„Heute nachmittag gehe ich mit meinen Freunden ins Schwimmbad,“ schreibt der zehnjährige Eren Cilingir in sein Heft. Er schreibt auf, was ihm seine „Patin“ Christel Dralle diktiert. Die resolute Frau, der man ihre 72 Jahre nicht ansieht, wohl aber ihre Lebensfreude, kennt den Jungen und seine türkische Familie seit vielen Jahren. Der Vater arbeitet auf dem Bau, die Mutter viele Jahre als Putzfrau in einem Supermarkt. Eren, der in Kitzingen geboren ist, spricht ein tadelloses Deutsch, „ und er ist sehr intelligent“, so Dralle. „Doch als einziger Ausländer wird er in seiner Grundschulklasse nicht richtig gefördert.“ Eren hat vor allem Schwächen in Mathematik und deutscher Rechtschreibung. Sein Familie kann ihm dabei kaum helfen. Doch Christel Dralle kann es. Die gelernte Fotografin – die lange Zeit ein Hotel in Österreich führte – nimmt sich die Zeit, mit ihm zu lernen. Rechnen, Diktate, Lesen, jede Woche treffen sich die beiden für zwei Stunden im Kitzinger Mehrgenerationenhaus St. Elisabeth. Den ehrenamtlichen Job hat sie von ihrem 80jährigen Mann übernommen, der Eren zuerst in Mathe geholfen hatte. Die nötigen Unterrichtsmaterialien hat sich die Rentnerin selbst besorgt, Bücher zur Vorbereitung auf die Realschule liegen auf dem Tisch. Wenn die beiden nichts für die Schule machen, spielen sie Karten- oder Brettspiele. „Ich habe immer unheimlich gerne mit Kinder gearbeitet,“ sagt Dralle. „Und bei Eren merke ich, das etwas rüber kommt.“
Was Eren nicht weiß oder ihm wohl auch egal wäre: Die Betreuung durch Christel Dralle gehört zu einem landkreisweiten Patenprojekt, das offiziell noch gar nicht begonnen hat.
Die offizielle Auftaktveranstaltung ist erst für den 27. Januar 2010 geplant, erklärt Petra Dlugosch, die in St. Elisabeth den Sozialdienst leitet und seit März 2008, als das Alten- und Pflegeheim zum Mehrgenerationenhaus erklärt wurde, schon viele generationsübergreifende Projekte angestoßen hat. Das Projekt trägt St. Elisabeth nicht alleine, Partner sind die örtlichen Verbände der Caritas, Diakonie und des Roten Kreuzes und vor allem das Landratsamt. Christine Erhard von der Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen des Kitzinger Landratsamtes hatte die Idee, Paten an hilfsbedürftige Personen zu vermitteln, angestoßen. „Wir suchen Paten für junge Mütter, Kleinkinder und Familien, Paten, die Schulkindern beim Lesen und bei den Hausaufgaben helfen, Jugendliche bei der Berufsfindung begleiten und alte Menschen mit Demenz betreuen. Denn demente, aber körperlich fitte Menschen wird es in Zukunft immer mehr geben,“ erklärt Dlugosch. Die Planungen laufen auf Hochtouren, der Bedarf ist vorhanden. Betreuer auch. „Noch während der ersten Planungen entstand mit Christel Dralle und ihrem Schützling Eren das erste richtige Pilot-Patenprojekt.“ Mittlerweile gibt es mehrere ähnliche Projekte im Mehrgenerationenhaus. Einige Jugendliche kümmern sich um Hauptschüler, zwei rüstige Rentner - „ehemalige Geschäftsleute, die stellen was dar“ – helfen an der hiesigen Wirtschaftsschule Schülern beim Berufseinstieg. „Und an der Stadtbücherei lassen sie sich als Lesepaten ausbilden“, weiß Dlugosch.
Für Eren bedeutet das neue Patenschaftsprojekt ein Stück Zukunft. Denn ohne gute Noten im Zeugnis gibt es für ihn keine weiterführende Schule, und ohne weiterführende Schule keine Möglichkeiten, seinen Traumberuf zu ergreifen. Denn Eren möchte später Polizist werden. Als Mediator, d.h. offizieller Streitschlichter, und Juniorhelfer für Erste Hilfe an seiner Schule hat er schon viel Erfahrung darin gesammelt, Probleme zu lösen. Und ins Schwimmbad will er heute auch noch.
Weitere interessierte Paten sind jederzeit herzlich willkommen.Kontakt: Petra Dlugosch, Tel.09321/9165444, petra.dlugosch@st-elisabeth-kitzingen.de oder Christine Erhard, Tel. 09321/9283314, christine.erhard@kitzingen.de.