Unter den 57 Preisträger/innen der verschiedenen Handwerksberufe ehrte der Präsident des unterfränkischen Handwerks, Hugo Neugebauer, mit Evan Lindenberger aus Esselbach eine Kirchenmalerin und mit Olga Gidt aus Wildflecken eine Jugendliche, die ihre Ausbildung als Raumausstatterin beim Christlichen Bildungswerk (CBW) Band Neustadt/Saale absolviert hat.
Wortlaut der Ansprache der Ansprache von Domkapitular Clemens Bieber:
Als man das Freiburger Münster erbaute, fragte man drei Steinmetze nach ihrer Arbeit.
Der eine saß da und behaute Steine zu Quadern für die Mauern der Wände.
„Was machst du da?“ „Ich behaue Steine.“
Ein anderer mühte sich um das Rund einer kleinen Säule für das Blendwerk des Portals.
„Was machst du da?“ „Ich verdiene Geld für meine Familie.“
Ein dritter bückte sich über das Ornament einer Kreuzblume für den Fensterbogen.
„Was machst du da?“ „Ich baue am Dom.“
Eine Kirche, ein Dom, ein Haus Gottes, ist seit jeher ein Sinnbild für die Geborgenheit in Gott, ist aber Ausdruck für die Schaffenskraft des Menschen, die er seinem Schöpfer verdankt.
Im Grunde geht es also für alle Menschen, besonders für jene, die dabei eine besonders qualifizierte Leistung einbringen, darum, mitzubauen an einer Welt, die als Schöpfung Gottes erlebbar wird und in der alle Menschen gut und gerecht leben können.
Wie das verwirklicht werden kann, zeigt uns Jesus durch sein Leben, sein Wirken. Damit seine Frohe Botschaft weitergegeben wird, scharte Jesus Fischer, Zeltmacher, Zimmerleute, Zöllner und viele andere Menschen um sich.
Jesus macht deutlich, jeder kann und soll mit seinen Talenten mithelfen, die Welt lebenswert und menschenwürdig zu gestalten.
Dabei ist es entscheidend, dass jeder nicht nur sich und seine Begabungen sieht und überlegt, was er damit für sich bewirken kann, sondern auch den Zusammenhang im Blick hat wie der Steinmetz, der sagte: „Ich baue am Dom!“
Wer in dieser Haltung zu Werke geht, ganz gleich in welchem Beruf, an welchem Platz, erweist sich als Mitarbeiter Gottes an einer Welt, in der Menschen leben können und erfahren, dass Gott ihnen Leben schenkt, sogar über unsere begrenzte Erdenzeit hinaus.
Deshalb ist es wichtig, Menschen zu befähigen und ihnen zu helfen, ihre individuellen Talente und Möglichkeiten zu entfalten und ihren Auftrag bei der Gestaltung der Welt zu entdecken und so auch persönliche Erfüllung finden.
Bei allem Handeln und Wirken dürfen wir nicht vergessen den Blick zu weiten für die Nachhaltigkeit unseres Tuns, dass wir nicht die Ressourcen – sowohl die Kräfte der Menschen wie auch die Kräfte der Natur – vergeuden, sondern darauf achten, dass wir im Laufe der Zeit ein Mehr an Leben ermöglichen und nicht ein Weniger verursachen. Es sollte uns stets bewusst sein, dass wir nicht nur im und für den Augenblick leben und handeln, sondern immer auch Verantwortung tragen für die nachfolgenden Generationen.
Und weil wir wissen, dass der Mensch Geborgenheit, sozialen Rückhalt, braucht, ist es bei aller Betriebsamkeit notwendig, dass er über seine Arbeit hinaus auch Zeiten findet für seine Familie, das wichtigste soziale Netz. Familienfördernde Arbeitszeiten sind ein unverzichtbarer Bestandteil einer menschenwürdigen Arbeitswelt!
Und schließlich benötigt der Mensch immer wieder einen sowohl vom Staat wie auch vom Arbeitgeber und von der Gesellschaft geschützten Raum der Ruhe, um zu sich, zu den Menschen, mit denen er das Leben teilt, und – ganz wichtig – auch zu Gott zu finden. Dieser Ruhetag darf nicht beliebig festgelegt werden, vielmehr muss auch das Miteinander in der Gemeinschaft berücksichtigt werden; er ist gleichsam ein sozialer Fixpunkt.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der man sich keinen gesegneten Sonntag, also einen von Gott gegebenen neuen Aufgang wünscht, sondern nur noch ein schönes Wochenende, einen vielleicht harmonischen Ausklang der Werktage. Deshalb ist es dringend geboten, uns in Erinnerung zu rufen, dass Sonn- und Feiertage ihren eigentlichen und tiefen Grund in der Notwendigkeit einer gottgewollten schöpferischen Pause haben. Genau diese urmenschliche Erfahrung steckt in dem Bericht der Bibel vom siebten Tag, der in uns auch das Bewusstsein wachhalten sollte, dass alles, was wir im Vertrauen auf Gott beginnen, letztlich von IHM vollendet wird.
Wochen-Ende ist der Samstag! Der Sonntag ist der erste Tag der neuen Woche, die wir im Vertrauen auf Gott und seinen Segen beginnen.
Wo der Mensch sich anmaßt, ohne Gott zu Werke zu gehen, da verläuft die Entwicklung entgegengesetzt seiner Absicht: Nicht die Vollendung, wie im Schöpfungsbericht dargestellt, sondern das ursprüngliche Chaos, wo Gottes Handeln einmal angesetzt hat, wird das Ende sein. Am Abend eines jeden Schöpfungstages befand Gott sein Werk gut. – Wie aber wird die Zukunft ohne Gott aussehen?
In alten Kirchen und Domen sind neben den religiösen Zeichen und Bildern oft auch Bilder und Darstellungen der einzelnen Handwerksberufe und Zünfte zu sehen. Damit wird deutlich, dass die Handwerker bei ihrer Arbeit auf den Segen Gottes vertrauen und bemüht waren, dem Auftrag Gottes zu entsprechen und seine Schöpfung zu erhalten und zu gestalten.
Deswegen ist es zu jeder Zeit und bei allem Tun, besonders auch während der Ausbildung, entscheidend wichtig, Gott in den Blick zu nehmen. So wird nicht nur funktionierendes Handwerk vermittelt, sondern die jungen Menschen werden als Mitarbeiter und Mitgestalter der Welt in die Verantwortung genommen, und dadurch ermutigt, ihre Arbeit so zu sehen wie der Steinmetz am Freiburger Münster, der sagte: „Ich baue am Dom!“.
In diesem Sinne will ich schließen mit einer kleinen Geschichte des französischen Schriftstellers und Philosophen Antoine de Saint Exupery. Als ich vor bald 25 Jahren aufgebrochen bin, um als Priester mitzuhelfen, die Welt im Geiste der Frohen Botschaft Jesu zu gestalten, ist mir – gleichsam bei meiner Freisprechung – am Ende der Primizpredigt dieses Wort ans Herz gelegt worden:
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Handwerker zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern wecke in den Menschen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
Sie, liebe Handwerksfrauen und -männer, erhalten heute nicht nur die Bestätigung ihrer fachlichen Befähigung, sondern auch den Auftrag, unsere Welt mitzugestalten. Und deshalb ist es wichtig, dass Sie dabei auch den Ruf Gottes spüren. Auf IHN können Sie sich verlassen. Er begleitet Sie, wenn Sie im Vertrauen auf ihn zu Werke gehen.