Die Bilder haben sich eingeprägt, wie Papst Franziskus z. B. einen am ganzen Körper von unzähligen Geschwüren entstellten Menschen in den Arm nimmt und am Kopf küsst. Oder wie er alljährlich den Gründonnerstagsgottesdienst in einem Gefängnis feierte und dabei Gefangenen die Füße wusch und küsste. Er hielt Tischgemeinschaft mit Obdachlosen, nahm Kinder in die Arme. In zu Herzen gehenden Worten und mit eindeutigen Gesten erinnerte er an den Auftrag der Frohen Botschaft und die Sendung Jesu zum Dienst am Nächsten. Der Papst gab seinem Namen alle Ehre!
Vor einem Jahr waren wir mit einer Gruppe von beruflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Rom. Wir hatten Quartier im Gästehaus des Vatikans „Domus Sanctae Marthae“, in dem Papst Franziskus wohnte. Aus nächster Nähe sahen wir ihn täglich. Beim Essen saßen wir ganz in seiner Nähe. Wenn er den Speisesaal betrat, grüßte er freundlich. Zu einer direkten Begegnung kam es in der Mitte der Woche am 1. Mai. Bei der großen Audienz konnten wir ihn direkt begrüßen. Den überreichten Bocksbeutel mit fränkischem Silvaner nahm er in die Hand, grinste verschmitzt und fragte lachend: „Ist das Weihwasser?“
Das weitere Geschenk war das Büchlein von Professor Paul Zulehner mit dem Titel „Herzlichkeit in einer herzlosen Welt“. Der Wiener Pastoraltheologe hatte wenige Monate zuvor den beeindruckenden Vortrag im Würzburger Caritashaus gehalten, bevor dieser als Buch erschien. Fasziniert nahm der Papst das Büchlein in die Hand und sagte seinem Begleiter, dass er das mit in seine Wohnung nehmen will.
Am Abend rief uns sein Sekretär, wir möchten bitte alle ins Foyer kommen, der Papst möchte uns treffen. Nach wenigen Minuten standen wir bereit. Der Papst ging auf uns zu und dankte für das wertvolle Geschenk. Er dankte für unseren Dienst als Caritas und betonte, wie wichtig der Einsatz für die Menschen ist. Er versprach, uns in sein Gebet einzuschließen und uns seinen Segen zu spenden. Dann hatte er die persönliche Bitte: „Beten Sie auch für mich und nicht gegen mich! Ich habe eine schwere Aufgabe!“
Nachdem er uns seinen Segen geschenkt hatte, stellte er sich in unsere Mitte für das Erinnerungsfoto, bevor er allen aus unserer Gruppe die Hand reichte und jedem einen Rosenkranz überreichte. Dann wünschte er „Guten Appetit“ und ging wie wir in den Speisesaal. – Wir waren tief beeindruckt!
Wenige Monate später (am 24. Oktober 2024) veröffentlichte er – gleichsam wie ein geistiges Vermächtnis – seine Enzyklika „Dilexit nos“ („Er hat uns geliebt“). Er schreibt darin über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi – oder um es mit den Worten unseres Geschenkes, das er aufmerksam gelesen hat, zu sagen: „Herzlichkeit in einer herzlosen Welt“.
Manche mögen vielleicht unzufrieden und enttäuscht sein, dass er in den Jahren seines Pontifikats die Kirche, ihre Strukturen und Ämter nicht noch weiter verändert hat. In zeitlichem Abstand wird der Blick zurück – davon bin ich überzeugt – deutlich machen, dass er zahlreiche Impulse und Anstöße gegeben, Weichen gestellt und einige Veränderungen bewirkt hat, dass er aber – um die Gemeinschaft der Kirche nicht auseinanderbrechen zu lassen – bei aller Klarheit dennoch auch Geduld aufbrachte und auf das Wirken des Heiligen Geistes vertraute. Auch das war ein wichtiges Zeichen in einer kurzatmigen Welt, die alles schnell verändert haben möchte.
Papst Franziskus starb am Ostermontag. An diesem Tag wird im Evangelium (Lk 24,13–35) die Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen auf ihrem Weg nach Emmaus verkündet. „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ So möge er jetzt ganz die Nähe des Auferstandenen erfahren.
Als Caritas-Familie in der Diözese Würzburg danken wir Gott für die Berufung von Franziskus zum Papst und danken dem Verstorbenen, dass er nicht müde wurde, uns an unser Zeugnis für die Menschenfreundlichkeit und Liebe Jesu zu erinnern. Deshalb schließt unser Dank als Caritas in der Diözese Würzburg mit einigen Zitaten aus seiner Enzyklika „Dilexit nos“ – also mit Worten, Gedanken und Impulsen von Papst Franziskus:
Zurück zum Herzen
„Um die Liebe Christi auszudrücken, wird oft das Symbol des Herzens verwendet. Manche fragen sich, ob es heute noch eine gültige Bedeutung besitzt. Aber wenn wir versucht sind, uns an der Oberfläche zu bewegen, in Hektik zu leben, ohne letztendlich zu wissen, wozu, wenn wir Gefahr laufen, zu unersättlichen Konsumenten werden, zu Sklaven eines Marktsystems, das sich nicht für den Sinn unseres Lebens interessiert, dann tut es not, die Bedeutung des Herzens wieder neu zu entdecken. (2)“
Die entscheidenden Fragen
„Anstatt nach oberflächlichen Befriedigungen zu suchen und den anderen etwas vorzuspielen, ist es besser, wichtige Fragen aufkommen zu lassen: wer bin ich wirklich, was suche ich, welchen Sinn will ich meinem Leben, meinen Entscheidungen oder meinen Handlungen geben; warum und wozu bin ich auf dieser Welt, wie will ich mein Leben bewerten, wenn es zu Ende geht, welchen Sinn will ich allem, was ich erlebe, geben, wer will ich vor den anderen sein, wer bin ich vor Gott. Diese Fragen führen mich zu meinem Herzen. (8)“
Es fehlt das Herz
„In der heutigen Gesellschaft läuft der Mensch Gefahr, den Mittelpunkt, seine eigene Mitte zu verlieren. Der Mensch von heute ist oft zerstreut, gespalten, fast ohne ein inneres Prinzip, das in seinem Denken und Handeln Einheit und Harmonie schafft. Vielverbreitete Verhaltensmodelle verschärfen die technologisch-rationelle oder, umgekehrt, triebmäßige Dimension. Es fehlt das Herz. (9)“
Sprache ohne Worte
„Wenn wir uns bemühen, jemandem zu helfen, bedeutet das nicht, dass wir Jesus darüber vergessen. Im Gegenteil, wir finden ihn auf andere Weise. Und wenn wir versuchen, jemanden aufzurichten und zu heilen, ist Jesus an unserer Seite. Erinnern wir uns daran: ‚Der Herr stand ihnen bei‘ (Mk 16,20), als er die Jünger zur Mission aussandte. Er ist da, arbeitet, kämpft und tut Gutes mit uns. Es ist seine Liebe, die sich in unserem Dienst auf geheimnisvolle Weise zeigt, er selbst ist es, der zur Welt in jener Sprache spricht, die manchmal keine Worte hat. (214)“
Außerhalb des Räderwerks
„Heute ist alles käuflich und bezahlbar, und es scheint, dass Sinn und Würde von Dingen abhängen, die man durch die Macht des Geldes erwirbt. Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen. Die Liebe Christi steht außerhalb dieses abartigen Räderwerks, und er allein kann uns von diesem Fieber befreien, in dem es keinen Platz mehr für eine bedingungslose Liebe gibt. Er ist in der Lage, dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot. (218)“
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de