Würzburgs Caritasdirektorin Pia Theresia Franke begrüßte am Mittwoch, 18. Dezember, im Rahmen der Segnung hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der bayerischen Justiz, Verantwortliche aus Politik, Kirche und Caritas aus dem Bistum Würzburg und dem Erzbistum Bamberg in den neuen Räumen der Fachambulanz für Sexual- und Gewaltstraftäter im oberfränkischen Kulmbach. „Wir sehen im großen Zustrom zu dieser Feier ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für die Arbeit der Caritas auf dem Gebiet der Resozialisierung von Sexual- und Gewaltstraftätern“, so Franke. Ausdrücklich dankte Würzburgs Caritasdirektorin für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Justiz und den Behörden. Ein besonderer Dank gelte auch dem Erzbistum Bamberg, auf dessen Gebiet die Außenstelle angesiedelt sei. „Heute gilt mein besonderer Dank Frau Anna Goesmann. Sie haben sich seit 2010 große Verdienste am Konzept, dem Aufbau und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Psychotherapeutischen Fachambulanz erworben.“ Franke erinnerte an die Anfänge in Würzburg und an Widerstände, die durch die große Unterstützung durch Bischof Friedhelm Hofmann und Landtagspräsidentin Barbara Stamm überwunden werden konnten. „Bischof Friedhelm vertrat konsequent die Auffassung, dass sowohl den Opfern schwerer Straftaten wie auch den Tätern geholfen werden müsse“, rief Franke in Erinnerung. Bis heute bestehe übereinstimmend Einigkeit im Grundsatz, dass die Resozialisierung durch ambulante Nachsorge ein erfolgreicher Weg sei, um neue Straftaten und damit Opfer zu verhindern.
„Morgen sind sie unsere Nachbarn“
Für die bayerische Justiz sprach Ministerialdirektor Prof. Dr. Frank Arloth ein Grußwort. „Die drei Fachambulanzen in Bayern und ihre Außenstellen sind Meilensteine der Nachsorge und Begleitung. Jede erfolgreiche Therapie ist besser als eine rein technische Kontrolle haftentlassener Straftäter.“ Mit der Außenstelle in Kulmbach biete man Menschen aus der Region die Möglichkeit, Hilfe noch leichter in Anspruch nehmen zu können, weil die weiten Wege nach Würzburg oder Nürnberg wegfielen. Arloth erinnerte an das Diktum „Morgen werden diese Menschen wieder unsere Nachbarn sein.“ Inzwischen zeige die Erfahrung, dass Täter Dank guter Therapie nicht Täter bleiben müssten. Das habe auch die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit in Würzburg, Nürnberg und München nochmals deutlich gemacht. Auch Arloth würdigte ausdrücklich den Einsatz von Landtagspräsidentin Barbara Stamm, ohne den es die Fachambulanz in Würzburg und deren Außenstelle in Kulmbach wohl nicht geben würde. „Meine besondere Anerkennung gilt der Leiterin dieser Einrichtung, Frau Anna Goesmann und dem ganzen Team. Wir wissen alle, dass es keine leichte Arbeit ist, die sie hier für die Gesellschaft leisten.“
Festhalten an der Subsidiarität
Die ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm unterstrich die Bedeutung des Prinzips der Subsidiarität: „Es ist gut, wenn der Staat an dieser Stelle danke sagt. Der Staat muss nicht alles selber machen, weil es hilfreiche und erfolgreiche Strukturen gibt.“ Außerdem zeige die Arbeit der Fachambulanz unter dem Dach der Caritas sehr deutlich, dass Caritas nicht nur soziale Arbeit, sondern ebenso die Pastoral und Seelsorge umfasse. „Die Arbeit, die nun auch in diesem Räumen in der Außenstelle Kulmbach geleistet wird, ist auch Seelsorge“, so Stamm. Sie wünsche sich noch mehr Einsatz aller Beteiligten im Bereich der Prävention. „Richtig ist: Wir müssen uns um die Täter kümmern, um weitere Opfer zu vermeiden. Dies geschieht hier in vorbildlicher Weise. Und als Verantwortliche in Politik und Justiz sollten wir öfter mal die Fachleute nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen fragen, bevor wir am runden Tisch Entscheidungen fällen.“ Stamm lobte das herausragende Engagement des gewachsenen Teams um Leiterin Anna Goesmann. „Sie, Frau Goesmann sind ein Juwel für die Caritas.“
Ein Raum der weißen Schleifen
Die Segnung nahm Bambergs Weihbischof Herwig Gössl vor. Gössl erinnerte mit einer Geschichte daran, dass jeder Mensch Chancen für einen Neubeginn brauche. „Ein Mann, der nach schwerer Straftat eine lange Haft zu verbüßen hatte, suchte kurz vor seiner Entlassung den Kontakt zur Familie und schrieb einen Brief. Er könne gut verstehen, wenn die Familie nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle, wenn aber doch die Chance auf einen Neubeginn bestehe, solle die Familie eine sichtbare weiße Schleife in den großen Birnbaum knoten, den er vom Zug aus sehen könne. Anderenfalls würde er am Bahnhof nicht aussteigen, sondern führe einfach am Heimatdorf vorbei.“ Weihbischof Gössl: „Kurz vor seinem Dorf schaute der Mann aufgeregt aus dem Fenster des Zuges. Er hat wohl mit allem gerechnet, aber dann sah er den großen Birnbaum nicht nur mit einer, sondern mit unzähligen weißen Schleifen geschmückt.“ Er sehe in der Kulmbacher Außenstelle einen solchen Raum voller weißer Schleifen, voller Chancen für Menschen, einen Neubeginn zu wagen. „Damit fängt die Arbeit aber erst richtig an“, so Bambergs Weihbischof. Wie könne ein Mensch wieder Fuß fassen in der Gesellschaft? Gössl würdigte den Dienst der Begleitung, den die Caritas aus dem christlichen Geist heraus erbringe. „Wir müssen mit den Menschen oftmals einen langen Atem haben und können dies, weil Gott mit seiner Menschheit einen langen Atem hat. Gott ist da, und er meint es gut mit uns.“ Gössl segnete ein Holzkreuz, die Räume der Außenstelle und schließlich auch die, die in ihr für die Menschen tätig sind. „Die ist ein Ort vieler weißer Schleifen.“
„Wir ziehen keine Täter an“
Schließlich ergriff auch Anna Goesmann als Leiterin der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Sexual- und Gewaltstraftäter das Wort, um aus Geschichte und Gegenwart der Einrichtung zu berichten. Gut 500 Klienten hätten in den zurückliegenden Jahren seit ihrer Eröffnung im Januar 2011 die Angebote der Fachambulanz in Anspruch genommen. Bislang seien 180 Therapien erfolgreich abgeschlossen worden, konstatierte Goesmann. Nennenswerte Rückfälle blieben die Ausnahme. Lediglich drei Fälle habe es bislang gegeben. Damit machte Goesmann deutlich, dass es keine hundertprozentige Sicherheit geben könne. „Gerade die Arbeit mit Gewaltstraftätern bleibt eine Herausforderung“, unterstrich die Therapeutin, denn Gewalt sei in gewisser Weise gesellschaftlich akzeptiert, ganz im Gegensatz zu Sexualstraftaten. Kritikern ihrer Arbeit hielt Goesmann entgegen: „Wir ziehen keine Straftäter an. Diese Menschen wurden mit Auflagen aus der Haft entlassen und leben mitten unter uns.“ Aufgabe sei es, sich dieser Menschen anzunehmen und ihnen Perspektiven für ein Leben ohne neue Straftaten aufzuzeigen. „Bevor wir mit einer Therapie beginnen können, geht es oftmals um die Wohnung, um Arbeit und Geld, um die Sicherung der Existenz.“ Goesmann dankte ihrem Team aus Psychologen, Sozialarbeitern und Verwaltungskräften, dem Oberlandesgericht Bamberg, in dessen Bereich die Fachambulanz tätig sei, den Verantwortlichen der Justiz, der Polizei und Bewährungshilfe und schließlich dem Träger der Einrichtung, dem Caritasverband für die Diözese Würzburg.
Mit einem kreativen Kurzfilm zeigte das Team, wie in Eigenleistung die neuen Räumlichkeiten in Kulmbach her- und eingerichtet wurden. Die Feier wurde ebenfalls vom Team vorbereitet und musikalisch umrahmt. So fehlte es beim anschließenden Empfang nicht an Worten der Anerkennung für den großartigen Einsatz.
Sebastian Schoknecht