Das Ziel einer Welt ohne Aids kann erreicht werden. Diese Botschaft war bei der Gedenkveranstaltung zum Welt-Aids-Tag am Sonntag im Würzburger Programmkino Central mehrfach zu hören. So warb der Leiter der Aids-Beratung der Caritas in Unterfranken, Michael Koch, schon in seiner Begrüßung für einen positiven Blick in die Zukunft. Der internationale Gedenktag für HIV- und Aids-Erkrankte habe mit dem 1. Dezember gerade aus christlicher Perspektive ein passendes Datum. Schließlich gehe es in den Kirchen in dieser Zeit des Advents um die Hoffnung auf Rettung.
So blieb auch der Tenor des Empfangs zum Welt-Aids-Tag, der im Central schon seit dem Vormittag mit drei thematisch passenden Sondervorführungen begangen wurde, ein positiver. Dazu trugen auch die auf der Kinoleinwand eingespielten Statements von Betroffenen selbst bei. „Alles ist möglich!“, rief etwa eine Frau aus Maputo, der Hauptstadt Mosambiks. Sie ist Teil des Dream-Programms der Gemeinschaft Sant’Egidio. Das Projekt richtet sich vorrangig an von HIV und Aids betroffene Frauen. Sie sollen nicht nur einen guten Umgang mit der Infektion lernen, sondern selbst Aktivistinnen in Sachen Prävention und Aufklärung werden.
Betroffene leiden unter sozialen Folgen der Infektion
Zugleich will das Programm gegen eine bis heute schwere Nebenfolge der HIV-Infektion ankämpfen: der Stigmatisierung und Diskriminierung der Betroffenen. Laut Michael Koch ist das auch in Unterfranken ein anhaltendes Problem. „Wir erleben in der Beratungsstelle fast alles“, erklärte der Psychologe den Gästen des Empfangs. Neben Betroffenen, die mit ihrer Diagnose gefasst umzugehen wissen, gebe es auch Menschen, die sich vor der Stigmatisierung flüchteten und regelrecht versteckten. Auf diesen Umstand wies in seinem Grußwort auch Heiko Braungardt aus dem Vorstand des schwulesbischen WuF-Zentrum e.V. hin. Eine HIV-Infektion sei heute längst nicht mehr immer auch zwangsläufig tödlich, doch die sozialen Folgen seien häufig noch immer ein enormes Problem.
Hinzu komme, dass laut Koch auch in Unterfranken das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für 2020 ausgegebene Ziel „90-90-90“ bislang verpasst wird. Demnach sollen von allen HIV-Infizierten 90 Prozent von ihrer Infektion wissen, davon wiederum 90 Prozent eine Therapie erhalten und von diesen Patienten wiederum 90 Prozent eine nicht mehr nachweisbare Viruslast aufweisen. Während die letzteren beiden Ziele in unserer Region schon jetzt erreicht würden, liege die Zahl der Diagnosen noch unter der veranschlagten Zielmarke. Von den geschätzt etwa 1.000 Menschen mit dem HI-Virus in Unterfranken wussten demnach zuletzt erst 88 Prozent von ihrer Infektion. Im Umkehrschluss bedeute das, dass es im Regierungsbezirk nach Schätzungen derzeit über 120 Menschen gebe, die sich ihrer Infektion nicht bewusst seien, so Koch.
Noch weiter vom WHO-Ziel entfernt seien allerdings die Menschen in Ost- und Südafrika. Alle drei der „90-90-90“-Ziele würden dort noch teils deutlich verfehlt, erklärte Koch. Von den geschätzt etwa 20,2 Millionen Menschen mit HI-Virus hätten daher bislang nur 12 Millionen durch Therapien eine Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze.
Dank und Wertschätzung von der Politik
Dass sich zumindest hierzulande niemand mit einer HIV-Infektion diskriminiert fühlen oder sogar schon vor der Diagnose flüchten muss, ist derweil erklärtes Ziel der lokalen Politik. Stellvertretend für die Stadt Würzburg brachte das Stadtrat Alexander Kolbow (SPD) zum Ausdruck. Nicht nur die jedes Jahr zum Welt-Aids-Tag installierte riesige Aidsschleife am Festungsberg zeige, dass man in Würzburg „deutliche Zeichen setzt“. Die politisch Verantwortlichen seien stolz, dass es in der Stadt „ein so starkes Netz“ der Hilfs- und Präventionsangebote gebe, so Kolbow an die Mitarbeiter der Aids-Beratungsstelle der Caritas und verbundenen Einrichtungen. „Mach Sie sich stark für eine gute Gesellschaft!“ Dass Kolbow mit seiner Wertschätzung für die Beratungsstelle und die weiteren Angebote nicht alleine steht, zeigte auch die Anwesenheit zahlreicher weiterer Vertreter des politischen Lebens, darunter Bundestagsabgeordneter Andrew Ullmann (FDP), der sich als Infektiologe beruflich schon lange mit dem HI-Virus befasst.
Einen besonderen Abschluss fand die Veranstaltung mit einem Gedenken der Todesopfer des HI-Virus. Gekonnt und gefühlvoll umrahmt wurden Gebete und Gedanken – wie auch der Rest der Veranstaltung – vom Pop-Chor „Sotto Voce“ des WuF-Zentrums. Neben dem Andenken an die Verstorbenen stand auch hier wieder der Wunsch nach einer besseren Situation für die Betroffenen im Vordergrund. „Es gibt positives Leben unter uns“, hieß es dazu in einem Impuls. Und damit dieses auch wirklich positiv gelebt werden kann, brauche es ein Ende der Vorurteile, Ausgrenzung und Diskriminierung.
Kilian Martin