurze Fallbesprechungen durchgeführt. Aber das ist nur ein kleiner Teil ihres umfangreichen Aufgabengebietes.
Verantwortung für Bewohner und Mitarbeiter
Die PDL trägt Verantwortung für die Pflege der 173 Bewohner des St. Elisabeth. Sie prüft die Einhaltung der Qualitäts- und Expertenstandards. Diese betreffen alle wichtigen Bereiche der Pflege wie beispielsweise Ernährung, Dekubitusprophylaxe oder Schmerzbehandlung. Die Einhaltung dieser Standards sichert die gute Qualität der Pflege und ist auch Maßstab bei externen Prüfungen. Bei besonderen pflegerischen Fragen unterstützt Westermann die Fachkräfte, spricht mit Ärzten, Krankenkassen oder Angehörigen und vermittelt, wenn nötig. Aber auch eine gute Personalplanung und -steuerung ist für die Qualität der Pflege notwendig. Der Personalschlüssel wird nicht nur nach der Anzahl der Bewohner, sondern auch nach deren Pflegegrad berechnet und variiert somit. Dementsprechend werden die Mitarbeiter eingesetzt und Dienstpläne gestaltet. Die 54-jährige Pflegeexpertin hat die fachliche Aufsicht über das gesamte Pflegepersonal, einschließlich Hilfsberufe, Praktikanten und Bufdis. Deshalb ist sie auch maßgeblich bei der Einstellung neuer Mitarbeiter beteiligt und koordiniert die Aus- und Weiterbildung, die Beurteilung und die Förderung von Mitarbeitern. Dabei arbeitet sie eng mit der Fachberatung des Diözesanverbandes der Caritas in Würzburg zusammen. Von dort erhält sie Informationen zu gesetzlichen Neuerungen, die sie weitergeben und umsetzen muss. Mit Caritasvorstand und Leiter des Hauses Marco Maier hat sie ihr Büro nicht nur Tür an Tür, beide arbeiten auch Hand in Hand.
Wunschberuf Pflege
Ulrike Westermann ist erst auf Umwegen zu ihrem Wunschberuf in die Altenpflege gekommen. „Ich wollte immer einen Pflegeberuf ausüben. Aber auf Empfehlung meiner Mutter, selbst Krankenschwester, habe ich zuerst eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht und viele Jahre als Sachbearbeiterin gearbeitet. Erst im Jahr 2000 habe ich mir meinen langjährigen Wunsch erfüllt und die Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin absolviert.“ Der Weg zur PDL hat sich Schritt für Schritt ergeben. Direkt nach der Ausbildung kam die Weiterbildung zur Beauftragten für Qualitätsmanagement, dann die Weiterbildung zur Pflegedienstleitung. Bis Mai 2010 war sie als Wohnbereichsleitung und stellvertretende PDL im Bernhard-Junker-Haus, dem Aschaffenburger Pflegeheim der AWO, tätig.
Fit für die Zukunft
Seitdem hat sie im St. Elisabeth vieles mitgestaltet und weiterentwickelt. Bereits 2012 begann die Planung des Um- und Neubaus. Von Anfang an war klar, dass nicht nur das Gebäude, sondern auch das Konzept des Hauses zukunftsfähig gestaltet werden musste. Hier konnte sie viele Ideen einbringen und formte mit gutem Geschmack und praktischen Vorschlägen das Bauvorhaben mit. Es folgten drei Weiterbildungen: zur Einrichtungsleitung, zur Pain Nurse (Schmerzexpertin) und zur Ethikberaterin.
Neubau und ein neues Konzept
Von Juli 2015 bis März 2018 standen die Umbaumaßnahmen ganz im Fokus ihrer Tätigkeit. 2017 mussten im Zuge der Renovierung sukzessive alle Bewohner innerhalb des Hauses umziehen, was eine logistische Meisterleistung war. Zeitgleich liefen die Schulungen und Workshops zur Umstellung auf das neue Wohnweltenkonzept. Außerdem wurde die Dokumentation auf das neue System SIS (Strukturierte Informationssammlung) umgestellt und das Pflegemodell nach Dorothea Orem umgesetzt. En Kraftakt. Eine besondere Herausforderung in dieser Zeit war für Ulrike Westermann der plötzliche Tod einer wichtigen Begleiterin, Dozentin, Supervisorin und Freundin: Barbara Kühnl. Sie hinterließ bei der Um-setzung des neuen Konzeptes im St. Elisabeth eine große Lücke. In den Wohnwelten werden Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen und Fähigkeiten gepflegt und betreut. Das Umfeld ist nach den jeweiligen Bedürfnissen der Bewohner gestaltet.
Und dann kam Corona …
Bis hierhin kann man erahnen, dass die Arbeitstage von Ulrike Westermann reichlich ausgefüllt sind. Doch dann trat im März mit der Corona-Pandemie ein Ereignis ein, das alle vor völlig neue Fragen und Herausforderungen stellte. In enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt wurden die Verordnungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege umgesetzt, ein Schutz- und Hygienekonzept entwickelt. „Lieber nochmal umbauen als in dieser Situation stehen!“, so beschreibt Westermann die Lage nach dem 13. März. „Als Pandemiebeauftragte trage ich eine große Verantwortung für eine Risikogruppe. Normalerweise habe ich eine gute Resilienz. Aber da hatte ich schlaflose Nächte. Besonders als der erste Coronafall im Haus bekannt wurde.“ Gott sei Dank blieb das Senioren-Wohnstift von einer Ausbreitung des Virus verschont.
… und die schmerzlichen Einschränkungen des Alltags
Gerne würde sie allen gerecht werden: Dem berechtigten Wunsch der Bewohner und Angehörigen nach Nähe, dem aber gleichzeitig das Risiko gegenübersteht, dass Menschen krank werden und sterben. Hier sieht sie sich auch in der Verantwortung für die Mitarbeiter und deren Familien. Viele Gespräche mit besorgten Mitarbeitern und Angehörigen führte sie in den vergangenen Monaten. Als Pandemiebeauftragte steht sie an vorderster Front, was die Umsetzung der Schutzmaßnahmen angeht. „Das Coronavirus wird uns weiterhin fordern, und nur durch gegenseitige Rücksichtnahme und Vernunft des Einzelnen kommen wir gut durch diese Zeit“, ist sich Westermann sicher.
Generalistische Pflegeausbildung als Chance für die Altenpflege
Ulrike Westermann ist nach wie vor voller Tatendrang: „Andere in meinem Alter reden schon von der Rente. Ich arbeite gerne! Wenn ich mal in Rente gehe, wäre es mein Wunsch, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter in der Pflege verbessert haben. Die Personalschlüssel sind einfach noch zu knapp bemessen. Wir können in unserem Beruf die Arbeit nicht einfach liegenlassen. Wenn jemand ausfällt, müssen andere einspringen. Eine gute Pflege ist aber nur mit zufriedenen Mitarbeitern möglich.“ Sie wünscht sich, dass sich die in der Coronazeit entgegengebrachte Wertschätzung auch in den Arbeitsbedingungen niederschlägt. Mit dem neuen Schuljahr hat die generalistische Pflegeausbildung begonnen. Das bedeutet, dass die drei Berufsbilder Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege in einer Ausbildung zusammengefasst werden. „Ich wünsche mir, dass in diesem Zuge die Altenpfleger auch die gleiche Bezahlung erhalten.“
Wohnstift St. Elisabeth