1950 wurde das Würzburger Haus St. Lioba am Berliner Ring als Hauswirtschaftliche Schule mit Internat gebaut. Seit 1964 leiteten es Benediktinerinnen aus dem österreichischen Steinkirchen. Nach 43 Jahren endet jetzt mit dem Ausscheiden von Schulleiterin Sr. Stefana Falkenrich und Küchenchefin Sr. Agnes Ebenhöfer eine Ära. Viele Generationen junger Mädchen und Frauen sind in dieser Zeit durch die Pädagogik und Kochkünste der beiden Schwestern geformt worden.
"Das erste Jahr war besonders schwierig", erinnert sich Sr. Stefana. "Ich hatte mir mehrmals überlegt, zu Fuß wieder weg zu gehen". Als junge Frau mit 32 Jahren kam sie damals nach Würzburg. Erst im selben Jahr war sie als Spätberufene in den Orden eingetreten, vorher hatte die gebürtige Dortmunderin als beamtete Lehrerin gearbeitet. Mit den pädagogischen Ansichten der damaligen Hausleiterin kam sie nicht zurecht. Die Mädchen bekamen wenig Ausgang, die Kontrollen und Kleidervorschriften waren streng, Hosen nicht erlaubt. Zu den pädagogischen Differenzen kamen wirtschaftliche Sorgen. Das Haus stand kurz vor dem Konkurs. Die Schwestern überlegten, es wieder zu verlassen. Auf Vermittlung von Caritasdirektor Robert Kümmert bekam der Orden vom Träger, dem Katholischen Mädchenschutzverein Würzburg - heute IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit - die Leitung übertragen. Sr. Stefana übernahm die Schulleitung. Bald kamen weitere Ordensschwestern aus Steinkirchen, die sich um die wirtschaftliche Führung des Hauses und die Erziehung der Schülerinnen kümmerten.
Mit St. Lioba ging es schnell bergauf. Der Bedarf nach Heimplätzen und hauswirtschaftlicher Ausbildung war groß. Die 134 Heimplätze hätten wohl doppelt belegt werden können. Jährlich besuchten bis zu achtzig Schülerinnen die Lehrgänge. Die meisten ergriffen später Berufe als Kranken- oder Altenpflegerin, Krankenschwester, Dorfhelferin, Hebamme oder Erzieherin. "Der Kontakt zu den Mädchen war immer gut", so Sr. Stefana. Mit vielen Absolventinnen der ersten Jahre hat sie noch heute Kontakt. 1973 bekam die resolute Schwester neben der Schulleitung auch die Hausleitung übertragen. Ihre Arbeitsbelastung wurde dadurch nicht geringer.
Großer Kraftakt für inneren und äußeren Umbau
1982 musste man sich aufgrund des neuen Berufsbildungsgesetzes entscheiden, entweder Berufsfachschule zu werden oder einjährige Lehrgänge ohne Berufsabschluss anzubieten. Sr. Stefana entschied sich für letzteres, da es nur wenige Ausbildungsangebote für Mädchen aus Förderschulen oder Hauptschülerinnen ohne Schulabschluss gab. Im Haus St. Lioba wurde ihnen sowohl eine intensive Förderung als auch ein betreutes Wohnen und Hilfe bei der weiteren Vermittlung zuteil.
Anfang der 90er Jahre stand Sr. Stefana vor der schweren Entscheidung, das nicht mehr zeitgemäße Haus zu schließen oder einer teuren Generalsanierung zu unterziehen. Das eine brachte sie nicht über ihr Herz, für das andere hatte sie kein Geld. Doch die Schwestern versuchten diesen steinigen Weg und hatten Glück. Das schier Unmögliche in endlosen Verhandlungen mit der Stadt, der Regierung, der bischöflichen Finanzkammer und dem Caritasverband möglich gemacht zu haben, ist für Sr. Stefana zwar eine große Befriedigung gewesen, doch diesen jahrelangen Adrenalinschub braucht sie kein zweites Mal. Der Umbau dauerte fünf Jahre, das Haus war in dieser Zeit eine einzige Baustelle. Lärm und Schmutz waren allgegenwärtig. Doch pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum im Sommer 2000 war alles fertig.
Wenn Schwester Stefana jetzt nach 43 Jahren in ihr Mutterhaus nach Steinkirchen umzieht, verlässt sie ein Lebenswerk. Doch sie ist bereit zu gehen. Welche Erinnerungen ihre schönsten sind? "Die vielen Feste. Das Miteinander leben, die Ausflüge". Auch die jährlichen Caritas-Weihnachtsfeiern mit einsamen Menschen aus Würzburg hat sie immer gerne mit organisiert. Ihrer Nachfolgerin rät sie, mit allen zusammen zu arbeiten, zu sparen und im pädagogischen Bereich ein klare Line zu fahren. "Bloß nicht um die Gunst der Schülerinnen buhlen und immer konsequent sein". Dass sie selbst nie einen Führerschein hatte und wenig herum kam, stört sie nicht. "Was andere herumreisen, das mache ich vom Himmel aus". Daher übernimmt sie in Steinkirchen auch die Bücherei.
Und Sr. Agnes? Während des ganzen Besuches sitzt die „zierlichste Küchenchefin aus Europa“ - so eine Lehrerin aus dem Kollegium - still lächelnd daneben. Die 64-Jährige wäre wohl geblieben, doch der Orden hat auch sie abberufen. Tausende von Mädchen hat sie seit 1966 hier bekocht, "Spaghetti waren immer beliebt". Im Laufe der Jahre haben sich aber die Essgewohnheiten geändert. Wannenweise habe sie früher Joghurt verbraucht. Heute würden leider viele Mädchen von zu Hause kein gemeinsames und frisch gekochtes Essen mehr kennen. "Doch Fertiggerichte kommen bei mir nicht auf den Tisch". Mit ihren Kochkünsten wird sie bald die Gäste des Exerzitienhauses in Steinkirchen beglücken.
Mit dem Weggang der beiden Schwestern verlassen auch drei weltliche Lehrkräfte das St.-Lioba-Heim, die seit Anfang der 1960er und 1970er Jahre hier Dienst tun. Die Leitung des Hauses liegt ab dem 1. August bei Caroline Manderbach.