Im Jahre 1920 wurden in Gerbrunn der St.-Johannis-Zweigverein und in Würzburg der Diözesan-Caritasverband gegründet. Einhundert Jahre später sollte ordentlich gefeiert werden, hier wie dort. Dann kam die Corona-Pandemie und durchkreuzte alle Jubelpläne. Grund genug, meint Petra Eitzenberger, Fachberaterin der Caritas, sich zu einem Gespräch über Gott und die Welt, die Geschichte des katholischen Kindergartens und die ehrenamtliche Arbeit des Trägervereins zu treffen. Mit am Tisch Angela Scholz, Leiterin der Einrichtung.
Historisches
Die Historie sei schnell berichtet, meint Kindergartenleiterin Angela Scholz. Vor einhundert Jahren gründet sich 1920 der St.-Johannis-Zweigverein in Gerbrunn. Der sei, geführt durch Ordensfrauen, für die Säuglings- und Krankenpflege zuständig gewesen und von Anfang an auch für die Betreuung von Kindern. 1958 geht aus diesem der St. Nikolaus-Verein hervor, der bis heute die Trägerschaft des Kindergartens verantworte. „Damals nannte man das noch Kinderbewahranstalt. Heute besuchen 140 Mädchen und Jungen unsere Einrichtung. 2008 kam die erste Krippengruppe hinzu, 2016 die zweite. Schulkinder werden seit 2009 betreut.“ Sie selbst, so Scholz, sei seit 1982 im Kindergarten St. Nikolaus tätig.
„Ich hatte drei Kinder hier“, berichtet Ralf Bock, der seit 2012 als ehrenamtlicher Vorsitzender die Geschicke des Trägervereins und der Einrichtung mitverantwortet. Das sei nicht immer leicht, aber aus seinem früheren Beruf bringe er Organisationstalent und die Fähigkeit, Gespräche gut führen zu können, mit.
Ehrenamt mit viel Verantwortung
„Hätte ich vorher gewusst, worauf ich mich einlasse, hätte ich es mir vermutlich zweimal überlegt“, meint Bock nachdenklich. „Inzwischen sage ich: Es ist ja mein Kind.“ Die Mitstreiter im Vorstand würden ihm Rückhalt und Unterstützung geben, die Zusammenarbeit mit Angela Scholz und dem Team sei hervorragend. „Ganz ehrlich: Vorstandsarbeit geht nicht so nebenbei“, sagt Bock. Er sei Rentner und könne sich die nötige Zeit nehmen. Anfangs habe er mehrmals pro Woche mit der Leitung und anderen Gremien zusammengesessen, um sich einzuarbeiten. „Auch die eine und andere Fortbildung stand auf dem Programm.“ Die Verantwortung sei schon gewaltig, gibt der heute 64-Jährige zu bedenken. „Wir haben einen Jahresumsatz von über einer Million Euro. Der Trägerverein ist außerdem für das Personal zuständig. Es ist nicht so einfach, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.“ Deshalb begrüße er es sehr, dass für die sozialen Berufe nicht nur geklatscht, sondern auch konkret etwas getan werde.
Hat die ehrenamtliche Struktur Zukunft?
„Ich bin für unseren ehrenamtlichen Trägerverein sehr dankbar“, meint Leiterin Angela Scholz. Die Wege seien kurz, der Austausch konstruktiv und intensiv. „Ich weiß, dass ich immer anrufen kann, wenn es Fragen und Probleme gibt.“ Das Geschäft sei komplizierter und anspruchsvoller geworden, sagt Bock, aber die Leute im Verein würden sich mit ihrem Kindergarten vor Ort identifizieren. „Ehrenamt hat Zukunft, wenn es gelingt, die Leute persönlich im Gespräch zu erreichen und zu begeistern.“ Auch er sei vor Jahren angesprochen worden und habe keinen Grund gefunden, das Angebot abzulehnen.
Entlastung durch die Caritas
„Wir sind sehr froh, Teil der Caritas zu sein. Von dort kommt die pädagogische Fachberatung und die notwendige Unterstützung, beispielsweise bei der Gehaltsabrechnung“, zeigt sich Scholz dankbar. Außerdem sei der Informationsfluss schnell. „Auch die Fort- und Weiterbildungsangebote sind hilfreich“ ergänzt Bock. Es sei ihm ein Anliegen, dass das Personal regelmäßig an solchen Maßnahmen teilnehme.
„In der Politik mahlen die Mühlen anders und vor allem langsamer“, kritisiert Bock. Das habe er erst lernen müssen. Insgesamt habe die Bürokratisierung leider zugenommen und verzögere zum Beispiel Bauvorhaben. Die Kirche müsse aufpassen, dass sie nicht auch zu einer Behörde werde, wenn es um ihre eigenen Immobilien gehe.
Kindergarten als pastoraler Ort
Dass sich in den zurückliegenden einhundert Jahren gesellschaftlich viel gewandelt habe, sei kein Geheimnis, meint Fachberaterin Petra Eitzenberger. „Als Caritas ist es uns wichtig, die Kindertageseinrichtungen als Orte der Kirche weiterzuentwickeln.“
„Wir sehen uns als Teil der Pfarrei“, sagt Scholz. Pfarrer, Diakon und Pastoralreferent seien regelmäßig im Kindergarten; das Kirchenjahr präge auch das Kindergartenjahr. Scholz: „Die Zeiten haben sich stark verändert. Viele Kinder kommen bei uns erstmals überhaupt mit Fragen des Glaubens in Kontakt.“ Der Kindergarten, so Vorsitzender Bock, könne nicht ausgleichen, was im Elternhaus keine Grundlage habe. Sie empfehle der Kirche, an ihren Kindergärten auf jeden Fall festzuhalten, insistiert Leiterin Scholz. „Die Einrichtungen bieten die Chance, nicht nur die Kinder, sondern ebenso die Eltern zu erreichen. Selbst dort, wo die Kirche nicht mehr die entscheidende Rolle spielt, ist Eltern die Vermittlung eines christlichen Menschenbildes und Wertefundaments nach wie vor wichtig.“
Blick nach vorn
„Wenn es gewünscht und gewollt ist, mache ich diese Arbeit noch ein paar Jahre“, schaut Ralf Bock zuversichtlich nach vorn. „Vielleicht gehen wir irgendwann mal gemeinsam in den Ruhestand“, schiebt Leiterin Angela Scholz lachend nach. Im nächsten Jahr, wenn Corona es zulässt, werde ordentlich gefeiert. „Wir wollen alle Generationen, ehemalige Mitarbeiterinnen, Kindergartenkinder und viele Ehrengäste einladen. Vieles ist schon vorbereitet“, so Bock. Zumindest ein kleines Geburtstagsgeschenk habe sie dabei, sagt Petra Eitzenberger und überreicht einen Umschlag aus dem Diözesan-Caritasverband und dankt für das gute Miteinander.
Sebastian Schoknecht