Zur Sommersitzung der Vertreterversammlung, dem Parlament der Caritas in der Diözese Würzburg, begrüßten Domkapitular Clemens Bieber, Caritas-Direktorin Pia Theresia Franke und Barbara Stamm als Ehrenvorsitzende, 50 Frauen und Männer aus allen Arbeitsfeldern und Ebenen des Verbandes. Aufgrund strenger Hygieneauflagen fand die Zusammenkunft nicht im Caritashaus, sondern im „Kardinal-Döpfner-Saal“ des Burkardushauses statt.
Geistlicher Impuls
In seinem geistlichen Impuls nahm Domkapitular Clemens Bieber den Mönchsvater und Patron Europas, Benedikt von Nursia, in den Blick, dessen Fest die Kirche am 11. Juli begeht. Vor 1.500 Jahren habe Benedikt seinen Mönchen eine kluge Regel übergeben, deren Ideen bis heute Grundlage für ein gelingendes Miteinander seien. „Bücher und Kurse namhafter Mönche zur zeitgemäßen Deutung der Benediktsregel finden großes Interesse. ‚Benedikt für Manager‘ lautet einer der Titel.“ Manager aus großen Unternehmen fragen nach den wegweisenden Grundlagen für den verantwortungsvollen Umgang mit Menschen und Aufgaben. Von daher betonte der Caritasvorsitzende, dass es ein verbindendes, gemeinsames geistiges Fundament brauche, um Kirche und Gesellschaft, unser Land und Europa in ein friedvolles und sozial gerechtes Miteinander zu führen. Nur die Symptome, die Auswirkungen des grundsätzlichen Defizits im Miteinander der Menschen und Völker kurieren zu wollen, sei zu wenig. Es brauche ein geistige Grundlage. „Die Erwähnung Gottes als Ausdruck dieses Fundaments aus der Präambel des europäischen Einigungsvertrags wegzulassen, war ein Fehler, der sich immer wieder rächt“, sagte Domkapitular Clemens Bieber. „Die Welt mag äußerlich immer mehr zusammenrücken, aber die einzelnen Menschen entfernen sich immer weiter voneinander.“
Leidenschaftliche Diskussionen
Zentrales Thema des Treffens war die Weiterentwicklung der Caritas angesichts gewaltiger Veränderungen und damit zusammenhängend finanzieller Herausforderungen. „Die Corona-Krise hat eindrücklich gezeigt: Caritas ist systemrelevant“, unterstrich Domkapitular Clemens Bieber. Der Dienst, den die Kirche in dieser Zeit für Menschen in Not, für Alte und Kranke erbracht habe, „wurde in der Gesellschaft sehr positiv wahrgenommen“. Die langjährige Landtagspräsidentin Barbara Stamm fragte, was Kirche in dieser Zeit gelernt habe im Blick auf ihren Einsatz für die Menschen bei einer möglichen zweiten Welle. „Wird die Kirche dann bei den Schwerkranken und Sterbenden sein und den Angehörigen beistehen?“ Die Landtagsabgeordnete Kerstin Celina unterstrich: „Die Kirche spielt mit ihrem sozialen Engagement eine zentrale Rolle in der Gesellschaft. Wenn Kirche heute positiv erlebt wird, dann vor allem durch ihre Caritas.“
Als geradezu fatal wurde die Aufforderung zu weiteren Einsparungen durch die Vertreterinnen und Vertreter aufgenommen. „Einsparungen in der angedachten Größenordnung, wenn sie denn kommen, bedeuten, dass wir auf Orts- und Kreisebene aus wichtigen Diensten und Angeboten aussteigen müssen“, brachte es Angelika Ochs, Geschäftsführerin für die Caritas im Landkreis Rhön-Grabfeld auf den Punkt und nannte unter anderen den Kleiderladen, Beratungsdienste und die Sorge für Migrantinnen und Migranten.
Landrat Thomas Habermann erinnerte an die Aufbruchsstimmung nach dem Konzil. „Wo ist der Geist des Aufbruchs hin? Ich werde von Tag zu Tag ratloser. Die Pastoral kommt nur noch bei wenigen Menschen an. Was vor Ort zählt, ist der unmittelbare Einsatz für die Menschen, und das wird insbesondere durch die Caritas erlebt. Das ist Kirche für die Menschen.“ Als Landrat warne er davor, wenn die Caritas aus Angeboten aussteige, die auch von den Landkreisen und Kommunen mitfinanziert würden. „Das kommt gar nicht gut an. Wir vertrauen auf die Caritas als zuverlässige Kooperationspartnerin.“
Dass das Sparen an Grenzen stoße, machten ebenso die Finanzfachleute der Caritas, Manfred Steigerwald und Michael Sennefelder deutlich. Um die sich zuspitzende Lage wissend, habe die Caritas schon vor Jahren angefangen zu sparen. „Die Kirche wird nicht umhin können, ihre Aufgaben zu priorisieren, um sicherzustellen, dass wir weiterhin in die Gesellschaft hineinwirken und die Menschen begleiten können. Das ist unsere Aufgabe und Sendung als Kirche“, war aus dem Kreis der Vertreter zu hören.
Austausch mit dem Bischof
Die für die Caritasarbeit in der gesamten Diözese verantwortlichen Frauen und Männer sind deshalb sehr dankbar, dass Bischof Franz sein Kommen zugesagt hat, um gemeinsam mit dem Caritasrat zu beraten.
„In der großen Leitung aller caritativer Träger und Einrichtungen, die in Zahlen dargestellt ein Volumen von über 600 Millionen beträgt, stecken ca. 25 Mio. Euro an Kirchensteuermittel“, rief Manfred Steigerwald in Erinnerung. Es sei ein kleiner Hebel, der ein großes Rad antreibe, mit dem neben den über 20 000 ehrenamtlichen über 17 000 berufliche Mitarbeit Beschäftigung haben und rund eine viertel Million Menschen in Unterfranken – die meisten davon täglich – erreicht werden. „Wir haben den Gürtel schon längst enger geschnallt“, sagte Bieber. Die Caritas könne nicht weiter sparen, ohne sich von kompletten Arbeitsfeldern zu trennen.
Von vielen Seiten kam der Hinweis, dass eine Kirche ohne Caritas nur um den Preis eines weiteren Exodus’ der Mitglieder zu haben ist. „Caritas ist Kirche, deswegen sorgen wir uns im Dienst der Kirche um die Menschen“, sagte Bieber in einer leidenschaftlichen Diskussion, die eine Stunde in Anspruch nahm. Eindringlich warnte Barbara Stamm davor, am kirchlichen Tarifsystem zu rütteln, um sparen zu wollen. Es könne nicht sein, dass der Staat um der Menschen willen Tarifsysteme im sozialen Bereich einfordere und die Kirche baue sie in ihrem Bereich ab.
Als echten Hemmschuh bezeichnete Bieber kirchliches Behördentum. „Es braucht einen klaren Blick für die Sorgen und Nöte der Menschen und Probleme der Gesellschaft.“ Deshalb dürfen wir uns nicht in den binnenkirchlichen Raum zurückziehen und einigeln wollen. „Das hat keine Zukunft!“ Die möglichst enge Verzahnung von Pastoral und Caritas ist die Grundlage, damit Kirche auch in Zukunft dem Auftrag Jesu nachkommt.
Personalia
Als ständigen Gast der Vertreterversammlung wurde der Vorsitzende der Diözesanarbeitsgemeinsaft (DiAG) der Mitarbeitervertretungen (MAV) Sebastian Zgraja einstimmig in die Versammlung aufgenommen. Begrüßt wurden für den Orts- und Kreisverband Aschaffenburg Marco Maier und Christopher Franz als geschäftsführende Vorstände. Dr. Anke Klaus vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) stellte sich zur Wahl für die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes und bekam ein überragendes Wahlergebnis.
Aus der Bundesebene
Über die Arbeit des Deutschen Caritasverbandes berichtete schließlich Caritas-Direktorin Pia Theresia Franke. Mit der Ankündigung des Präsidenten Peter Neher, nicht erneut für das Amt kandidieren zu wollen, und dem geplanten vorzeitigen Rückzug des Finanzvorstandes schaue man besorgt nach Freiburg. „Abteilungen werden zusammengelegt und verkleinert, Referentenstellen gestrichen. Die Hospizarbeit wird zukünftig nicht mehr im Dach- und Spitzenverband vertreten sein. Viele Projektstellen laufen demnächst aus“, teilte Franke aus der Tagung des Caritasrates mit. „Wir werden sehen, was das für die Gliederungen bedeutet. Es braucht eigentlich die Synchronisation der Angebote auf allen Ebenen.“
Es gebe aber auch eine gute Nachricht. Mit einigen Versicherungen sei nun geklärt, dass sie die Kosten bei Betriebsschließungen infolge der Corona-Pandemie übernehmen würden.
Mit den Filmen, die der Bayerische Rundfunk in der Corona-Krise über die Caritas aufgenommen und ausgestrahlt hat, wurde die Versammlung aufgelockert. „Wir sind dem Bayerischen Rundfunk dankbar, dass er auf diese Weise unser 100-jähriges Bestehen und die beherzte Arbeit der vielen Frauen und Männer in der Caritas gewürdigt hat“, sagte Clemens Bieber zum Abschluss und verabschiedete die Vertreterinnen und Vertreter mit dem Dank für den unermüdlichen und unerschrockenen Einsatz auch in schwierigen Zeiten und wünschte einen gesegneten Sonntag.
Sebastian Schoknecht