Würzburg, zum Osterfest 2013
Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter
im Dienst der „caritas“!
Am 29. Januar d.J. verstarb im Alter von 91 Jahren völlig unerwartet der langjährige Bischof von Innsbruck Dr. Reinhold Stecher. Eine Stunde bevor er den folgenschweren Herzinfarkt erlitt, predigte er im Gottesdienst über das Leben im Vertrauen auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Er schloss seine Verkündigung ab mit einem Zitat aus Psalm 13: „Wer auf den Herrn vertraut, den überhäuft er mit Huld.“
Es ist deshalb geradezu ein Vermächtnis, dass er in den Wochen vor seinem Sterben mit eigenen Aquarellen und geistlichen Betrachtungen eine Broschüre für den Druck vorbereitet hat, die in den Tagen nach seinem Sterben erschien: „Die Stille ist der Vorraum Gottes“. Er schreibt darin über das Dunkel und die Liebe, die den Karfreitag besiegt und in die vielen Strophen einer österlichen Melodie mündet.
Ostern „ist der Kern unseres Christseins. Von unserem Ja oder Nein zu diesem geheimnisvollen Christus hängt alles ab.“ Bischof Reinhold verweist u.a. auf den französischen Jesuiten Teilhard de Chardin, der „diese Reise der Liebe, die in Christus solidarisch wird mit dem brüchigen Menschen, in die Punkte Alpha und Omega zusammengefasst“ hat, und auf Thomas von Aquin, der im Mittelalter lebte und zu der Erkenntnis kam, „dass der einzige Sinn des Universums letztlich nur die Entfaltung der göttlichen Liebe sein kann“.
Mit diesem kleinen Gruß zum wichtigsten Fest für uns Christen danken wir Ihnen für Ihren Einsatz, die „caritas“, die grenzenlose Liebe Gottes, in der Welt erfahrbar zu machen und mit Ihrem vielfältigen Dienst am Leben zu bezeugen.
Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Feier des Leidens und des Sterbens Jesu und ein frohes Osterfest! Es geht ums Leben!
Mit frohen Grüßen
Clemens Bieber Martin Pfriem Marco Warnhoff
Domkapitular Caritasdirektor stv. Caritasdirektor
Erster Vorsitzender
Ein Singen geht über die Erde
Vielleicht klingt dieser Satz in manchen Ohren wie eine Provokation. Was singt denn schon über die vertrockneten Steppen der Sahelzone, über die Favelas Südamerikas, über das wachsende Elend und die ungelösten Probleme dieser unserer Erde, über die düsteren Fanatismen, die Giftgaswolken und das Kinderweinen? Es gibt in unserer Zeit auch so etwas wie ein Schwinden der Resistenz gegen alle schädliche Viren, die die Kraft des Herzens schwächen.
Was singt denn schon in einer Frau, die mit dem Kind allein gelassen wurde, weil eine andere attraktiver war? Was singt denn schon in der Intensivstation der Klinik, in der der Fünfzehnjährige mit der Querschnittlähmung und das Mädchen mit dem Gehirntumor liegen?
Aber es war gerade in besagter Intensivstation, wo mir ein junger, tüchtiger Krankenpfleger gesagt hat: „Wissen Sie, wenn ich das erlebe, wie Menschenleben sich neigt, dann erinnert mich das an das Kreuz, und wenn ich sehen darf, wie ein Todkranker gesund wird, dann ist das für mich wie ein Vorspiel der Auferstehung“. Er hat genau das ausgesprochen, was eigentlich auch hinter den befreienden Taten und tröstlichen Zeichen Christi aufblitzt. Der Herr hat ja nicht einfach seine Zeit und seine Gesellschaft von allen bedrückenden Problemen befreit, wenn Er über blinde Augen gestrichen, wenn Er taube Ohren berührt und die Hand über Aussätzige ausgestreckt hat, dann wollte Er ein Zeichen für Größeres und Unvergängliches setzen. Alles Tun Christi geschieht in Blickrichtung Auferstehung.
Wir sollten, wenn wir uns zum Glauben an diesen Christus durchringen, in uns ein österliches Schauen, Hören und Fühlen der Weltwirklichkeit entfalten. Das ereignet sich, wenn man zum Beispiel spürt, dass sich bei einem Menschen Vorurteile auflösen, Barrikaden auf den Straßen des Herzens abgeblockt werden, wenn ein gewisses Vertrauen aufblüht.
Es liegen auch in unserer belasteten Zeit so viele verheißungsvolle Melodien in der Luft, aber wir haben sozusagen zu wenig österliche Antennen im Gemüt, Gott sei’s geklagt, auch in der Kirche, die Gewitterwolke kann nicht das Dauerklima einer Menschenseele sein, die an die Auferstehung glaubt. Das Gute spielt in der Welt seinen Part meist piano oder pianissimo. Und das geschieht, wenn uns das Wenden auf der engen Straße des Ego gelingt.
Die große Auferstehung am Ende der Tage hat also viele Präludien und führt hin zur großen Verheißung. Die Chance hat eindeutig das Leben, nicht der Tod. Und darum geht ein Singen über die Erde, trotz allem.
Ostern 1988
Gekürzte Fassung einer Ostermeditation aus dem Jahr 1988 von Bischof Reinhold Stecher entnommen dem Buch:
Reinhold Stecher, Ein Singen geht über die Erde: Österliche Bilder und Gedanken, Innsbruck, Tyrolia-Verlag, 1994