Die Predigt im Wortaut:
„Weniger arbeiten bei
vollem Lohnausgleich!“ Immer wieder erheben Gewerkschaften und einzelne
Parteien solche Forderungen in der Hoffnung, dadurch Zustimmung zu gewinnen.
Mehr und mehr Menschen haben aber inzwischen erkannt, dass es nicht möglich ist,
wenig zu arbeiten und viel zu verdienen.
Ebenso zeigte sich in der internationalen Finanzmarktkrise und der Erschütterung
der Finanzwelt, dass sich die unrealistischen Investment- und
Hypothekengeschäfte, die auf wertlosen Immobilien gründen, auf Dauer nicht
rechnen. Viele Kleinaktionäre, die durch erhoffte hohe Kurssteigerungen auf die
Schnelle ihr Geld um ein Vielfaches vermehren wollten, haben dadurch letztlich
viel, zum Teil alles verloren.
Umso verwunderlicher ist, dass einige aus der Finanzkrise nichts gelernt zu
haben scheinen und wieder den Verlockungen schneller und besonders großer
Gewinne erliegen.
Kurzum: Jeder Lohn setzt eine gleichwertige Arbeit, einen entsprechenden
Einsatz voraus.
Allerdings gibt es in unserer Gesellschaft Kreise, die sich über die zurückliegenden Jahrzehnte hinweg an ein vergleichsweise hohes, teilweise sogar sehr hohes Einkommensniveau gewöhnt und deshalb keinen Blick mehr haben für Menschen mit weit geringeren Chancen. Das führt dazu, dass sie jeden noch so kleinen Abstrich bei sich selbst als schrecklichen Verlust empfinden. In der Diskussion mit einem gewiss sehr engagierten Unternehmer klagte dieser, dass er im vorausgegangenen Jahr eine Million Euro Verlust hatte. Bei meinem Nachhaken kam aber dann heraus, dass er nicht mehr fünf wie im Vorjahr, sondern nur noch vier Millionen Gewinn hatte. Solche Menschen sehen nicht mehr, wie ihre Forderungen letztlich sogar zu Lasten der Allgemeinheit, zu Lasten vieler Menschen gehen, die weit weniger haben als sie.
Auch die aktuellen Debatten um Flüchtlinge, die aus umkämpften und von Terror überzogenen Krisenregionen dieser Erde bei uns Zuflucht suchen, sind oftmals ein Hinweis für den verengten Blick, bei dem nur die eigene Situation gesehen wird und die Angst vorherrscht, etwas abgeben oder teilen zu müssen. Doch wir müssen uns immer vor Augen halten, es geht dabei um Menschen, deren Leben bedroht bzw. in höchster Gefahr war und ist, und die deshalb alles, ihr ganzes Hab und Gut, zurückließen; es sind Menschen, die vertrieben wurden und Schreckliches erleben und erleiden mussten. Obwohl sie hier bei uns in Sicherheit sind, erschrecken sie sei manchen Geräuschen zu Tode und wenn sie nachts die Augen zumachen, haben sie Bilder vor Augen, die sie ein Leben lang verfolgen werden.
Genau an diesem Punkt möchte ich unsere Aufmerksamkeit auf das heutige Evangelium lenken. Das Murren der Arbeiter, von denen wir gehört haben, ist sehr interessant, ja sogar höchst aktuell. Sie hatten den ganzen Tag über gearbeitet. Am Abend erhielten sie den vereinbarten Denar und mussten dann mit ansehen, dass diejenigen, die nur eine Stunde gearbeitet hatten, den gleichen Lohn bekamen.
Um die scheinbare Ungerechtigkeit des Gutsbesitzers beurteilen zu können, muss
man wissen, dass ein Denar zur Zeit Jesu in Palästina der Arbeitslohn für einen
Tag war und ausreichte, damit eine Familie einen Tag leben konnte. Es war also
ein gerechter Lohn, weil er jedem der Arbeiter das Leben für einen Tag sicherte.
Das Problem, das im Evangelium deutlich wird, entsteht dadurch, dass einige
meinen, mehr als üblich und notwendig bzw. mehr als andere haben zu müssen.
Jesus geht es in seinem Gleichnis jedoch nicht um ökonomische Prinzipien. Er will vielmehr aufzeigen, wie wir Menschen uns gewöhnlich verhalten: Wir sind leistungsorientiert, berechnend, wir fragen in vielen Situationen: „Was springt für mich heraus?“ Wir sind auf den eigenen Vorteil, auf Profit bedacht und häufig voller Neid, wenn andere sich mehr leisten können.
Deshalb macht Jesus deutlich, dass dieses ökonomische, wirtschaftliche, berechnende Denken unser ganzes Leben zutiefst prägt, auch unseren Umgang miteinander und sogar unsere Vorstellungen von Gott.
Vom Gleichnis Jesu aus stellen sich deshalb folgende Fragen:
- Bin ich ein Mensch, der im Umgang mit anderen nur vergleicht und berechnend ist?
- Bin ich ein Mensch, der sogar Gott vorschreiben will,
wie er sich zu verhalten hat,
ein Mensch, der Gott vorrechnet, wie er zu rechnen und abzurechnen hat? - Bin ich ein Mensch, der stur auf sein Recht pocht, wobei dann kein Platz mehr bleibt für Erbarmen und Liebe?
Das Gleichnis hat auch einen biographischen Hintergrund: Jesus erlebt, wie SEINE Art sich zu verhalten, wie SEIN Umgang mit den Menschen Anstoß erregt, weil ER sich mit Zöllnern und Sündern abgibt und Mahl mit ihnen hält. Ebenso erleben wir derzeit, dass das Engagement von Bischof Friedhelm und unserer Diözese in der Sorge um Flüchtlinge und Asylbewerber nicht nur auf Zustimmung stößt, sondern auch Kritik und Ablehnung erfährt oder zynisch kommentiert wird. Zum Teil wird mit formalen Gründen versucht zu erklären, warum nicht geholfen werden kann bzw. sollte.
Doch das ist nichts Neues. In der jungen Kirche gab es unter den ersten Christen ähnliche Konflikte. Da gab es Christen, die ursprünglich Juden waren, und Heidenchristen, die erst später zur christlichen Gemeinde gestoßen sind. Im wahrsten Sinne des Wortes sind da unterschiedliche Welten und Kulturen aufeinandergestoßen.
Deswegen erinnert der Evangelist Matthäus seine Gemeinde daran, dass Jesus
nicht müde wurde, immer wieder auf die Menschen zuzugehen, ihnen Gott als
liebenden und sorgenden Vater zu bezeugen und sie in SEINE Nachfolge zu rufen.
ER will mit dem Gleichnis ein für allemal klarstellen, dass Gott jedem gerecht
wird und jedem zum Leben verhilft. SEINE Gerechtigkeit zeigt sich in SEINER Güte und Barmherzigkeit und gilt allen gleichermaßen.
Das Gleichnis macht im Blick auf die Nachfolge Jesu aber auch klar, dass mir nichts verloren geht, wenn auch andere die Menschenfreundlichkeit Gottes erfahren und vielleicht gerade dadurch den Weg zu Gott entdecken und mitarbeiten im Weinberg Gottes und mitwirken am Aufbau einer gerechten und friedvollen Welt.
Therese von Lisieux hat einmal gesagt: „Gott kann nicht rechnen.“ Gott sei Dank, möchte ich meinen! Weil ich von Gott ebenso geliebt bin wie jede und jeder andere, deshalb ist bei ihm kein Platz für Neid und Vorteilsdenken und schon gar nicht für Ablehnung aus ökonomischen Gründen.
Durch seine außergewöhnlichen Beispiele und Gleichnisse möchte er uns ans Herz legen, auch untereinander einen barmherzigen Umgangsstil zu pflegen. Wenn ein Mensch spürt, dass er angenommen und bejaht wird, findet er zu einem neuen Anfang, zum einem besseren Leben mit Gott.
„Weniger arbeiten bei vollem Lohnausgleich!“, das scheint erstrebenswert, aber diese Rechnung geht letztlich nicht auf. Jesus zeigt uns im Gleichnis, dass gutes Leben nicht durch Geld, Profit und materiellen Gewinn zu erreichen ist.
Ein Mensch findet zu einem erfüllten und zufriedenen Leben, wenn er die
Einladung Gottes erfährt und ihr folgt.
Hoffentlich nehmen wir selbst SEINE Einladung wirklich an und geben sie dann
beherzt an andere Menschen weiter!
Text zur Besinnung nach der Kommunion
Sonntagsgottesdienst
schreibt Lothar Zenetti in seinem Gedicht
Ich will ja nichts als
hören das Wort, das einzige,
das mich lebendig macht,
das mich befreit, und
um mich sehen Menschen,
die daran glauben, so wie ich.
Ich will ja nichts als
meine Knie beugen vor
dem Geheimnis des Glaubens,
nichts als ausstrecken
meine Hand und öffnen
meinen Mund und essen das Heil.
Ich will ja nichts als
auf mich nehmen das Kreuz,
das der Segen uns auferlegt
für sieben neue Tage
und gehen dann, ein
kleiner Friede auf zwei Beinen.