Die Predigt im Wortlaut:
„Die Bequemen und die
Standhaften“ – so war vor einer Woche ein Kommentar überschrieben, der auf
zwei aktuelle Vorgänge Bezug nahm.
Es wurde darüber berichtet, dass derzeit massenweise evangelische und katholische
Christen aus ihrer Kirche austreten, weil mit einem neuen Abbuchungsverfahren
automatisch Kirchensteuer auf Kapitalerträge erhoben wird. Wörtlich hieß es: „Die Drohung, einige hundert Euro weniger
auf dem Bankkonto zu haben, reicht aus, damit Zehntausende Christen ihre Kirche
verlassen.“
Am selben Tag wurde aus dem Irak gemeldet, dass Zehntausende Christen sich für
eine beinahe aussichtslose Flucht in die kargen Berge oder für den Tod durch
Erschießung entscheiden, weil die Terror-Milizen des „Islamischen Staates“ (IS) sie vor die Wahl stellen: Wenn ihr euch
uns unterwerft und zum Islam konvertiert, dürft ihr weiterleben und in euren
Häusern bleiben. Wenn ihr aber eurem christlichen Glauben treubleibt, dann nehmt
ihr Tod oder zumindest Vertreibung in Kauf. „Die
standhaften Gläubigen riskieren buchstäblich ihr Leben“, hieß es in der
erwähnten Stellungnahme.
Der Kommentator stellte die Frage: „Ob die Christen im Irak wohl Verständnis hätten für ihre ausgetretenen Ex-Glaubensbrüder und -schwestern im sicheren und wohlhabendenden Deutschland? Resigniert möchte man sagen: Wer wegen ein paar hundert (oder bei den Reicheren: ein paar tausend) Euro auf dem Bankkonto die Kirche verlässt, hat eh nicht begriffen, was es bedeutet, der Gemeinschaft derer anzugehören, die an Christus glauben.“
In der Tat wird derzeit in unserem Land geradezu
leidenschaftlich über die Kirchensteuer diskutiert. Überschriften wie „Die Kirchensteuer schadet den Kirchen“
oder „Die Kirchensteuer treibt die
Menschen vom Glauben weg“ deuten die Tendenz in der veröffentlichten
Meinung an. Es wird der Eindruck erweckt, dass die Kirchensteuer der
Glaubwürdigkeit der Kirche schade. Geflissentlich wird in der Argumentation
übergangen, dass in das große Engagement der Kirchen im sozialen und kulturellen
Bereich wie auch im Bereich der Bildung neben den geregelten Erstattungen und
staatlichen Beiträgen – wie sie alle anderen Träger entsprechender Initiativen
in unserem Staat erhalten – Gelder aus den Mitteln der Kirchen und zwar in
einem nicht unerheblichen Umfang einfließen. Diese Eigenmittel sind für das
Gelingen der Maßnahmen entscheidend wichtig. Sie sind gleichsam der Hebelarm, der
die großen Räder sozialer und kultureller Maßnahmen sowie die viel gefragten
Angebote im Bildungsbereich und in der Entwicklungshilfe bewegt.
Aber das wollen viele der Meinungsmacher in unserem Land gar nicht wissen, weil
sie sich grundsätzlich an der Kirche und am christlichen Welt- und Menschenbild
stören. Deshalb wird auch der Religionsunterricht in Frage gestellt, denn
zunehmend mehr Zeitgenossen fehlt die Einsicht, dass es für das Leben des
Einzelnen wie auch für das Zusammenleben in der Gesellschaft eine klare
geistige und geistliche Grundlage braucht. Von daher lehnen sie eine
christliche Prägung ab, und immer häufiger wird versucht, den christlich
geprägten Hintergrund in unserer Verfassung zu eliminieren oder zumindest
umzuinterpretieren.
Deshalb braucht man sich nicht zu wundern, wenn jetzt plötzlich – wie z.B. dieser Tage unter der Überschrift „Im Sog des Terrors“ – beängstigende Berichte zu lesen sind. Darin geht es um die inzwischen große Sorge, dass die Terrororganisation „Islamischer Staat“ von überall her „Dschihadisten“ rekrutiert – auch aus Deutschland. „Die Propagandaabteilung des ‚Islamischen Staates‘ verkauft verirrten und verführten Jugendlichen den neuen, coolen Dschihad“, heißt es wörtlich. Von dorther werden unsere westlichen Gesellschaften als „Ungläubige“ bezeichnet. „Im Internet ist eine Parallelwelt entstanden, in der Jugendliche die Schreckensbilder aus dem Kriegsgebiet mit einer beiläufigen Abgeklärtheit kommentieren, als handle es sich um eine Kneipenkeilerei. In deutschen Provinzstädten bilden sich Dschihadistenzellen. … Die Propaganda des ‚Islamischen Staats‘ injiziert ihr Gift auch in unsere Gesellschaft.“
In einer anderen großen deutschen Zeitung fiel vor wenigen
Tagen die geradezu verzweifelt klingende Überschrift auf: „Ratlos vor dem Rad der Gewalt“. Darunter steht zu lesen: „Die Terrorgruppe IS errichtet im Irak ein
Regime, dessen Fundament Fanatismus, Gewalt und Willkür sind. In den eroberten
Gebieten verübt sie einen Massenmord nach dem anderen. Wer Christ ist, Jeside
oder als Muslim seinen Nachbarn nicht verraten will, soll sterben. Es droht ein
Völkermord.“
Dann wird plötzlich auf Papst Franziskus verwiesen, der gesagt habe, es gebe
allen Grund, die Mörder zu stoppen, notfalls auch mit Gewalt. Daraus folgert
der Verfasser des Artikels: „Es gibt nur
schlechte Wege im Irak; es geht darum, den am wenigsten schlechten zu finden.
Es genüge nicht, sagte einst Dietrich Bonhoeffer, nur die zu pflegen, die unter
die Räuber gefallen sind – man muss auch dem Rad der Gewalt in die Speichen
greifen.“
Ob wir uns den Irak, Iran, Syrien, Lybien, den Konflikt zwischen Israel und der Hamas, Nigeria, die Ukraine oder die vielen anderen Krisenherde in der Welt mit all der Gewalt, dem Terror, den Kriegen vor Augen halten, es wird deutlich: Für das Leben des Einzelnen wie auch für das Zusammenleben in einer Gesellschaft braucht es ebenso wie in der Völkergemeinschaft eine friedfertige geistige und geistliche Grundlage. Doch das Paradox gerade in unseren westlichen Gesellschaften ist, dass wir zwar die Notwendigkeit hierfür täglich bedrängender vor Augen haben, zugleich aber versuchen, die objektive Wahrheit von Gott her und die von IHM ausgehende prägende Grundhaltung für ein friedvolles und menschenwürdiges Leben aus dem öffentlichen Raum zu verbannen – allenfalls in die Privatsphäre des Einzelnen.
Deshalb erachte ich es als Wink des Himmels, dass uns an
diesem Sonntag die Frage Jesu an seine Jünger verkündet wird, für wen die Leute
den Menschensohn halten. Neben den verschiedenen, individuellen Antworten, die
jeweils einen bestimmten Aspekt im Wirken Jesu wiedergeben, bekennt IHN Petrus
als „Messias“, als „Sohn des lebendigen Gottes“. Jesus ist
nicht irgendein Prophet mit irgendeinem Anliegen, sondern IHM geht es um das
Ganze, um das Leben und die Welt, IHM geht es um die Verbindung von Gott und
den Menschen.
Und wo immer Menschen bemüht sind trotz all ihrer Begrenztheit und
Unzulänglichkeit IHM und SEINEM Anspruch zu folgen und zu entsprechen, da wird
Leben heil, da gelingt das Zusammenleben. Deswegen gaben SEINE Nachfolger von
Anfang an Zeugnis für IHN in Wort und Tat. Und deswegen sind seit der Zeit der
jungen Kirche Glaubenspraxis und soziales Engagement untrennbar miteinander
verbunden.
Das Evangelium dieses Sonntags erinnert aber auch daran, dass Jesus den Dienst der Kirche an SEINE Nachfolger übertragen hat, an Menschen wie z.B. den Petrus, zu dessen Geschichte sowohl die Feigheit gehört wie auch im entscheidenden Augenblick die Kraft zum Lebenszeugnis für Jesus.
In der Diözese Würzburg erinnern wir uns in diesen Tagen an den früheren Oberschwarzacher Pfarrer Georg Häfner, der am 20. August 1942 im Konzentrationslager Dachau starb. Zeitzeugen aus seiner Pfarrei erinnern sich, dass er – wie es wohl in dieser Zeit nicht unüblich war – ein strenger Pfarrer war, teilweise auch mit spürbaren Ecken und Kanten. Dass er aber in einem Brief an seine Eltern betonte: „Keinem Menschen wollen wir fluchen, keinem etwas nachtragen, mit allen wollen wir gut sein“, deutet an, dass er in dieser für ihn prekären Zeit innerlich gereift sein muss. So wurde er in der Gefangenschaft nicht nur für seine – vielfach ungläubigen – Mitgefangenen, sondern darüber hinaus auch für die Menschen in seiner Pfarrei, denen er immer wieder sein Gebet zusicherte, zu einem Glaubenszeugen. Deshalb lautete das Leitwort zu seiner Seligsprechung: „Einfach, gläubig, konsequent“.
Darum komme ich zurück auf den eingangs erwähnten Kommentar „Die Bequemen und die Standhaften“, der sich sowohl mit den massenhaften Austritten aus den christlichen Kirchen in unserem Land wie auch mit der Überzeugung der verfolgten Christen im Irak befasste.
Im Blick auf diejenigen, die hier zulande aus finanziellen Gründen aus der Kirche austreten, schrieb der Kommentator: „Um solch einen Christen, so scheint es auf den ersten Blick, ist es nicht wirklich schade.“ Doch dann erinnert er an die grundlegende Absicht des Messias, dem wir im heutigen Evangelium begegnet sind: „Aber wenn es stimmt, dass Jesus gekommen ist, um die verlorenen Schafe zu retten und Gottes Barmherzigkeit allen Menschen zu bringen, dann gilt das sogar für diese schwachen und bequemen Zeitgenossen. Dass viele von ihnen durch den formalen Austritt den Kontakt zum Heilsangebot der Kirche Christi für immer verlieren, bleibt bedrückend.“
Zugleich stellt der Kommentator die Frage, die Jesus im Evangelium an Petrus richtet, im übertragenen Sinne an jede und jeden von uns, indem er schreibt: „Und die Frage, warum nur wenige überzeugte Christen (Laien wie Priester) es schaffen, den ‚Lauen‘ oder ‚Fernstehenden‘ Kraft und Tiefe des Glaubens zu vermitteln, stellt sich dringender denn je.“
Den gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land wie auch den besorgniserregenden Vorgängen in der Welt können wir nicht mit vorwurfsvoll ausgestrecktem Zeigefinger begegnen und entsprechend der zitierten Überschrift „Die Bequemen und die Standhaften“ uns selbst vielleicht als „die Standhaften“ bezeichnen.
Vor dem Hintergrund des heutigen Evangeliums und im Wissen um das mutige Glaubenszeugnis unzähliger Menschen – wie z.B. Pfarrer Georg Häfner oder derzeit Christen in Ländern wie dem Irak – müssen wir uns fragen, WIE WIR Zeugnis geben für den Glauben an den Auferstandenen, der Hass und Tod überwunden und dem Leben zum Durchbruch verholfen hat.
In einem modernen Text heißt es:
Im Evangelium hat Jesus seine Jünger
gefragt.
Jetzt sind wir gefragt:
Für wen halten wir Jesus?
– Für wen wir Jesus halten,
das wird unser Leben zeigen!
Text zur Besinnung nach der Kommunion
Im Evangelium hat Jesus seine Jünger gefragt.
Jetzt sind wir gefragt:
Für wen halten wir Jesus?
– Für wen wir Jesus halten,
das wird unser Leben zeigen!