Integration: Ein viel benutztes Wort, fast schon abgegriffen. Wie Integration zum Leben erweckt werden kann, zeigt das Projekt „Geschenke-Treff“, das jetzt seinen einjährigen Geburtstag feiert. „Die Idee ist aus der Mitte des Integrationsbeirats entstanden“, erinnert sich Astrid Glos. Das Ziel war von Anfang an klar umrissen: Mütter mit Migrationshintergrund sollen die Alltagskompetenzen in einem fremden Land und die deutsche Sprache lernen. Es traf sich gut, dass Melanie Endres Mitglied der Arbeitsgruppe ist.
Die Erzieherin im Caritas-Kindergarten fungiert seit einem Jahr als Bindeglied zwischen den Müttern und dem Kindergartenpersonal. „Früher haben wir einfach Flyer verteilt oder Elternbriefe“, erinnert sie sich. „Viele Mütter haben gar nicht verstanden, worum es uns ging.“ Das hat sich geändert. Bei den wöchentlichen Treffen erhalten die Mütter alle Informationen, die sie brauchen, um bei den vielfältigen Themen im Kindergarten auf dem Laufenden zu bleiben. Warum malen die Kinder zu Ostern Eier an? Wieso kommt am 6. Dezember ein Mann mit weißem Bart in den Hort? Bräuche, die Menschen aus einer völlig anderen Kultur fremd sind und erst einmal erklärt werden müssen.
Eva Virué leitet die Gruppe. Seit mehr als zehn Jahren lebt die Argentinierin in Deutschland. Sie hat Soziologie studiert und ist seither im Bereich interkulturelle Arbeit tätig. „Am Anfang eines jeden Treffens klären wir das Organisatorische“, berichtet sie. „Und dann widmen wir uns einem speziellen Thema.“ Von denen gibt es mehr als genug: Erziehungsfragen, Umgang mit Medien, die richtige Ernährung, Bewegung, Entspannungsübungen: Das Spektrum ist vielfältig. Gleichzeitig wird an der Sprachkompetenz gefeilt – alle Themen werden auf deutsch besprochen.
„Eva ist wie ein Überraschungspaket für uns“, sagt eine junge Frau aus Griechenland, die seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebt und über die Erfolge des letzten Jahres mehr als dankbar ist. Dank des Kurses ist sie offener geworden, selbstbewusster. „Ich habe Arbeit gefunden, meinen Führerschein gemacht“, erzählt sie. Aus dem geschlossenen Familienkreis hat sie sich nach und nach lösen können. „Ich bin freier geworden“, freut sie sich. „Das war ein großer Schritt für mich.“
Ihr gegenüber sitzt eine junge Frau, die drei Kinder alleine groß zieht. „Die Tipps von Eva haben mich stark gemacht“, bestätigt sie. „Und wenn die Mama stark ist, dann sind es die Kinder auch.“
Ein Kurs, um das Selbstwertgefühl der Mütter zu steigern? Eva Virue nickt. „Als Migrantin fühlt man sich anders“, erklärt sie. „Man hat Angst, aufzufallen.“ Manche Frauen haben sogar Angst, alleine auf die Straße zu gehen. Sei es, weil sie die Kriegserfahrungen noch nicht verarbeitet haben, wie die zwei jungen Mütter aus dem Irak. Oder weil es die Tradition so will. „In Afghanistan darf eine Frau nicht alleine auf der Straße laufen“, erklärt eine junge Mutter. „Die Leute würden sonst über dich reden.“
Wie ein Vogel im Käfig habe sie sich in ihrem Heimatland gefühlt. In Deutschland angekommen, musste sie sich erst einmal an die Freiheit gewöhnen. Kürzlich hat sie ihren Kindheitstraum verwirklicht: „Ich habe Radfahren gelernt“, erzählt sie strahlend. In Afghanistan ist das unvorstellbar. „Frauen zählen in unserer Kultur wenig.“
Ein Jahr Geschenke-Treff. Ein Jahr, in dem die zehn Frauen aus Ländern wie Griechenland, Afghanistan oder dem Irak viel dazu gelernt haben. „Sie können sich jetzt viel besser einleben“, sagt Astrid Glos. „Das hier war ein guter Raum, um die Schwellenangst abzubauen und sich zu öffnen.“
Das Projekt soll deshalb auch weitergehen. Zunächst ist der Kurs auf drei Jahre angelegt. Glos hofft, dass der Stadtrat dann einer Verlängerung zustimmt. Nachhaltigkeit sei schließlich eine der Bedingungen für eine gelungene Integration. „Die Kindergartenmütter können deshalb auch so lange in dem Kurs bleiben, bis ihre Kinder in die Schule kommen“, erklärt Glos. Und dort geht es zumindest in der ersten und zweiten Klasse weiter. In der St. Hedwig-Schule gibt es seit einem Jahr nämlich auch einen Geschenke-Treff.