Die Predigt im Wortlaut:
„Das Gotteskind zu lieben, Antonius will es lehr‘n,
doch gibt’s auch andere Gründe, den Heiligen zu ehr’n.
Wenn etwas ging verloren und du bist recht bedrückt,
Antonius hilft es suchen, der Heil‘ge bringt’s zurück.
Bet‘ still – versprich dein Opfer, lass dich durch nichts beirr’n,
er bleibt uns helfend nahe, was immer wir verlier’n.“
Während ich in der vergangenen Woche gemeinsam mit Freunden den bekannten niederbayerischen Wallfahrtsort Bogenberg bei Straubing besuchte und in der weithin sichtbaren Wallfahrtskirche stand, wo neben der Darstellung des hl. Antonius das Schild mit dem gerade zitierten Vers angebracht ist, kam eine junge Familie mit Mama, Papa und einem vielleicht dreijährigen Kind zu Fuß auf den Bogenberg gestiegen. Der jungen Mutter war anzusehen, dass sie schwanger ist, und so machte die noch kleine Familie die Wallfahrt. Seit 1104 wird „Maria in der Hoffnung“, die Mutter der guten Hoffnung, dort verehrt. Das Gnadenbild zeigt Maria. Sie ist hochschwanger. Das ganze Jahr über kommen unzählige Paare und Familie und erbitten den Segen Gottes für ihr werdendes Kind oder überhaupt um Kindersegen.
Während ich vor der Antonius-Figur stand und den Hinweis las, wurde mir klar, dass es in unseren Tagen nicht um eine verlorene Brille, einen verschwundenen Schlüssel, um einen verschwundenen Geldbeutel gehen kann oder um andere vermisste materielle Dinge. Antonius muss uns helfen zu finden, was wir als Kirche weitgehend verloren haben, nämlich den Blick für unseren eigentlichen Auftrag. In der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja haben wir gehört: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe … damit ich alle Trauernden tröste …“
Dieser Auftrag ist für die Kirche unverzichtbar, dem Leben zu dienen und Hoffnung zu stärken!
Mit meinen Freunden war ich in der vergangenen Woche unterwegs, um große soziale Einrichtungen in Bayern zu besuchen, zu besichtigen, Kontakte zu vertiefen. Gott sei Dank, möchte ich nach diesen wertvollen Erfahrungen sagen, haben wir zwischendurch auch den Blick geworfen auf besondere geistliche Orte wie z.B. zwei Tage zuvor in der Oberpfalz auf den Eichelberg. Dort konnten wir erleben, wie im Rahmen der großen Dreifaltigkeitswallfahrt hunderte junge Familien kamen, um am Nachmittag ihre Kinder segnen zu lassen.
Was ist uns alles verlorengegangen an Ermutigendem, was das Vertrauen in Gott und von daher das Vertrauen ins Leben bestärkt! Wir diskutieren und streiten in der Kirche um Ämter und Macht. Die Forderung nach Kontrolle wird immer stärker. Wir strukturieren pastorale Räume und organisieren Seelsorge. Es werden Kompetenzen definiert und Zuständigkeiten abgegrenzt. Controlling und überbordende Verwaltung scheint das Allheilmittel für geordnete Verhältnisse. Ebenso diskutieren wir leidenschaftlich über die Anordnung von Stühlen, und ob es in der Eucharistiefeier einen Vorstehersitz braucht. All das interessiert die Gesellschaft, die Menschen um uns herum kaum! Für sie sind das binnenkirchliche Debatten ohne Bezug zur Realität des Lebens.
In der Tat, in solchen Diskussionen besteht die Gefahr, dass der eigentliche Auftrag von Kirche aus dem Blick gerät bzw. verloren geht. Es sollte uns in erster Linie nämlich darum gehen, Gottes Barmherzigkeit und Liebe zu bezeugen in Wort UND Tat, also dem Leben zu dienen und die Hoffnung auf Gottes Weggeleit und die Zukunft in IHM zu bestärken.
Damit bin ich in St. Anton in Schweinfurt! Die Abkehr von der traditionellen Pfarreistruktur und die Hinwendung auf eine Stadtkirche mit ihren pastoralen Schwerpunkten macht deutlich, dass Kirche immer in Veränderung war und ist, um in allen Zeiten ihren Auftrag zu erfüllen. „Ecclesia semper reformanda.“ – „Die Kirche gilt es stets zu reformieren.“ Sie ist stets im Wandel. Das ist die bleibende Aufgabe für die Kirche in allen Zeiten, sich selbst ständig selbst zu überprüfen, um sich ihres Auftrages zu vergewissern und die Klarheit ihrer Lehre und Praxis zu bewahren.
Gewiss werden auf dem Boden der biblischen Botschaft und mit Hilfe einer Theologie, die sich weniger von tagesaktuellen Meinungen und Strömen leiten lässt, auch die Fragen der Zulassung zur Weihe von Priestern und Diakonen – sowohl von Unverheirateten wie auch Verheirateten, von Männern wie auch Frauen – zu klären sein. Es gilt die Bedeutung der Synodalität in Verbindung mit der Hierarchie zu klären im Unterschied zu rein demokratischen Strukturen. Ebenso gilt es, bei allem Klärungsbedarf die Sakramentalität als Wesenszug von Kirche im Blick zu behalten.
Weil wir, wie das Evangelium vom Gedenktag des hl. Antonius deutlich macht, eine Sendung haben, gilt es, im Blick auf das Leben in unseren Tagen drängende grundlegende ethische Fragen von der frohen Botschaft Jesu zu klären wie z.B. der Lebensschutz schon vor der Geburt bis zum seinem von Gott verfügten Ende oder die Bewahrung der Schöpfung, Fragen von Ehe und Familie, der Sexualmoral. Die Sorge um eine sozial-gerechte Weltwirtschaftsordnung ist ebenso wichtig wie die Haltung der Solidarität und der Hilfsbereitschaft und die Bedeutung sozialer Berufe zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags.
Alle diese Fragen brauchen eine Antwort, sie brauchen unsere Antwort!
St. Anton in seiner Neugestaltung gibt uns den unübersehbaren Hinweis:
Es genügt nicht, binnenkirchliche Themen zu diskutieren, Pastoral zu strukturieren und zu organisieren. Es braucht den konkreten Dienst für das Leben, es braucht das Zeugnis für die Frohe Botschaft in Wort und Tat!
Pater Alfred Delp, der am Lichtmesstag 1945, also am 2. Februar, von den Nazis umgebracht wurde, schieb mit gefesselten Händen aus dem KZ: „Es wird kein Mensch an die Botschaft vom Heil und vom Heiland glauben, so lange wir uns nicht blutig geschunden haben im Dienste des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich, sittlich oder sonst wie kranken Menschen.“
St. Anton in Schweinfurt macht die für uns als Kirche entscheidende Verbindung von Gottesdienst und Nächstendienst deutlich: Hier im Mittelpunkt von St. Anton, in der Kirche, versammelt sich die die Gemeinde der Gläubigen, schöpft Orientierung aus der Wegweisung der Heiligen Schrift und schöpft Kraft aus der Communio mit IHM.
So gestärkt werden wir zu Zeugen seiner Barmherzigkeit und Liebe durch unser Tun, durch unsere Verkündigung und unseren Einsatz im Dienst am Nächsten.
So wie wir zum Dienst am Menschen von hier ausgehen, so kommen wir hier wieder zusammen und legen IHM ans Herz, um was wir uns bemüht haben, was uns mit SEINER Hilfe gelungen ist und auch, wo unser Bemühen nicht hilfreich war, und um was wir IHN deshalb bitten, dass ER es schenken möge.
Das Evangelium des Antonius-Tages erinnert an den Auftrag Jesu: „Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.“ Und dazu die Bitte: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“
Deshalb gilt es, über alle Diskussionen um Strukturen, um Ämter und Machtfragen hinaus – auch mit Hilfe des Hl. Antonius – wieder die Einsicht zu finden, dass es auf die innere Haltung ankommt, in der wir unseren Glauben leben, und damit auf die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses im Dienst gerade an den Armen und Hilfs- und Unterstützungsbedürftigen.
„Das Gotteskind zu lieben, Antonius will es lehr‘n,
doch gibt’s auch andere Gründe, den Heiligen zu ehr’n.
Wenn etwas ging verloren und du bist recht bedrückt,
Antonius hilft es suchen, der Heil‘ge bringt’s zurück. …“
St. Anton wird stets eine offene Tür haben für fragende, suchende, hilfsbedürftige Menschen. Von St. Anton wird durch die vielfältigen pastoralen und caritativen Dienste Segen, Ermutigung und Hoffnung ausgehen.
St. Anton wird deshalb dafür sorgen, dass uns nicht aus den Augen gerät und verloren geht, was unser Auftrag als Kirche in unserer Zeit ist.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Herr, mache deine Kirche
Herr,
mache deine Kirche zum Werkzeug deines Friedens
Wo Menschen sich befehden
ein jeder gegen jeden
hilf uns den Frieden schaffen
in einer Welt von Waffen
Herr,
Mache deine Kirche zur Stimme deiner Wahrheit
Inmitten von Intrigen
Verdrehungen und Lügen
hilf uns die Wahrheit finden
und unbeirrt verkünden.
Herr,
mache deine Kirche zum Anwalt aller Armen.
Dass sie stets auf der Seite
der Unterdrückten streite
hilf uns das Recht verbreiten
auch für die Minderheiten
Herr,
mache deine Kirche zum Anfang deiner Zukunft
dass alle in ihr sehen
die neue Welt entstehen
du kannst uns Menschen einen
Herr, lass dein Reich erscheinen
(Lothar Zenetti)