Würzburg. Die zum 1. Juli in Kraft getretene Pflegeversicherungsreform sieht die Caritas mit gemischten Gefühlen. "Die Erhöhung der Pflegesätze war dringend nötig", so Georg Sperrle, Bereichsleiter ambulante Pflegedienste beim Diözesan-Caritasverband Würzburg. "Sie sind jedoch immer noch weit entfernt von der tatsächlichen Kostenentwicklung seit Einführung der Pflegeversicherung vor dreizehn Jahren".
Sperrle sieht durchaus den guten Willen der Politik. Zum 1. Juli erhalten Pflegebedürftige höhere Leistungen aus der Pflegeversicherung. Der Betrag für zusätzliche Betreuungsleistungen bei Demenzkranken wurde von 460 Euro pro Jahr auf maximal 2.400 Euro angehoben. Dieses Geld, so Sperrle, gibt es aber nur bei ausdrücklicher Beantragung. Daher empfiehlt er allen Betroffenen, die notwendigen Anträge bei den Pflegekassen zu stellen. Dass dementielle Menschen jetzt auch schon mit Pflegestufe 0 leistungsberechtigt sind, ist für Sperrle ebenfalls ein deutlicher Pluspunkt.
Besser geworden ist auch die Möglichkeit, ambulante Pflege und Tagespflege zu kombinieren. Nahm beispielsweise ein Patient mit Pflegestufe 2 beide Leistungen in Anspruch, wurden sie miteinander verrechnet und mit 980 Euro entgolten. Der Rest musste mit privaten Zuzahlung bestritten werden. Jetzt lassen sich beide Leistungen addieren, der gleiche Patient bekommt 1.470 Euro. Eine dritte Erleichterung für pflegende Angehörige sieht Sperrle in der Leistung der sogenannten Verhinderungspflege. Sie tritt in Kraft, wenn Angehörige sich aufgrund von Urlaub, Krankheit oder sonstigen Gründen zeitweise nicht um ihre pflegebedürftigen Familienmitglieder kümmern können. Mussten vorher erst zwölf Monate gepflegt werden, um hierauf einen Anspruch zu haben, hat sich dieser Zeitraum jetzt auf sechs Monate halbiert. Dafür stehen immerhin 1.470 Euro pro Jahr zur Verfügung.
Neu ist auch: Angehörige haben einen sechsmonatigen Anspruch auf unbezahlte, aber sozialversicherte Freistellung von der Arbeit. Ausgenommen sind Kleinbetriebe mit bis zu 15 Mitarbeitern. Daneben wird Beschäftigten ein Anspruch auf kurzzeitige und unbezahlte Freistellung von bis zu zehn Arbeitstagen eingeräumt, um die Pflege eines Angehörigen zu organisieren.
Pflegeheime und ambulante Pflegedienste sollen künftig unangemeldet kontrolliert und nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden. Die Caritas begrüßt dies, weist aber darauf hin, dass unangemeldete Kontrollen in Bayern schon lange bestehen.
Wermutstropfen bleiben
Kritisch beurteilt die Caritas die Einführung von Pflegestützpunkten, die Bürgern Informationen aus einer Hand über Pflegeleistungen und -einrichtungen anbieten sollen. Für ihre Einrichtung sind die Länder zuständig. Die Stützpunkte waren zwischen Union und SPD lange umstritten. Von der Idee, die Stützpunkte bei den Kassen und Kommunen einzurichten, hält Sperrle wenig. "Wenn bei den Kranken- und Pflegekassen als Träger der Stützpunkte Beratung und Leistungsgewährung zukünftig in einer Hand liegen, sehen wir die Gefahr einer Steuerung nach Finanzlage. Vorhandene und bewährte Beratungs- und Vernetzungsstrukturen, wie bereits bei der Caritas nahezu flächendeckend vorhanden, dürfen nicht zerschlagen werden". Die bayerische Caritas forderte daher die Staatsregierung auf, bereits bestehende Strukturen für die geplanten Pflegestützpunkte zu nutzen.
Auch die höheren Leistungen aus der Pflegeversicherung decken längst nicht alle Kostensteigerungen seit 1995, mahnt Sperrle. Damals hatten die Familien einfach mehr Geld für die Pflege zur Verfügung. "Eine langfristige Finanzierung der Pflege steht im Hinblick auf demografische Entwicklung immer noch aus", ist er sich sicher. "Dieses Thema wird uns bald wieder beschäftigen".