In einem dringenden Appell an Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Kirche mahnt DCV-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa: „Armut hat viele Gesichter. In einer Welt multipler Krisen und sich vielfältig verstärkender Gefahrenlagen ist jeder Mann und jede Frau im Laufe ihres Lebens von Schicksalsschlägen und Armutsrisiken bedroht. Institutionen, die Abwärtsspiralen präventiv entgegenwirken und Angebote, die in Notlagen helfen, sind heute wichtiger denn je.
Die Allgemeine Sozialberatung ist eine solche Anlaufstelle. Sie steht allen Menschen in sozialen Notlagen offen und ermöglicht schnelle Hilfe, Ansprache und Begleitung. Ihre offene Tür ist ein Signal der Zuversicht und Hoffnung in Zeiten wachsender Existenzangst und zunehmender Vereinzelung. Ihre damit weit über den Einzelfall hinausgehende gesellschaftliche Bedeutung begründet die Notwendigkeit verlässlicher Finanzierung. Ich appelliere an alle Verantwortlichen, die Allgemeine Sozialberatung auf eine finanziell solide Basis zu stellen.
Einzige Anlaufstelle dieser Art mit Lotsenfunktion
Die Allgemeine Sozialberatung ist Anlaufstelle für alle Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen. In einem Erstgespräch klären die Beraterinnen und Berater die aktuelle Problemlage. Sie lösen die akute Krise und vermitteln bei nachgelagertem Bedarf in weiterführende Hilfeangebote. Die Allgemeine Sozialberatung ist damit eine erste zentrale Anlaufstelle, niedrigschwellig und kostenlos und die einzige Anlaufstelle dieser Art. Mit der Allgemeinen Sozialberatung finden Menschen in prekären Lebenssituationen die notwendige direkte Ansprache. Die Nachfrage nach diesem Angebot steigt stetig. 2024 waren laut Statistischem Bundesamt bundesweit 20,9 Prozent der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, was 17,6 Millionen Menschen entspricht.
Die Armutsgefährdungsquote steigt aktuell in Gruppen, die nur schwer von den Hilfesystemen erreicht werden – zum Beispiel Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund, in Wohnungsnot oder mit multiplen Belastungen. Gleichzeitig stehen Hilfesuchende einer zunehmenden Unübersichtlichkeit und Digitalisierung des Antragswesens gegenüber. Angesichts dieser Situation ist nicht verwunderlich, dass nach dem jetzt erschienenen Siebten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 78,2 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger die „Gewährleistung der Stabilität des Sozialsystems und der Rente“ als vorrangiges Thema für die Politik nannten. Der Allgemeinen Sozialberatung kommt als Stabilitätsfaktor im sozialen System eine besondere Rolle zu: Nach der jüngsten Stichtagserhebung bei Caritas-Trägern (September 2025) weisen fast 90 Prozent der Klientinnen und Klinten Mehrfach-Problemlagen auf.
Weitervermittlung
Yvonne Fritz, Vorständin des SkF Gesamtvereins, erläutert die Bedarfe: „Unsere Beratungsstellen unterstützen sowohl Alleinerziehende als auch Familien – häufig mit mehreren Kindern. Rund 20 Prozent der Ratsuchenden sind Alleinerziehende, die zu den am stärksten von Armut und Belastung betroffenen Bevölkerungsgruppen zählen. Unsere Beraterinnen und Berater prüfen, welche staatlichen Leistungen den Betroffenen zustehen, und begleiten sie bei der Antragstellung. Darüber hinaus klären sie auch, wie es bei Erziehungsfragen, der Organisation von Kinderbetreuung, der beruflichen Integration sowie bei Ausbildungsthemen weitergehen kann. Dank ihrer guten Vernetzung können sie gezielt weitere Hilfsangebote vermitteln.“
Rund 60 Prozent der Ratsuchenden sind Frauen. Doch auch für Männer in sozialen Schwierigkeiten öffnet die Allgemeine Sozialberatung Türen, die ohne Finanzierung von Schließung bedroht sind. Stephan Buttgereit, Generalsekretär des SKM Bundesverband e. V., Caritas-Fachverband für Jungen- und Männerarbeit, erklärt dazu: „Männer nehmen seltener Hilfe in Anspruch als Frauen, weil dies in unserer Gesellschaft leider bis heute als Zeichen von Schwäche interpretiert wird. Deshalb braucht es niedrigschwellige Anlaufstellen ohne Hürden. Die Allgemeine Sozialberatung schließt hier eine wesentliche Lücke, zum Beispiel für Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Davon sind Männer besonders häufig betroffen. Des Weiteren kann die Allgemeine Sozialberatung eine wichtige Brücke zur geschlechtersensiblen Männerberatung bauen. Denn die Expertinnen und Experten der Allgemeinen Sozialberatung wissen, welche Beratungsstellen den Ratsuchenden weiterführende, geschlechtssensible Hilfen anbieten können.“
Finanzierung muss dringend gesichert werden
Die Allgemeine Sozialberatung versteht sich als unverzichtbarer Grunddienst der verbandlichen Caritas. Der Finanzierungsanteil von kirchlichen Mitteln und Eigenmitteln liegt nach einer aktuellen Umfrage bei den Trägern der Beratungsstellen im Durchschnitt derzeit bei 80 Prozent. 23 Prozent der teilnehmenden Träger finanzieren ihre Beratungsstellen fast ausschließlich aus Kirchenmitteln (Bistum) oder Eigenmitteln. Der überwiegende Teil (69 Prozent) finanziert sich jedoch aus mehreren Quellen. Nur fünf Prozent der Träger erhalten eine hohe kommunale Förderung, die das Angebot sichert. Es gibt bisher keine gesetzlich verankerte Pflicht für eine staatliche Refinanzierung einer unabhängigen Allgemeinen Sozialberatung.
Caritas, SkF und SKM sind sich einig: Angesichts der steigenden Nachfrage braucht es eine öffentliche Diskussion, wie die Allgemeine Sozialberatung nachhaltig gesichert und weiterentwickelt werden kann. Bereits im vergangenen Jahr musste ein Viertel der Träger das Angebot einschränken oder sogar aufgeben. Insofern hängt die Zukunftsfähigkeit der Allgemeinen Sozialberatung maßgeblich von einer auskömmlichen verlässlichen und langfristig gesicherten Finanzierung ab. Hier sollen die Kirchen nicht aus der Pflicht genommen werden. Aber es braucht zusätzlich eine planbare Kofinanzierung durch Kommunen und Länder.
„Die Allgemeine Sozialberatung ist einer der Grundpfeiler der sozialen Infrastruktur direkt bei den Menschen vor Ort. Es wäre wichtig, dass mehr Kommunen diese freiwilligen Leistungen anbieten und damit das Vertrauen in unseren Sozialstaat stärken“, betont DCV-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa. „Das apostolische Schreiben zur ,Liebe zu den Armen', das Papst Leo XIV. in der letzten Woche als erstes Schreiben seines Pontifikats veröffentlicht hat, sehen wir als Rückenstärkung für das Engagement unserer Armutswochen.“
Die Armutswochen
Der DCV, der SkF Gesamtverein und der SKM Bundesverband rufen jedes Jahr zu den Armutswochen auf. Die Armutswochen beginnen am 17. Oktober mit dem Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut und enden am 16. November, dem vom Papst ausgerufenen Welttag der Armen. In diesen Aktionswochen gegen Armut finden in vielen Ortsverbänden von Caritas, SkF und SKM bundesweit Veranstaltungen und Aktionen statt, die auf das Thema Armut und die Situation der Menschen in Notlagen aufmerksam machen sollen.
In diesem Jahr der Caritas-Armutswochen liegt der Fokus auf der Allgemeinen Sozialberatung (ASB bzw. ASBD). Diese Allgemeine Sozialberatung ist ein unverzichtbarer Grunddienst der Caritas und anderer Träger der Freien Wohlfahrtspflege. Sie ist offen für alle Menschen − unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung. ASB bzw. ASBD ist Anlaufstelle für Menschen mit den unterschiedlichen Problemen. Doch die Finanzierung ist nicht gesetzlich verankert. Aufgrund rückläufiger Kirchensteuereinnahmen und enger öffentlicher Haushalte wurde die Finanzierung einiger Beratungsstellen reduziert oder gar ausgesetzt. Das hat dazu geführt, dass ein Teil die Sprechstunden verringern oder sogar ganz schließen musste. Bei der Caritas in Unterfranken konnten die Dienste des ASBD bisher aufrecht erhalten werden.
Programm vor Ort in Würzburg
Am Freitag, 17. Oktober, bietet die Katholische Akademie Domschule in Zusammenarbeit mit youngcaritas des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg (O/KCV Würzburg) von 16.30 bis 18.30 Uhr einen alternativen Stadtrundgang zum Thema Armut an. Die Teilnahme ist kostenfrei. Treffpunkt ist am Würzburger Matthias-Ehrenfried-Haus, Bahnhofstraße 4-6. Eine Anmeldung ist erforderlich an: info@generationen-zentrum.com oder Telefon 0931/386-68700.
Im Anschluss findet, ebenfalls am 17. Oktober, von 19.30 bis 21 Uhr eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Armut“ im Würzburger Burkardushaus, Am Bruderhof 1, statt. Hierzu lädt die Katholische Akademie Domschule in Kooperation mit dem DiCV Würzburg und dem O/KCV Würzburg sowie dem Matthias-Ehrenfried-Haus ein. Auf dem Podium nehmen unter anderem Dr. Eugen Ehmann (Regierungspräsident Unterfranken a. D.) und Kilian Bundschuh (Referat Besondere Lebenslagen des DiCV Würzburg) Platz. Auch hier ist die Teilnahme kostenfrei. Eine Anmeldung ist nötig an: info@domschule-wuerzburg.de oder Telefon 0931/386-43111.
Zudem besteht im Laufe der Armutswochen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DiCV Würzburg vor Ort die Möglichkeit, zahlreiche Dienste und Einrichtungen von Caritas, SkF und ökumenischer Christophorus-Gesellschaft (getragen von Caritas und Diakonie) sowie die Bahnhofsmission im Rahmen einer speziellen Veranstaltungsreihe für Mitarbeitende besser kennenzulernen.
DCV/DiCV Würzburg