Vor etwa 100 Zuschauern der Podiumsdiskussion beziehen sechs Experten Stellung zu dem Thema. Darunter Romy Stangl, Moderatorin und Gründerin des Projektes „Signs of Hope“, Zuflucht und Hilfe bei häuslicher Gewalt. Sie ist selbst Betroffene. Ihr größtes Anliegen ist es, Hilfsangebote niederschwellig nach außen zu kommunizieren. Weiterhin kritisiert Stangl: „Medien machen oft Angst, da sie immer die Opferrolle darstellen, anstatt Mut zu machen.“ Den Frauen müsse vielmehr die Scham genommen werden zu bekennen: „Ja, es ist mir passiert.“
Ihr selbst habe eine Kindergärtnerin geholfen, die bemerkte, dass etwas nicht stimmte und sie ins Frauenhaus fuhr. In der akuten Situation habe sie als Opfer häuslicher Gewalt und Mutter eines Kindes nicht gewusst, wohin sie sich wenden könne. 10 Jahre dauerte bei ihr der Prozess, bis sie wieder Vertrauen zu anderen Menschen fassen konnte.
Auch Katharina Amon, Trauma Fachberaterin bei Wildwasser bestätigt:
Bindung mache uns Menschen aus. Trennung von der Bindung brauche Zeit, auch wenn die Situation von außen betrachtet klar sei. Deswegen empfiehlt sie: Hinschauen. Ansprechen. Und zwar: IMMER WIEDER!
Nadine Holzmann berichtet von ihrer Arbeit als Ansprechpartnerin Häusliche Gewalt beim Polizeipräsidium Unterfranken. Es sei ergreifend zu sehen, wie sich Frauen aus der Situation graben und bereits in der Beratung wieder zu mehr Selbstbewusstsein kommen. „Begleiten ist wichtig“, sagt sie. Auch Dritte können zum Beratungsgespräch in die Fachstelle der Polizei kommen und sich informieren. Kein Anruf sei zu viel. Theresa Jörg erzählt aus der Perspektive des SkF-Frauenhauses in Würzburg. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 66 Tagen. Das Ziel bestehe darin, Opfer von häuslicher Gewalt in die Selbstständigkeit zu führen. Die größte Erfolgsgeschichte sei, wenn eine Frau in eine eigene Wohnung zieht und man erleben dürfe, wie „groß“ die Frau geworden ist.
Aus einem ganz anderen Blickwinkel berichten die männlichen Podiumsgäste. Jürgen Sauer bsw. vertritt die Täterarbeit. Er ist Leiter der AWO FamilyPower, einer Fachstelle für Täterinnen- und Täterarbeit, die mit Polizei und Frauenhäusern kooperieren. Täterarbeit sei ein weit unterschätzter Bereich im Kampf gegen häusliche Gewalt. Sie diene als Opferschutz und helfe Tätern dabei, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen.
Bei der AWO sei ein Großteil der Männer Selbstmelder, so Sauer. Männer suchten den Kontakt, weil der Druck von außen zu hoch werde und sie berufliche und familiäre Konsequenzen befürchteten.
In wöchentlichen Gruppentreffen werde gezielt an der Empathie gearbeitet, um die Wiederholungsgefahr zu senken. Christoph Kohlmann hingegen betreut als Leiter der Fachambulanz der Caritas Gewaltstraftäter, die bereits lange Haftstrafen hinter sich haben. Hier sei kein Rückfall ein großer Erfolg. Täter hätten in den meisten Fällen den Bezug zur Realität verloren und seien unfähig, ihre Tat einzusehen. Eine Art Täter-Opfer-Umkehr, so Kohlmann. Er wünscht sich, dass Täterarbeit als Opferschutz weiter vorangetrieben werde.
Romy Stangl verweist auf Prävention bei den betroffenen Frauen. Diese wünschten sich einfach nur „Heilung“ für sich und ihre Kinder. Sie gingen aus der vermeintlichen Sicherheit raus in die Unsicherheit, wenn sie so weit seien, die Beziehung zu verlassen. Sie appelliert ans Publikum: Jeder trage die gesellschaftliche Verantwortung aufmerksam zu sein, über Hilfsangebote zu informieren und nicht erst dann zu reagieren, wenn es spät sei.
Anke Ames