In Einrichtungen der Behindertenhilfe stellt herausforderndes Verhalten bzw. challenging behavior - wie man seit den 1990er Jahren ‚festgefahrene‘ oder ‚unerwünschte‘ Verhaltensweisen international beschreibt - ein Thema dar, wofür es keine ‚Patentrezepte‘ gibt. Klienten fordern oft den erfahrensten Mitarbeiter heraus. „Daher gilt es für die Assistenten das Verhalten verstehen zu lernen, um professionell handeln zu können“, sagt Linda Schmelzer, die die Tagung organisierte.
Nach der Begrüßung durch den Geschäftsführer des St. Josefs-Stift, Bernhard Götz, referierte Rolf Drescher, Geschäftsführer des BeB e.V. in Berlin, über den politischen Stand des Bundesleistungsgesetzes und die daraus resultierende Diskussion der Wohlfahrtsverbände.
Weitere herausragende Referenten beleuchteten das Tagungsthema aus verschiedenen Blickwinkeln. Der in Fachkreisen bekannte Dozent an der katholischen Fachhochschule in München, Prof. Dr. Werner Haisch, wurde gleich für drei Vorträge engagiert. „Die Konfrontation mit der Wirklichkeit erzeugt Zweifel“, erklärt Haisch. Darüber hinaus veranschaulicht er sehr deutlich, was es für Klienten bedeutet, wenn sie ein Leben in Abhängigkeit führen.
Welche ethischen Grenzen in der Zusammenarbeit zwischen Klienten und Assistenten erreicht werden können, gab Prof. Dr. Theo Klauß zu bedenken, der einen Lehrauftrag an der pädagogischen Hochschule in Heidelberg hat. Sehr praxisnah berichtete der Leiter aus dem Wohnbereich im St. Josefs-Stift, Gerd Kellner, über seine 20jährige Erfahrung mit Klienten, Mitarbeitern und Angehörigen aus sozialtherapeutischen Gruppen.
Wie man in sozialen Einrichtungen ein professionelles Deeskalationsmanagement einführt, wurde von den Leitern des Instituts ‚ProDeMa‘ vorgestellt und die Methodik anschließend in einem von fünf Workshops vertieft. Eine philosophische Betrachtung gaben die Referenten aus der Schweiz Guido Studer und Hansruedi Lempen über die Begrifflichkeiten Betreuungsresistenz, Heimtourismus und Systemsprenger.
Ein wahres Highlight der Veranstaltung bot der Intensivpädagoge Carlos Escalera, der aus der evangelischen Stiftung Alsterdorf aus Hamburg angereist war. Er eröffnete seinen Vortrag mit den Worten: „Ich möchte ihnen keinen theoretischen Input geben, sondern ihre Gefühle wecken“. Eindrucksvoll schilderte er seine Erlebnisse mit Gewalt und mögliche Strategien dazu, wie man Gewalt begegnen könne, ohne die Beteiligten zu verletzen. Er sei nach seiner fast 30jährigen Erfahrung in der Beratungsstelle zwar „gewaltmüde“, doch nach wie vor reize ihn die Arbeit mit Klienten und die Suche nach Lösungen ungemein.
Die Fachtagung wurde mit einem gemeinsamen Abendessen im historischen Pavillon und einer Führung mit Weinprobe durch eines der berühmtesten Weingüter Deutschlands abgerundet.
Organisatorin Linda Schmelzer war sehr zufrieden: „Es war eine spannende Fachtagung, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.“
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