Die Predigt im Wortlaut:
Ein Würzburger Domkapitular rechtfertigt die Baukosten von
31 Millionen Euro für das Diözesanzentrum auf dem Domberg in Limburg, so
berichten in ganz Deutschland die Agenturen. Wörtlich: „Die 30 Millionen für
diesen Bau sind im Grunde nicht wirklich viel.“
Ich werde mich weder an der Diskussion beteiligen, noch
bewerten, was von Experten aus städtebaulicher, historischer und
architektonischer Sicht dazu geäußert wurde. Der in die Schlagzeilen geratene
Domkapitular hat im Interview darauf hingewiesen, dass zwischen dem Bauwerk und
der Kommunikation des Vorhabens unterschieden werden sollte.
Dennoch scheint es mir wichtig, die Reaktionen auf solche Aussagen, wie auch auf das Projekt als solches zu registrieren. Denn darin spiegelt sich bei vielen Menschen, gerade engagierten Christen – neben aller immer vorhandenen Sensations- und Kritiklust sowie dem mangelnden Sachverstand für städtebauliche Aspekte und einer simplen Gleichmacherei – die Sorge um eine Kirche, die die Menschen nicht mehr mitnimmt und deren Zeugnis nicht mehr glaubwürdig ist, weil es von Äußerlichkeiten überlagert wird.
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Kardinal
Kasper in der vergangenen Woche das Karrieredenken in der Kirchenleitung
kritisiert und sich z.B. gegen die Bischofsweihe für Männer ausgesprochen hat,
die in den Kurienbehörden rein bürokratische Aufgaben erfüllen.
Ebenfalls in der vergangenen Woche hat Papst Franziskus in
einer Begegnung mit spanischen Bischöfen ermahnt, große Sorgfalt bei der
Ausbildung von Priesteramtskandidaten walten zu lassen und diese sehr kritisch
auszuwählen. Es gelte auch darauf zu achten, wer die jungen Menschen wie
ausbildet. Vor dem gesellschaftlichen Kontext – und das trifft nicht nur für
Spanien zu – sagte der Papst: „Gerade macht ihr die harte Erfahrung der
Gleichgültigkeit vieler Getaufter und müsst euch gegen eine weltliche Kultur
wehren, die Gott ins Privatleben verdrängen und aus dem öffentlichen Raum
ausschließen will.“ Dagegen müssten die Bischöfe mutig das Evangelium verkünden
und dabei neue Wege finden.
Für das Bemühen, einen glaubwürdigen Weg für die Kirche zu gestalten, gibt das Evangelium des ersten Fastensonntags wichtige Anregungen. Deshalb verweise ich auf die Bilder, die der Evangelist Matthäus verwendet:
- Die Versuchung ist auch in der Kirche groß, sich mit Äußerlichkeiten zu begnügen oder zu viel Wert darauf zu legen. Jesus kann ihnen widerstehen. In allem bleibt ER dem Wort Gottes gehorsam.
- Die Wüste ist der Ort großer Herausforderungen, durch die die eigene Existenz in Frage gestellt und bis aufs Äußerste geprüft wird; damit verbunden sind Ängste ums Überleben. Zugleich aber relativiert sich gerade in der Wüste vieles, weil es plötzlich als nebensächlich, beiläufig und unwesentlich empfunden wird.
- Ein Berg bietet immer die Chance, aus dem Alltäglichen herauszukommen, Weitblick zu gewinnen, sich zu orientieren und dementsprechend auszurichten und sich aufs Neue senden zu lassen. Das heutige Evangelium verweist aber auch auf die Gefahr der Überheblichkeit und sich selbst an Gottes Stelle setzen zu wollen.
- Der Tempel steht für das Heiligtum, für besondere Orte, die uns Menschen die Nähe Gottes vermitteln. Doch auch Heiligtümer können Orte der Versuchung werden, wenn sich Menschen oder Gremien wie auch Strukturen in Szene setzen, sich zelebrieren oder nur mit sich selbst beschäftigen und den Blick auf die Mitmenschen und Herausforderungen für Kirche wie Gesellschaft verloren haben.
Damit sind wir wieder bei der Kirche und ihrem Auftrag – ob in Rom, auf dem Domberg in Limburg oder in den christlichen Gemeinden in Stadt und Land: Unsere Kirchen, Gemeinde- und Diözesanzentren sollen Orte des Heils sein, wo Suchende, Fragende und Glaubende zusammenkommen und sich gegenseitig im Leben und im Glauben bestärken. Dann erweisen wir uns als Volk Gottes, das immer unterwegs ist mit den Menschen und auf die Menschen zu.
So wird Kirche eine neue Aufgeschlossenheit und Offenheit in der globalen Welt entfalten, in der die Menschen immer näher zusammenkommen, so wie es das Leitwort der Jahreskampagne der Caritas zum Ausdruck bringt: „Weit weg ist näher, als du denkst.“
Zurück zur einleitenden Bemerkung über das Diözesanzentrum auf dem Domberg in Limburg und die verschiedenen Äußerungen dazu: Alle Gremien und Strukturen wie auch Gebäude können bestenfalls hilfreiche Rahmenbedingungen vorgeben, um den Dienst am Leben zu unterstützen. Sie können sichtbar zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung ein bestimmtes Projekt für die Menschen hat und was damit, darin und dadurch bewirkt wird. Aber nie darf es Selbstzweck sein.
Insofern ist die am Aschermittwoch begonnene Zeit der Umkehr, der Buße, der Erneuerung eine Chance, sich auf das Wesentliche zu besinnen, und auf das, was unser Auftrag ist, wie wir Zeugnis geben für die Frohe Botschaft und die Menschen dabei mitnehmen. Das gilt für die Kirche in Rom, in Limburg, in Würzburg sowie in jeder einzelnen christlichen Gemeinde.
Es kommt darauf an, in all den Erfahrungen von Versuchung, Wüste, Berg und Heiligtum einen Weg zu finden, auf dem wir überzeugend und unermüdlich Gottes Heil verkünden und Glaubensfreude weitergeben, um allen Missdeutungen von Religion und Kirche zu wehren.
Wo das geschieht, da wird die Kritik an der Kirche, den Amtsträgern, den Christinnen und Christen leiser und das Zeugnis für den Herrn des Lebens glaubwürdiger.