Es ist Mai, aber es ist regnerisch und kalt. Georg Sperrle, Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH, hat an diesem Mittwochmorgen zum Hintergrundgespräch ins neue Bischof-Scheele-Haus eingeladen. Kein Geheimnis: Im sozialen Bereich fehlen Fach- und Arbeitskräfte, in der Pflege ganz besonders. Sperrle, selbst examinierter Krankenpfleger, sieht die Probleme, die, die schon da sind und die, die erst noch kommen werden. „Uns fehlen im Land die jungen Leute an allen Ecken und Enden, und die Bevölkerung wird älter. Der Bedarf an Pflege und der Mangel an Mitarbeitern wird sich enorm erhöhen.“ Sperrle zitiert Studien, die vor einer sozialen Katastrophe warnen, wenn sich nichts ändert. Jammern gehört jedoch nicht zu seinem Repertoire. „Wenn andere Probleme sehen, finden wir als Caritas Lösungen.“
Pflege ist international
Die Pflege sei längst international, so Sperrle. In den 13 Häusern der Caritas-Einrichtungen gGmbH, gebe es schon lange Fach- und Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund. „Wir führen da keine Statistik“, sagt Sperrle und verweist auf engagierte Fachkräfte aus Ost- und Südosteuropa. „Wir haben eine wunderbare Praxisanleiterin, die vor vielen Jahren aus Peru kam und uns nun sehr gut im Spanischen hilft.“
Das Mexikoprojekt
Im Bischof-Scheele-Haus arbeiten seit April Xanat Castro und Hector Rodriguez. Sie sind schon lange befreundet, haben in Veracruz, einer Großstadt in Mexiko, Pflege studiert und im Zentralkrankenhaus gearbeitet. Über das Internet erfuhren die jungen Leute, dass sie in Deutschland gebraucht würden und entschlossen sich zum Schritt in eine neue Welt. „Deutschland bietet große Chancen“, sagt Hector Rodrigouez. In Mexiko hätten sie lediglich 600 Euro im Monat verdient bei einer Sechstagewoche. „Wir wollen helfen, Geld verdienen und Deutschland und Europa kennenlernen“, sagt Xanat Castro. Ein wenig Geld würden sie auch an die Familie in der Heimat schicken.
Sperrle ist dankbar für die Leute aus Mexiko. Zwei weitere Kollegen würden im Haus St. Hedwig in Veitshöchheim arbeiten und dazu beitragen, dass Pflegeplätze auch vergeben werden können. „Der Bedarf ist da, die Plätze sind es auch, aber es fehlt das Personal“, sagt Sperrle und verweist auf drohende Schieflagen, wenn Häuser nicht ausreichend ausgelastet seien. Immer wieder würden die Medien über Insolvenzen berichten. „Das ist besonders schlimm für Bewohnerinnen und Bewohner und für die Angehörigen. Wir sind auf die internationalen Pflegekräfte angewiesen.“
Der Aufwand sei allerdings gewaltig, erläutert der CEG-Geschäftsführer und lobt ausdrücklich die Geduld und Beharrlichkeit seiner Fachleute. „Pflegekräfte nach Deutschland zu holen, kostet immens viel Zeit, Geld und Nerven.“ Pflegerin Castro und Pfleger Rodriguez haben in ihrem Heimatland das Deutschzertifikat B1 absolviert und mussten dann gut ein Jahr warten, bis sie einreisen konnten. „Die Unterlagen werden an zuständige Behörden mit der Post verschickt, und das in Zeiten der Digitalisierung.“ Sperrle wünscht sich ein einfacheres, schnelleres und vom Staat gefördertes Verfahren.
„Ohne Anwerbungen geht es nicht.“
Dass er nicht aufgibt, zeigen anstehende Pläne für Häuser der CEG in anderen unterfränkischen Landkreisen. „Im Herbst holen wir zehn Leute von den Philippinen, im Winter dann dreizehn aus Indien.“ Und dann gäbe es noch Projekte, über die er zum jetzigen Zeitpunkt nichts sage, weil noch nicht alles in trockenen Tüchern sei. „Ohne Anwerbungen geht es nicht.“
Xanat Castro und Hector Rodriguez leben in einer Wohnung, die ihnen die CEG organisiert hat. „Bezahlbarer Wohnraum ist eine echte Herausforderung. Das weiß jeder.“, meint Sperrle und appelliert auch an die Kommunen, sich mehr unterstützend einzubringen. Die neuen Pflegekräfte absolvieren einen Deutschkurs bei Kolping, der sie auf das Sprachniveau B2 bringen wird und sind zufrieden, auch wenn sich immer mal wieder Heimweh einstelle.
Natürlich gebe es Unterschiede zwischen der Pflege in einem Krankenhaus in Mexiko und der stationären Altenhilfe in Deutschland. „In Mexiko waren wir viel medizinischer aktiv“, erklärt Xanat Castro. Im Bischof-Scheele-Haus gehe es um Grundpflege, Menschen waschen, anziehen, mobilisieren. Aber das passe schon. „Alle geben sich viel Mühe mit uns und sind freundlich.“ Leider sei es viel zu kalt und regnerisch in Deutschland, meint Rodriguez. „Und das Essen in Mexiko ist besser“, schiebt Freundin Xanat hinterher. Aber das sei nicht so schlimm. Sie wünschen sich mehr Kontakte und mehr Feste. Sperrle und sein Team helfen bei der Integration, geben Tipps und Adressen weiter, vermitteln zu Vereinen und Kirchengemeinden, wenn es gewünscht wird. „Wir wollen, dass sich die internationalen Pflegekräfte wohlfühlen bei uns“, sagt Sperrle und versichert: „Ohne Euch geht es nicht.“
Voneinander lernen
„Wir achten darauf, dass wir nur dort Menschen anwerben, wo es ausreichend Fachkräfte gibt“, unterstreicht Sperrle. Mexiko sei ein junges Land, dem mit der Kampagne nichts weggenommen werde. „Und wir brauchen die Leute so dringend in der stationären und in der ambulanten Pflege. Sie sind fachlich und mit ihrer kulturellen Herkunft eine echte Bereicherung, weil wir alle voneinander etwas lernen können.“
Sebastian Schoknecht