Die Predigt im Wortlaut:
Liebe Familie Winter, liebe Familien Weiskopf,
liebe Angehörige und Freunde von Gertrud Weiskopf,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas,
Schwestern und Brüder!
„Kopf hoch!“, dieses Wort fiel mir spontan ein, als Professor Engelke, ein Freund, mir am vergangenen Samstag sein Erschrecken schilderte. Am Morgen hatte er die Zeitung gelesen und dabei die Anzeige mit der Nachricht vom Sterben von Frau Gertrud Weiskopf entdeckt.
Er begegnete ihr seit vielleicht 15 Jahren fast täglich beim frühmorgendlichen Schwimmen. Zu seiner Schilderung ihrer gewohnten, sehr korrekten Schwimmhaltung fiel mir spontan ein: „Kopf hoch!“
„Kopf hoch!“, das passt auch zu ihrer Haltung, in der sie ihren Weg durchs Leben ging. Sicherlich hat sie sich dies schon zu eigen gemacht in der Familie, in der sie als zweites von vier Kindern aufwuchs und ihren Weg ging, auch durch die Schule und die anschließende Ausbildung zur Großhandelskauffrau und schließlich in ihrer langen beruflichen Laufbahn.
„Kopf hoch!“ Das galt z.B. auch dann, wenn sie sich neue Arbeit suchen musste. Treu, zuverlässig und verantwortungsbewusst besorgte sie die ihr übertragenen Aufgaben, und die wenigen Stellenwechsel in ihrer Berufslaufbahn erfolgten nur dann, wenn die bisherige Stelle nicht mehr fortbestand.
Auch im persönlichen Leben erwies sie sich als sehr beständig und verlässlich:
Trotz ihrer zurückhaltenden, eher verschlossenen Art nahm sie ihre Mitverantwortung für die Menschen wahr, die ihr im Laufe ihres Lebens zugewachsen, ans Herz gewachsen waren. Sie tat dies in aller Ruhe und unermüdlich und machte dabei kein Aufhebens um ihre Person oder ihr uneigennütziges Tun.
Dennoch konnte sie ihren Standpunkt vertreten, ihre Meinung behaupten etwa bei zahlreichen Diskussionen im Kreis der Familie – gleich, ob es dabei um Themen des Alltags, der Politik, des Glaubens und der Kirche ging.
„Kopf hoch!“ Das wurde selbst deutlich, selbst wenn noch so viel Arbeit auf sie zukam. Ohne viel darüber zu reden, blieb sie an ihren Aufgaben dran und war erst zufrieden, wenn diese geschafft, erledigt waren.
„Kopf hoch!“ Das wurde deutlich in ihrer – wie Sie, die Geschwister, es beschrieben – Kämpfernatur, und sei es, dass es darum ging, diverse Verletzungen zu überstehen, die sie sich beim Sport zuzog, mit dem sie sich fit und gesund hielt.
„Kopf hoch!“ Genau dieses Gefühl vermittelte sie auch im familiären Engagement für ihre Angehörigen, ihre Eltern und die Familien ihrer Geschwister, wo es in schwieriger Zeit wichtig war, mitzusorgen, dass es gut weiterging.
Als sie sich vor vier Jahren mit großer Freude als Patin der kleinen Klara annahm, war zu erleben, wie ihr dabei das Herz aufging. Eine Patin, ein Pate verspricht bei der Taufe einem Menschen ihm zu helfen, als Christ, als aufrechter Mensch durchs Leben zu gehen.
Das bewirkt eine Patin/ein Pate vor allem durch ihr/sein eigenes Vorbild. Und gerade deshalb passt auch hier: „Kopf hoch!“
„Kopf hoch!“ Diese Haltung hat sie sich immer wieder erarbeitet und vertieft. Sie hat gerne und viel gelesen und dabei ihren Horizont geweitet, und deshalb hat sie auch ihre Verwandten angehalten zu lesen.
Sie hat sich aber auch Zeit genommen, um in sich zu gehen etwa durch Meditation und Besinnung, um das Wesentliche im Leben im Auge zu behalten.
Das Wesentliche, das ist für uns Christen der Glaube an den Gott des Lebens, unser Vertrauen in den Auferstandenen. Darauf kommt es in der Tat an.
Der Evangelist Markus berichtet von den Frauen, die niedergeschlagen zum Grab gingen. Für sie war alles aussichtlos geworden. Der Tod schien das letzte Wort zu haben. Es blieb ihnen nichts anderes als den Toten zu ehren.
Mitten in ihrer Trauer wird ihnen die lebenswichtige und entscheidende Botschaft geschenkt: „Er ist auferstanden!“ – Deshalb „Kopf hoch!“ Geht und sagt das weiter, damit seine Jünger als Aufrechte, als Aufgerichtete, als Auferstandene leben.
Davon zutiefst überzeugt schrieb Paulus an die Gemeinde der Christen in Rom, wie wir in der Lesung gehört haben: Er ist von den Toten auferweckt. Der Tod hat keine Macht über ihn. Und wir alle, die wir auf Jesus Christus getauft wurden, werden mit ihm auch auferstehen. Deshalb sollen wir als neue Menschen leben, nicht niedergedrückt, sondern „Kopf hoch!“
Die Haltung von Gertrud Weiskopf, die ich mit „Kopf hoch!“ umschrieben habe, war Ausdruck ihres Lebens. Das zeigte sich sogar beim Sport.
Professor Engelke erzählte mir, dass sie immer auf „ihrer“, d.h. immer auf der gleichen Bahn geschwommen sei, sehr gleichmäßig, ausdauernd, unermüdlich und stets den Kopf oben.
Auch wenn es bei den morgendlichen Begegnungen im Geisbergbad in Veitshöchheim selten über das freundliche „Grüß Gott!“ hinausging oder „Wie ist das Wasser?“, auch wenn sie eher eine – wie er es nannte – „vertraute Unbekannte“ war, hinterlässt sie dennoch eine Lücke und fehlt nicht nur den Menschen, mit denen sie frühmorgens die Bewegung im Wasser genoss.
Sie fehlt auch uns in der Caritas, den Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie unmittelbar zusammengearbeitet hat. Sie fehlt den Einrichtungen, die sie betreut hat, und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für die sie mit ihrem Dienst sorgte. Sie fehlt aber vor allem Euch, ihrer großen Familie.
Wie die Frauen im Evangelium sind wir ratlos. Deshalb ist es wichtig, dass uns das Herz aufgeht und wir über die Brüchigkeit unseres Lebens und über das Sterben hinausblicken, dass wir unseren Blick weiten und uns sagen lassen: „Kopf hoch!“
Das Grab ist nicht Endstation. Es geht um mehr, als den Tod zu pflegen, vielmehr sollen das Vertrauen und die Hoffnung wach werden, dass wir zum Leben gerufen sind durch den Auferstandenen. Er ist der Garant.
Er, der im Laufe seines Lebens immer wieder Menschen auf- und weitergeholfen hat, er hat den Tod überwunden und ist durch den Tod zum Leben gelangt. Von ihm her können wir immer wieder mit der Devise „Kopf hoch!“ unseren Weg durchs Leben gehen.
Das ist unser Wunsch für uns selbst, die wir traurig sind, das ist aber vor allem unsere Bitte für Gertrud Weiskopf: „Kopf hoch!“ Sie kann nach dem Weg durch dieses vergängliche und, wie ihr Unfall deutlich machte, sehr brüchige Leben nun in das Leben bei Gott gehen und zwar „Kopf hoch!“
Text zur Besinnung nach der Kommunion
LETZTES GEBET
so nennt Lothar Zenetti dieses Gedicht:
Lass uns nicht fallen
wie die Blätter im Herbst
nicht versinken ins
Nichts, ins Vergessen
Lass uns nicht untergehen
denn du bis der Herr
Hebe die Hand
unseretwegen hebe
die Schwerkraft auf
halte uns hoch
halte uns über Wasser
denn du bist der Herr
Doch wenn du es willst
dann uns lass uns fallen
wie den Regen aufs Land
dann lass uns fallen
in deine Hand
denn du bist der Herr