Die Predigt im Wortlaut:
„Blühende Landschaften“ waren versprochen! Nach über drei Jahrzehnten können wir feststellen, dass sich die Gebiete der ehemaligen DDR weitgehend in blühende Landschaften gewandelt haben mit moderner Infrastruktur, einem ausgebauten Straßen- und Schienennetz, attraktiven Innenstädten usw. – Dennoch scheint Unzufriedenheit vorzuherrschen, zumindest lässt sich das aus den Wahlergebnissen in großen Teilen der neuen Bundesländer folgern. Zustimmung fanden dort in einem bedenklichen Maß die Stimmen, die sich fremdenfeindlich äußerten und mit knappen Parolen massiv Unzufriedenheit über unsere Lebenssituation schürten.
Gewiss gilt es in allen Zeiten das Leben der Menschen in unserem Land im Blick zu haben, eine wirtschaftlich solide Existenzgrundlage für alle zu ermöglichen und deshalb die Herausforderungen in der sich ständig verändernden Arbeitswelt zu meisten, sowie für soziale Gerechtigkeit zu sorgen; dennoch können wir in unserem Land sicher nicht behaupten, dass es uns schlecht ginge.
Wenn wir an die erfolgte Wiedervereinigung des infolge des Zweiten Weltkrieges geteilten Deutschlands denken, dann können wir mit Stolz feststellen, dass tatsächlich blühende Landschaften in den neuen Bundesländern entstanden sind.
Zugleich aber macht die Unzufriedenheit, wie sie sich etwa in der Protesthaltung oder in den Wahlergebnisse dokumentieren, nachdenklich. Mehr und mehr kluge Menschen, die sehr genau die Entwicklungen in unserem Volk beobachten und reflektieren, fragen, ob es reicht, nur die materielle Grundlage für das Zusammenleben in einem Volk im Blick zu haben.
Wenn also in einem Bundesland, in dem verhältnismäßig wenig Menschen mit Fluchterfahrung ankommen, die Abneigung gegen Flüchtlinge besonders groß ist und dort häufiger als anderswo Übergriffe auf diese Menschen vorkommen, dann ist es notwendig, dass wir nach der geistigen Grundlage für das Menschenbild und das Miteinander fragen.
Historiker erinnern an die Geschichte der Bevölkerung in den neuen Bundesländern, für die sich die braune Diktatur nahtlos fortgesetzt hat in der roten Diktatur: In beiden Systemen gab es eine bewusste Distanz zu Fremden. Nur das eigene Volk zählte.
Ein Volk braucht mehr als nur eine solide materielle Existenzgrundlage, es braucht vor allem eine geistige Grundlage, die ein friedvolles Zusammenleben im Respekt voreinander ermöglicht. Es braucht mehr als ein gesundes natürliches Klima, es braucht vor allem ein geistiges Klima, das uns verantwortungsvoll miteinander und auch mit der guten Schöpfung umgehen lässt. Dieser Hinweis betrifft alle Teile unseres Landes.
Wenn wir an die Not von derzeit über 80 Millionen Menschen denken, die rings um die Erde auf der Flucht vor Gewalt, Krieg, Not und Armut sind, dann sollte uns bewusst sein, wie gut es uns geht – auf jeden Fall materiell. Von den über 80 Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und auf eine lebenswerte Zukunft hoffen, kommt nur ein kleiner Teil bei uns an. Sie brauchen – wie wir – nicht nur ein Dach über dem Kopf und die Versorgung mit den notwendigen Lebensmitteln. Sie brauchen auch menschliche Zuwendung. Weil die meisten der hier Ankommenden bei uns bleiben werden, und wir mit ihnen zusammenleben und unser Land gestalten werden, ist es entscheidend wichtig, wie wir mit ihnen umgehen und was sie an uns ablesen, was für uns wichtig ist.
Wir erwarten von den Menschen, die zu uns kommen und bei uns bleiben wollen, dass sie sich integrieren. Von daher stellt sich die Frage, in welche Kultur sie sich integrieren sollen! Sollen sie lernen, möglichst alles für sich herauszuholen oder durch uns lernen, was Solidarität, verantwortungsbewusstes Miteinander, was den Wert und die Würde von Frauen und Kindern, was auch Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen bedeuten?
Die biblische Botschaft aus dem Buch Genesis, die uns heute verkündet wurde, erinnert daran, dass wir Menschen Gemeinschaftswesen sind, und dass uns die Erde anvertraut wurde, um sie als lebenswerten Raum zu gestalten. Dabei aber nur die Infrastruktur im Blick zu haben, Straßen, Autobahnen und Flughäfen zu bauen, Industriebetriebe und damit Arbeitsplätze aufzubauen, tolle Freizeitmöglichkeiten zu gestalten usw.; das alles genügt nicht. Es braucht eine geistige und geistliche Grundlage für ein Volk.
Wir feiern heute Erntedank. Die Früchte der Natur und der menschlichen Arbeit, die mit Gottes Segen gewachsen sind, stellen uns vor Augen, dass es Bemühung, Einsatz braucht, damit uns die erhoffte Ernte zugutekommt. Die Botschaft aus dem Schöpfungsbericht bedeutet: Gott hat alles Leben geschaffen, ER hat der Schöpfung eine Ordnung gegeben und sie dem Menschen anvertraut, damit er sie in SEINEM Sinne gebraucht.
Im Blick auf die deutsche Einheit stellen wir mehr und mehr fest, dass die entscheidende Grundlage für ein friedvolles Zusammenleben weitgehend verloren gegangen ist und fehlt, nämlich ein geistiges und geistliches Fundament, auf dem wir das Miteinander aufbauen können – und zwar auch in den sogenannten alten Bundesländern. Einer aktuellen Umfrage zufolge sagen 61 Prozent der Menschen in Deutschland, Religion sei unerheblich und nicht wichtig für das Leben und das Zusammenleben.
Wir erinnern uns an die Debatte, ob im europäischen Grundlagenvertrag ein Bezug zu Gott vorkommen darf. Es wurde mehrheitlich abgelehnt. Von daher verwundert es nicht, wie sich mehr und mehr Länder Europas im Blick auf die gemeinsamen Herausforderungen verhalten und nur ihre eigenen Interessen durchzusetzen versuchen.
„Wo der Mensch sich selbst und seinen materiellen Vorteil zum Maßstab macht, wird es für die Mitmenschen eng!“ Der Begründer der modernen Caritas, Vinzenz von Paul, der an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in Paris lebte und wirkte, sagte: „Das Brot, das du einem Dürftigen reichst, vermag sein Leben nur einen Tag zu fristen. Die Art aber, wie du es reichst, bringt ihm die Liebe Gottes nahe und erfüllt sein Herz für immer.“ An einer anderen Stelle sagte er in diesem Sinne kurz und knapp: „Seid gut und man wird euch glauben.“
Ob der Tag der deutschen Einheit auch Anlass zu einem Erntedank ist, das hängt von uns allen ab, nämlich aus welchem Geist heraus wir – und zwar in allen Teilen unseres Lander – selber leben und handeln. So können in der Tat „Blühende Landschaften“ wachsen und lebenswerte Heimat sein.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Dank – Rufe
Guter Gott!
Danke für das Leben.
Danke für alle Tage,
für das Licht und die Nacht,
ür die Sonnenstrahlen
nd die Blumen am Weg.
Danke für die Schöpfung,
die so vielfältig ist.
Danke für die Pflanzen und Tiere,
die unsere Erde bevölkern.
Danke für die Nahrung,
die Du uns schenkst,
dass wir satt werden können
und uns teilen lässt mit all denen,
die in dieser Zeit nicht genügend Nahrung haben.
Danke für Deine Liebe,
die so erfinderisch ist
nd mich von vorn und von hinten umfängt.
Danke für die vielen Menschen,
die mein Leben reich machen
durch ihr Lachen und die Tränen
und die Worte und das Schweigen.
Danke für den Himmel,
der sich mir schon auf Erden zuneigt,
manchmal mitten im Leid.
Danke für alles.
Danke, Du schenkst Dich mir selbst im Brot.
Danke für Dein Leben und Sterben.
Danke für den Tod, denn Du weißt um mich.
(Autor unbekannt)
Zur Besinnung
Gott allein kann schaffen,
aber wir können das Erschaffene zur Geltung bringen.
Gott allein kann Leben schenken,
aber wir können es weitergeben und achten.
Gott allein kann Glauben schenken,
aber wir können Zeugnis geben.
Gott allein kann Hoffnung wecken,
aber wir können anderen Vertrauen schenken.
Gott allein kann Freude schenken,
aber wir ein Lächeln.
Gott allein ist der Weg,
aber wir können ihn anderen zeigen.
Gott allein ist das Unmögliche,
aber wir können das Mögliche tun.
Gott allein ist die Liebe,
aber wir können seine Liebe weitergeben.
Gott allein genügt sich selbst,
aber er hat es vorgezogen, auf uns zu zählen.
(Autor unbekannt)