Die Predigt im Wortlaut:
„71 Leichen aus Lkw
geborgen – darunter Männer, Frauen und Kinder. Vermutlich sind es Syrer.“„Sie waren dem Tod geweiht.“
„Flüchtlingsboot kentert – 200 Tote
befürchtet“, „… sie stammen aus
Pakistan, Syrien, Marokko und Bangladesh“. „Bislang sind in diesem Jahr mehr als 2300 Menschen bei dem Versuch
ertrunken, Europa per Boot zu erreichen.“
Dies sind nur einige wenige Schlaglichter aus den aktuellen Pressemeldungen.
Und wie sieht es bei uns aus? Immer wieder erschallen aus der Dunkelheit an einigen Orten in unserem Land bei nächtlichen Attacken auf Heime für Flüchtlinge: „Wir sind das Volk!“ und „Deutschland den Deutschen!“ Dem folgen Schlagzeilen wie z.B. diese: „Als Flüchtlingsunterkunft geplante Berliner Sporthalle brennt“. – So geschehen in diesen Tagen in Berlin-Reinickendorf.
Ganz aktuell reiht sich die Meldung ein: „Flammen schlugen aus Container am Kloster“; gemeint war Lülsfeld, wo demnächst von unserer Caritas unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht und betreut werden sollen. Es ist müßig, zu spekulieren, wer von dem Vorhaben vielleicht nur im Internet gelesen hat und möglicherweise dazu angereist ist, um die Bewohner des Ortes gegen das Vorhaben aufzubringen.
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes not – wendig, dass sich
die Menschen in unserem Land klar von solchen Delikten distanzieren und deutlich
machen, dass dies nichts mit Deutschland und mit uns, nichts mit dem
allergrößten Teil der Deutschen zu tun hat.
Es sollte zu denken geben, dass ein Land wie Jordanien, das selbst nur sechs
Millionen Einwohner hat, anderthalb Millionen Flüchtlinge aufnimmt.
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes not – wendig, dass wir im Blick auf Terror
und Krieg in vielen Ländern der Erde den Menschen Zuflucht gewähren, deren
Leben in Gefahr ist.
Es ist ebenso not – wendig, dass wir uns in den Ländern engagieren, in denen Korruption, ungerechte Wirtschaftsstrukturen sowie politisches Versagen vorherrschen, wo es keine sozialen Sicherungssysteme gibt und Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie sich ein besseres, lebenswerteres Leben in Europa erhoffen. Dabei sollte es uns nicht nur um unseren eigenen wirtschaftlichen Vorteil gehen!
Es ist aber auch not – wendig, dass wir den Gründen nachgehen, warum es in unserem Land immer noch völkisches Denken und Rassismus gibt, der sich z.B. auf Facebook so äußert: „… und ??? soll ich jetzt Mitleid haben ??? 70 weniger, die auf unsere Kosten leben ...“ oder „abschieben ist scheisse abknallen ist die richtige lössung …“ oder „Züge füllen und direkt in die Gaskammern“ oder auch „Erschießen spart Steuergelder“ usw. Solche unmenschlichen Aussagen finden über die sozialen Medien leider weite Verbreitung und werden von den Betreibern solcher Netzwerke nicht gelöscht.
Wie gesagt: Es ist not – wendig, dass wir den Gründen nachgehen, warum es in unserem Land immer noch nationalistisches Gedankengut gibt – zwar in der gesamten Republik, auch in unserer Nähe, aber leider vermehrt in den neuen Bundesländern. Genau dazu machen sich derzeit kluge, verantwortungsbewusste Menschen Gedanken.
In einem Artikel habe ich gelesen, dass sich „in
manchen ländlichen Regionen zwischen Rostock und Radebeul bei einer Minderheit
ein Nationalbewusstsein gebildet“ habe, das sehr völkisch sei. „Weder
die Niederlage nach 1945 und die Spaltung des Landes, noch die Herrschaft des
Sozialismus haben diese Volkstumsidee“ gemindert. „Im Gegenteil, sie gehört ungebrochen zum alten Geist der DDR“.
Man gedachte zwar der Verbrechen des Naziregimes, doch beschäftigte man sich
nicht mit der deutschen Schuld. Man tat nichts, um die rassistischen und
nationalistischen Phrasen der NS-Ideologie zu bekämpfen, die in der Bevölkerung
lebendig blieben.
In den Schulen ging es bis 1989 im Geschichtsunterricht nur oberflächlich um
den Mord an den Juden, an Polen, Homosexuellen und anderen Ausgestoßenen. Die
DDR-Pädagogik strebte danach, eine Art kollektives Bewusstsein zu schaffen, in
dem der Einzelne, der Fremde nichts zu suchen hatte.
Mit echten Ausländern kam kaum jemand in Kontakt. Frauen von russischen
Soldaten und vietnamesischen Vertragsarbeitern war es bis 1988 sogar verboten,
Kinder in der DDR zur Welt zu bringen. Wurden sie schwanger, standen sie vor
der Wahl zwischen Abtreibung und Abschiebung. Die Klassengemeinschaft der DDR
war und blieb eine Volksgemeinschaft, in der Fremdenfeindlichkeit verbreitet
war. Diese Spuren lassen sich bis heute wahrnehmen.
In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“ steht zu lesen: „Diese kollektive frühkindliche – atheistische – Umerziehung ist womöglich bis heute prägend. Wir sind ‚menschlich mitten in der Nacht angekommen‘, hat der künftige Berliner Erzbischof Heiner Koch gesagt. Das ist leider nicht übertrieben. Es ist Zeit aufzuwachen. Vor fünfundzwanzig Jahren haben Tausende mit Lichterketten die Nacht immerhin ein bisschen heller gemacht.“
Gerade weil es in
unserem Land immer noch völkisches Denken und Rassismus gibt und Rechte
wie Linke versuchen, aus der Not der Flüchtlinge politisches Kapital zu
schlagen – wie z.B. am Freitag zu
erleben war, als die „Antifaschistische
Aktion“ sich als Beschützer der Flüchtlinge gebärdete und den sächsischen
Innenminister vertrieb, deshalb ist es not – wendig, dass wir über alle
humanitäre Hilfe hinaus die geistige und geistliche Grundlage für das Zusammenleben der Menschen in
unserem Volk und damit die ethische und
moralische Haltung im Umgang miteinander in den Blick zu nehmen.
Deshalb ist es bemerkenswert, dass der thüringische Ministerpräsident bei
seinem Grußwort zum 21. Weltkongress der Religionswissenschaftler, der kürzlich
in Erfurt stattfand, betonte, dass die Aufgabe der Welterklärung durch die
Religionswissenschaften heute wichtiger sei denn je, und dass Religion „Toleranz und gegenseitige Akzeptanz fördern“
könne.
Es ist deshalb eine sehr aktuelle Wegweisung, die uns die
biblischen Texte dieses Sonntags schenken. Die alt- wie die neutestamentliche
Lesung stimmen überein mit der Botschaft Jesu, die der Evangelist Markus
festgehalten hat. Deshalb genügt es, die Mahnung in Erinnerung zu bringen, die
Mose seinem Volk ans Herz legte, und zwar genau zu dem Zeitpunkt als es gegen
Gott aufbegehrte:
„Israel,
höre die Gesetze und Rechtsvorschriften, die ich euch zu halten lehre. Hört,
und ihr werdet leben, ihr werdet in das Land, das der Herr, der Gott eurer
Väter, euch gibt, hineinziehen und es in Besitz nehmen. … Ihr sollt auf sie
achten und sollt sie halten. Denn darin besteht eure Weisheit …“
Damit hängt zusammen, wer und was das Denken der Menschen, ihr Innerstes, ihr Herz beeinflusst und prägt. Es wird deutlich, dass sich in der Geschichte eine völkische und rassistische Weltsicht verheerend ausgewirkt hat, und dass in unserer Epoche vielfach nur oberflächliche, aufs Diesseits, auf kurzfristigen Lebensgenuss gerichtete Denk- und Handlungsweisen bestimmend sind und Gott bei vielen aus dem Blickfeld geraten ist. Deshalb ist eine Umorientierung dringend notwendig, damit Gott wieder zur Richtschnur für Denken und Tun der Menschen wird und dadurch das Welt- und Menschenbild, sowie die Werte, die das Leben menschlich machen, zum Tragen kommen.
Wenn ich also lese: „71 Leichen aus Lkw geborgen – darunter Männer, Frauen und Kinder“, auch wenn das im konkreten Fall in Österreich passiert ist, dann möchte ich die Parole „Deutschland den Deutschen!“ ergänzen: „Deutschland den Deutschen und denen, die unsere Hilfe brauchen“, gerade wenn es darum geht, ihr Leben vor Terror, Krieg, Verfolgung und Unterdrückung zu schützen. Dadurch wird deutlich, dass wir ein beherztes Volk sind, das vom Geist Gottes und seiner Menschenfreundlichkeit geprägt ist.
Es ist wichtig, dass
wir unsere eigene Kultur pflegen, aber es kommt darauf an, in welcher Haltung.
Parolen helfen ebenso wenig weiter wie Menschenverachtung und Hass.
Wir können die Welt im Großen nicht schlagartig verändern, aber wir dürfen
darauf vertrauen, dass aus unserem Bemühen um fairen Umgang auch mit
Hilfesuchenden eine menschliche und lebensbejahende Haltung erwächst, die nach
und nach zu einem besseren Miteinander führt – in unserem Land und darüber
hinaus in der Welt.
Text zur Besinnung nach der Kommunion
Wenn es statt der Offenheit für dich, Gott,
um zur Schau gestellte Allwissenheit geht;
wenn es statt der Liebe zur Wahrheit
um das Nachbeten bekannter Formeln geht;
wenn es statt des Fragen nach Sinn
um vorlaute Besserwisserei geht;
wenn es statt der Suche nach Gerechtigkeit
um die Sicherung des Bestehenden geht;
wenn es statt der Sehnsucht nach Freiheit
um neue Formen der Knechtschaft geht;
wenn es statt deiner Perspektive
allein um die Sicht von Menschen geht,
dann bitten wir dich,
Gott:
Erlöse uns!