Mit einem Dank an die Stadt und ihren Oberbürgermeister begann die Vertreterversammlung des Diözesan-Caritasverbandes am Freitagnachmittag, 27. November. Der Ratssaal biete ausreichend Platz für das „Parlament der Caritas“, um auch unter der Anforderung angesichts der Corona-Pandemie gut und sicher tagen zu können, sagte Domkapitular Clemens Bieber. Zudem sei der Ratssaal ein würdiger Ort für Entscheidungen mit Tragweite.
Visionen sind gefragt
In seinem geistigen Impuls machte Domkapitular Bieber deutlich, dass allen Entscheidungen in der Kirche die Vision vorausgehen müsse, „was unsere Sendung ist.“ Das Bild des Malerpfarrers Sieger Köder „Der Seher von Patmos“ bringe dies in kräftigen Farben zum Ausdruck. „Die Vision vom himmlischen Jerusalem verbreitet Zuversicht und Geborgenheit. Die Stadt des Friedens liegt hinter schützenden Mauern, die durch zwölf Tore in alle Richtungen hin für die Menschen offen ist“, interpretierte Bieber das Kunstwerk und erklärte, dass die Liebe der Maßstab sei. „Als Kirche und Caritas haben wir eine Vision. Wir wollen hinwirken auf eine menschliche, auf eine solidarische Welt im Geist der Lebensbotschaft Gottes.“ Erst wenn dies in den Herzen der Verantwortlichen verinnerlicht sei, könne es um Struktur- und Geldfragen gehen.
Zwei zentrale Punkte galt es an diesem Nachmittag mit den anwesenden und per Internet zugeschalteten Vertreterinnen und Vertretern aus allen Gliederungen und Bereichen der Caritas zu besprechen, zu diskutieren und schließlich auch verbindlich abzustimmen: Wie kann die Caritas in der Diözese Würzburg auch unter immensem finanziellen Druck ihren Dienst für die Menschen erbringen, und wie muss sie, angesichts des bevorstehenden Stellenwechsels der Caritasdirektorin, ihre Satzungsstrukturen anpassen, um nahtlos handlungsfähig zu bleiben.
Änderungen in der Verbandssatzung
Der Caritasverband für die Diözese Würzburg ist als gemeinnütziger eingetragener Verein mit entsprechender Satzung konzipiert. Seine Geschäfte werden bislang von einem zwei- bzw. dreiköpfigen Vorstand geführt. Der Vorsitzende der Personalkommission Hans Dieter Arnold stellte die Änderungsvorschläge aus dem Caritasrat vor und erläuterte die Notwendigkeit einer Anpassung der Satzung. Angesichts der finanziellen Lage sei es angebracht, vorübergehend mit einem einköpfigen Vorstand zu arbeiten, so Arnold. „Die Möglichkeit, den Vorstand mit einem Caritasdirektor zu erweitern, bleibt bestehen.“
Viele Detailfragen wurden diskutiert und erläutert. In der Sache waren sich die Anwesenden indes schnell einig. Fast einmütig wurden die Änderungen durch die Vertreterinnen und Vertreter angenommen. Die Satzung werde nun den Weg zur Eintragung ins Register nehmen, erläuterte Angela M. Lixfeld, Leiterin der Abteilung Verband und Entwicklung. „Wir hoffen auf zügige Umsetzung, damit wir ab Februar 2021 weiterhin rechtlich handlungsfähig sein werden.“
Kritische Finanzlage
Mehr als 600 Mio. Euro werden in den etwa 900 Diensten und Einrichtungen der unterfränkischen Caritas jährlich umgesetzt. „17.600 Frauen und Männer stehen beruflich im Dienst der Caritas“, konstatierte Manfred Steigerwald, Leiter der Abteilung Personal und Finanzen. Knapp 25 Mio. Euro des Umsatzes, umgerechnet 4 Prozent, stammen aus der Kirchensteuer. „Dieser Betrag ist entscheidend“, unterstrich Domkapitular Clemens Bieber. „Das ist der Hebelarm, mit dem das große Rad der vielfältigen Hilfen bewegt wird, zum Beispiel mit Kitas, Jugendhilfe-, Behinderten-, Senioreneinrichtungen und Beratungsdiensten.“ Schon seit Jahren sei man bemüht, an der Spitze des Verbandes Stellen und damit Gelder einzusparen bzw. Synergien zu schaffen. Die vielfältigen Dienste werden durch eine sehr schlanke Struktur in Verwaltung, Fachberatung und Unterstützungsleistungen für die subsidiären Träger sowie Qualitätssicherung durch Fortbildung entlastet. „Dieser Prozess des Einsparens lässt sich nicht beliebig fortführen“, so Bieber. Wer jetzt fordere, die Caritas möge erneut 20 Prozent einsparen, schwäche nachhaltig den sozialen Arm der Kirche.
Haushalt 2020
„Uns fehlen zehn Millionen Euro im laufenden Haushalt“, erklärte Manfred Steigerwald. Diese seien durch den Bistumshaushalt für das Jahr 2020 zugesagt gewesen, tatsächlich aber noch nicht zugewiesen worden. „Die gewaltige Lücke konnten wir nur durch den Griff auf zweckgebundene Rücklagen schließen“, erklärte der Finanzfachmann. Das sei zwar rechtlich möglich, aber ökonomisch nicht klug, denn mit diesen Mitteln sollten ursprünglich langfristige Kredite bedient und anstehende Sanierungen finanziert werden. Derartige Rücklagen seien kein Geschenk, „sondern wurden hart erarbeitet.“
Die Vertreterversammlung gab mit großer Mehrheit die Zustimmung zum Nachtragshaushalt, der nun mit einem Verlust von ca. 7 Millionen Euro für den DiCV abschließen wird.
„Das ist nicht hinnehmbar“
Mehrere Mitglieder der Vertreterversammlung bezeichneten das Agieren der bischöflichen Finanzkammer als nicht hinnehmbar. Rechnerisch handle es sich um eine Kürzung von 50 Prozent der Haushaltsmittel. „Wir dürfen und können das nicht achselzuckend akzeptieren“, hieß es aus der Finanzkommission des Caritasrates. Mit großer Mehrheit verabschiedete die Vertreterversammlung deshalb eine Resolution, um einerseits ihr Erstaunen über diese Finanzpolitik zum Ausdruck zu bringen und anderseits mehr Transparenz einzufordern. Caritasrat und Vorstand wurden angehalten, erneut das Gespräch mit dem Bischof, der Finanzkammer und schließlich auch mit dem Diözesankirchensteuerausschuss zu suchen.
Stellvertretend für die Orts- und Kreisverbände dankten Geschäftsführerin Angelika Ochs und Geschäftsführer Stefan Weber für die Zuverlässigkeit des Diözesanverbandes. „Wir sind froh, dass der DiCV Würzburg seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Orts- und Kreisverbänden bislang uneingeschränkt nachgekommen ist.“
Haushalt 2021
Mit großer Sorge schaue der Diözesanverband auf das nächste Jahr, sagte Manfred Steigerwald. „Wir hatten für die gesamte Caritas im Bistum Würzburg 21 Mio. Euro beantragt. Darin waren bereits Einsparungen unsererseits eingeplant sowie die Tarifsteigerungen. Aber das Signal ist, dass wir letztlich mindestens 3,5 Mio. Euro weniger für den nächsten Haushalt erhalten werden.“ Das könne der DiCV nicht allein tragen. „Das geht nur mit massiven Veränderungen im gesamten Verband, letztlich zu Lasten der Beratung und Unterstützung der angeschlossenen Träger und damit der Qualität der Caritasarbeit im Bistum insgesamt.“ Daneben müssten aber auch die angeschlossenen Verbände Einsparungen von jeweils 20 Prozent vornehmen.
Visionen für die Zukunft
In zahlreichen Wortbeiträgen wurde deutlich, dass sich die Kirche von Würzburg entscheiden müsse, wie bzw. mit welchen Diensten sie sich für die Menschen engagieren wolle. „Die Armut in unserem Land wird zunehmen“, meinte Barbara Stamm, Ehrenvorsitzende des Caritasverbandes. Die Caritas habe gerade in der Pandemie gezeigt, dass die Kirche für die Menschen da ist. Nun komme es auch darauf an, dass die Kirche einen Rettungsschirm für ihre Caritas bereithalte, statt über die Maßen zu kürzen. „Unser Bischof setzt in seinen Stellungnahmen klare Signale für die Bedeutung der Caritas.“
Licht und Zuversicht
Domkapitular Clemens Bieber dankte für die engagierte und konstruktive Diskussion und die wegweisenden Entscheidungen. „Wir alle brauchen in diesen Tagen ein Licht, um nicht zu verzagen“, schloss Bieber die Zusammenkunft und wünschte eine gesegnete Adventszeit.
Sebastian Schoknecht