„Dieses Schild nennen viele das Spiegelei“, eröffnet Elmar Heinrich, Polizeihauptkommissar von der Inspektion Würzburg Stadt, schmunzelnd das Fahrradtraining und zeigt im aufgebauten Schilderwald auf das viereckige Verkehrszeichen „Vorfahrtstraße“. Ihm und seinem Kollegen, Polizeihauptmeister Wolfgang Hartmann, lauschen heute etwa zehn junge Männer aus Ostafrika.
Tatsächlich gibt es im großen Hof der alten Kasernenanlage in der Veitshöchheimer Straße 100 einen Platz zur Verkehrserziehung. Auf dem grauen Asphalt sind Straßen, Kreuzungen, ein Fußgängerüberweg und sogar ein Kreisverkehr eingezeichnet. Heinrich und Hartmann haben Stopp- und Einbahnstraßenschilder, Vorfahrts- und andere Zeichen aufgestellt. Doch bevor es für die Männer aus Äthiopien, Somalia und dem Sudan auf die Miniaturstraßen geht, erklären die Fachleute Grundsätzliches: Handzeichen beim Abbiegen geben; Licht einschalten, wenn es dämmert und einen Helm zur eigenen Sicherheit tragen, auch wenn das gesetzlich nicht vorgeschrieben ist.
Safety first
Dank einer Spende des Vereins „Standpunkt e. V.“ sind die Männer gut ausgerüstet. Auch die Übungsfahrräder, die vom Caritasprojekt „Rad & Tat“ bereitgestellt wurden, werden einer genauen Inspektion unterzogen.
Elmar Heinrich erklärt Rücktritt, Handbremsen und Beleuchtung. „Diese orangefarbenen Teile in den Speichen nennen wir hier Katzenaugen, weil sie das Licht reflektieren wie bei Katzen in der Dunkelheit.“
Doch dann geht es richtig los. Ahmed und die anderen Bewohner, die sich zum Training eingefunden haben, steigen auf die Räder und drehen ihre Runden. Die Beamten, ansonsten unterwegs an Würzburgs Grundschulen, geben Hinweise und beantworten jede Menge Fragen. Wie geht die Rechts-vor-links-Regelung? Wer hat im Kreisverkehr eigentlich Vorfahrt?
Wohlwollend stehen Rainer Jäckel und seine Mitstreiterin in der Asylberatung der Caritas, Julia Seeber, am Rand und schauen zu. „Die Bewohner sind viel mit dem Rad unterwegs“, meint Jäckel, „denn Busfahren kostet Geld, und die GU ist ziemlich abgelegen.“ Wir hatten einen Bewohner, der fuhr jeden Tag mit dem Rad zu seinem Job nach Dettelbach, denn nach Feierabend gibt es da keinen Bus mehr“, fügt Seeber hinzu. Auch Hans Madinger, Koordinator für das Caritas-Projekt „Rad & Tat“, ist sichtlich zufrieden an diesem Frühlingstag. „Wir geben den Leuten verkehrssichere Fahrräder an die Hand. Da ist es uns wichtig, dass sie sich auch mit den Regeln auskennen.“
Klar könnten sie gut Fahrradfahren, meinten die Männer, aber die Stunde auf dem Übungsplatz sei sehr lehrreich und gut gewesen, denn Deutschland sei ein wenig kompliziert und mit vielen Regeln versehen. „Die Polizisten hier sind anders als bei uns“, sagt Ahmed zum Schluss. „Die sind wirklich hilfsbereit und freundlich.“
Sebastian Schoknecht