Ein junger Mann aus Afghanistan läuft am Montagabend in einem Regionalzug auf der Fahrt nach Würzburg mit einer Axt Amok und verletzt vier Menschen schwer. In Notwehr wird der 17-jährige schließlich von Polizisten erschossen. Vieles hat sich durch dieses tragische Ereignis verändert, auch für jene jungen Frauen und Männer, die wirklich ankommen wollen und auf eine friedliche und glückliche Zukunft in Deutschland hoffen. Sie haben ihre Heimat nicht freiwillig verlassen; chaotisch sind die Zustände in Afghanistan, Syrien und Äthiopien. Krieg, Terror und Gewalt, Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit sind die treibenden Kräfte. Deutschland war und ist ihre große Hoffnung.
Drei hoffnungsvolle Beispiele
Ismael (20) stammt aus Afghanistan. Weil’s doch ein Landsmann gewesen sei, schäme er sich sehr, sagt er und kann gar nicht richtig begreifen, was da am Montag in Heidingsfeld passiert ist. Groß sind seine Hoffnungen und sehr konkret seine Pläne. Dank des Integrationsprojektes von Caritas-Don Bosco Berufsbildungswerk und Bundesagentur für Arbeit hat Ismael einen Ausbildungsplatz gefunden. Ab Herbst, dann ist sein Praktikum in einem kleinen Würzburger Unternehmen beendet, macht er sich im selben Betrieb auf den Weg, um Bürokaufmann zu werden. Dass das ein echter Glücksfall ist, weiß auch Projektleiterin Barbara Stehmann zu berichten. So groß die Herausforderungen auch sind, die zwanzig jungen Leute, die sie noch bis September betreut, sind der studierten Sozialpädagogin und engagierten Caritas-Frau merklich ans Herz gewachsen.
Deutschkurse und verschiedene Praktika eröffnen den jungen Leuten vielfältige Einblicke in die hiesige Arbeitswelt. Etsegenet (21) floh vor Jahren aus Äthiopien. Ihre große Hoffnung: Pflegefachhelferin oder Sozialbetreuerin in einem Altenheim, da werde sie gebraucht. Auch Etsegenet hat schnell begriffen, dass das Beherrschen der Sprache der entscheidende Schlüssel zum Erfolg ist. Da bräuchte es noch mehr Angebote, ist die junge Frau sich sicher.
Yousef wird im August 24. Am liebsten würde er mal was im Elektro- oder Elektronikbereich machen, das wurde ihm im Projekt bei Don Bosco klar, aber zuvor setzt er seine Hoffnungen auf die Berufsintegrationsklasse an der Würzburger Franz-Obertür-Schule. Das Projekt bei Don Bosco sei sehr gut, sagt der junge Mann aus Syrien. Alle hätten sehr viel gelernt. Deutschland ist ganz anders als Afghanistan oder Syrien und auch anders als gedacht.
„Wir haben uns mit jedem Teilnehmer eingehend befasst“, betont Christoph Rimke vom Psychologischen Dienst und erläutert das aufwendige Verfahren zur Diagnostik. Da gehe es um die Erfahrungen von Vertreibung und Flucht und um das Leben in einer fremden Umgebung. Auch die Attacke eines jungen Flüchtlings am Montagabend wurde wieder und wieder besprochen, weil das die Teilnehmer des Projektes bewege.
Barbara Stehmann weiß, dass dieses achtmonatige Pilotprojekt nur ein Beitrag sein kann in der Reihe vielfältiger Anstrengungen, um jene Menschen, die bei uns Zuflucht, Heimat und Zukunft suchen, erfolgreich zu integrieren. Große Hoffnungen hätten die jungen Leute in das Projekt und die Verantwortlichen gesetzt, berichtet Stehmann, die sollten nicht enttäuscht werden. Einmal mehr bestätigt sich, dass die Frauen und Männer hoch motiviert sind und etwas erreichen wollen. „Die Freiheit ist ein Segen“, habe einer der Teilnehmer an die Tafel geschrieben, berichtete Stehmann. „Das ist der große Wert, den wir alle miteinander teilen.“
Anerkennung für das Projekt
Landtagspräsidentin Barbara Stamm, zugleich auch Zweite Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg und Dr. Markus Schmitz von der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit sehen es ähnlich. Sie besuchten am Freitag das Projekt am Würzburger Schottenanger und unterstrichen, dass die jungen Flüchtlinge keine homogene Gruppe darstellten, sondern idealerweise jeder Einzelfall in den Blick genommen werden müsse, damit Integration gelingen könne. Stamm wünschte sich ausdrücklich eine Versachlichung der aufgeheizten Debatte um das Integrationsgesetz.
„Wir müssen immer mal etwas wagen, etwas ausprobieren“, meinte Dr. Schmitz und zeigte sich dankbar für die gute Zusammenarbeit mit erfahrenen und starken Partnern in den Regionen. Ausdrücklich lobte er die Zusammenarbeit mit der Caritas und dem Berufsbildungswerk. „Gleichzeitig brauchen wir Geduld. Da kommen nicht die Fachkräfte von heute oder morgen, sondern von übermorgen“, unterstrich Schmitz, denn bis zum Berufsabschluss brauche es nun einmal sieben, acht oder gar neun Jahre.
Ein funktionierendes Netzwerk
Domkapitular Clemens Bieber unterstrich die enorme Bedeutung funktionierender Netzwerke. Würzburg sei in dieser Hinsicht vorbildlich. „Ich denke an die gute Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, mit der Handwerkskammer und den anderen Trägern der Freien Wohlfahrtspflege“.
Das Projekt „Aktivierungshilfe für junge geflüchtete Menschen mit Traumaerfahrung“ am Caritas-Don Bosco Berufsbildungswerk begann am 1. Februar und läuft bis zum 30. September 2016. Pro Teilnehmer wird es durch die Bundesagentur für Arbeit mit 930 Euro gefördert und aus Mitteln der Caritasstiftung Würzburg mit weiteren 350 Euro kofinanziert.