Würzburg: Acht Wochen hatten 24 Schüler und Schülerinnen der Europaklasse der Robert-Kümmert- Akademie in heilpädagogischen Einrichtungen in ganz Europa gearbeitet. Jeweils zu dritt gingen sie in Wohnheime oder Werkstätten für behinderte Menschen oder in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen nach Dänemark, Polen, Tschechien, Ungarn, Italien, Österreich oder England. Im Übergang vom ersten zum zweiten Ausbildungsjahr ist dieser Auslandsaufenthalt für sie eine wertvolle Erfahrung, der ihren Horizont in vielerlei Hinsicht erweitert.
"Diese Zeit war eine absolut wichtige Erfahrung für mich", so der 23-jährige Kilian Stöcklein. Er hatte sein Praktikum im St.-Andrews-Hospital, einem psychiatrischen Krankenhaus für Jugendliche, in Northampton/England verbracht. Seinen Weg zur Heilerziehungspflege hatte er nach seinem Zivildienst über den Umweg eines abgebrochenen Politikstudiums gefunden. Sein Aufenthalt in England begann mit einer einwöchigen Einführung. Die Jugendlichen mit Lern- und Verhaltensbehinderungen, erzählte er, hätten ihn gleich akzeptiert und alles über die deutsche Fußballszene wissen wollen. Der Würzburger wurde eingesetzt in der Betreuung der Patienten, im Sport und künstlerischen Bereich, er arbeitete in der offenen Betreuung und in einer geschlossenen Psychiatrie mit. Wenn er seine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger abgeschlossen hat, will er ein Pflegemanagementstudium aufsatteln. Sein berufliches Ziel: Leiter einer Pflegeeinrichtung.
Sprachlich etwas größere Hürden hatte Julia Schipper bei ihrem Praktikum in Budapest zu bewältigen. Die 22-Jährige verbrachte acht Wochen in einem Wohnheim der „Hand in Hand Foundation“ für geistig behinderte Menschen, viele der über 130 Bewohner waren gehörlos. Für die sprachliche Kommunikation hatte sie im Vorfeld einen Sprachkurs besucht, allein mit ihm hätte sie aber wohl Schwierigkeiten gehabt. „Aber es war immer jemand von den Betreuern da, der deutsch oder englisch sprach“. Julia arbeitete mit ihren Schützlingen in der Werkstatt und begleitete sie bei Ausflügen in den Zoo oder auf Feste. Und Julia hat Feuer gefangen, beruflich und privat. Wenn sie im Sommer 2008 ihre Ausbildung abgeschlossen hat, geht sie zurück nach Budapest, wo schon ein Arbeitsvertrag auf sie wartet. Langfristig würde sie gerne im künstlerischen Bereich tätig werden.
Europaklasse lebt von internationalen Kontakten
Die Europaklasse zur Heilerziehungspflege wurde im Jahr 2000 an der Robert-Kümmert-Akademie, die zum St.-Josefs-Stift in Eisingen gehört, eingeführt. Alle zwei Jahre startet ein neuer Jahrgang. Die Auswahl der europäischen Projektpartner beruht vielfach auf persönlichen Kontakten von Schulleiterin Christel Baatz-Kolbe. Im Januar trifft sie sich z.B. im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) mit vielen europäischen Kollegen. Finaziert wird alles über das europäische Leonardo-da-Vinci-Programm. Es zahlt ein Stipendium für den Aufenthalt, Versicherung, Fahrtkosten und einen Sprachkurs. Der EuroPass Mobilität, den alle Teilnehmer des Programms bekommen, ist anerkannt als Teil der praktischen Ausbildung. Die Praktika scheinen auch den aufnehmenden Einrichtungen zu nutzen, bekommen sie im Gegenzug doch auch viel über das deutsche Ausbildungssystem mit. Besonders aus England, so Baatz-Kolbe, kämen inzwischen mehr Anfragen als Schüler da seien. Max Procher, verantwortlicher Betreuungslehrer, ist sich sicher, dass die Schüler persönlich und beruflich ungemein in dieser Zeit gewinnen. Es komme durchaus vor, so seine Erfahrung, dass sie nach Abschluss ihrer Ausbildung in ihre alten Gastländer zurückgingen. Sei es wegen einer Stelle oder weil sie ihr Herz dort verloren hätten. „Und wenn sie hierbleiben, können sie diese Erfahrung in ihrem späteren Alltag gut gebrauchen.“
Die nächste Europaklasse startet im September 2008. Am 29. Januar um 18.30 Uhr gibt es hierzu eine Infoveranstaltung in der Robert-Kümmert-Akademie. Telefon 0931 61583-40, info@heilerziehungspflege-wuerzburg.de.