Die Predigt im Wortlaut:
Aus Anlass des 60. Geburtstags meines Vaters vor nun schon 35 Jahren hat ein künstlerisch begabter Freund eine Darstellung des Hl. Josef modelliert, die ich ihm zum Geschenk machen konnte. Der Bronzeguss steht inzwischen bei mir. So habe ich seine Botschaft im Blick:
Fünf wichtige Hinweise gibt mir diese bemerkenswerte Josefsdarstellung:
Josef ist dargestellt als ein aufrechter Mensch, ein Mensch mit Rückgrat. Er zeigt Standpunkt. Er ist kein willenloser Typ, sondern standfest. Seine Gradlinigkeit kommt deutlich zum Ausdruck. Er beweist Haltung. Das zeigt sich auch daran, dass er sich mit seiner rechten Hand an einem großen Stock festhält. Mit diesem kräftigen Stab korrespondiert seine aufrechte Art. Der große Stock gibt ihm Halt.
Für mich ist das ein Hinweis auf Gott, von dem es im Psalm vom Guten Hirten heißt: Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. In all dem Auf und Ab, in all den Herausforderungen und Aufgaben meines Lebens und in den damit oft verbundenen Beschwernissen gibt Gott mir Halt und Rückenstärkung.
Offensichtlich ist Josef ganz Ohr für Gott. Das drückt die Darstellung der großen Hand aus, mit der er sein linkes Ohr unterstützt, um ja nichts zu überhören von dem Auftrag, der an ihn ergeht. Josef war fähig zu hören.
Während uns im Alltag die Arbeit, unsere Geschäfte und Sorgen, aber auch Erwartungen und Wünsche um die Ohren fliegen, ist Josef hellwach, um die richtige Entscheidung zu treffen, um in die richtige Richtung zu gehen. In dem täglichen Bemühen um die uns in Familie und Beruf anvertrauten Menschen haben wir als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche und ihrer Caritas bei der Sorge um konkrete Menschen mit oft ganz individuellen Anliegen viele Vorgaben des Gesetzgebers, der Sozialhilfeträger, der Aufsichtsbehörden zu beachten. Nicht selten liegen uns Träger, Gremien, Institutionen, Kooperationspartner, die Politik in den Ohren, was alles zu tun und zu beachten sei. Die Gefahr ist, dass bei all den Vorgaben und Formalien die Wahrnehmung für die betroffenen Menschen, die konkrete Situation und damit für die konkrete Not die eigentliche Herausforderung und Aufgabe aus dem Blick gerät.
„Der träumt“, sagen wir manchmal, wenn uns etwas unrealistisch scheint. Warum aber nicht? Josef als Traum-Mann Gottes, überlegt sein Vorgehen mit Einfühlungsvermögen und Takt, und fragt sich, wie er Maria – ohne ihr Schaden zuzufügen – freigeben kann. Im Traum aber wird er aufmerksam, seine Überlegungen zurückzustellen. Josef hört auf den Himmel.
Das aber hören wir heute nicht gern, die Rede vom Himmel; denn wir denken, das führe uns von unseren Pflichten auf der Erde weg, entfremde uns der Welt. Im Traum aber ist Josef im besten Sinne des Wortes auf-geklärt worden, dass es von Gott her noch ganz andere Wirklichkeiten gibt. Durch den Traum erfährt Josef von den Plänen Gottes. Wiederum ist er gerufen, sein Pläne zurückzustellen.
Die Frage, die sich uns stellt, ist, ob Gott die Chance hätte, mich wie Josef als Werkzeug zu gewinnen, damit sein Heil bei den Menschen ankommt. Das setzt aber voraus, dass wir uns – wie Josef – von Gott stören und unsere Lebensentwürfe durchkreuzen lassen. Wenn Gott uns stört, ist sein Ziel, uns weiterzubringen. Die Frage also an uns: Kann ich – wie Josef – hinhören und fragen: Gott, was willst du von mir?
Die dritte Aussage der Josefsdarstellung sind die weit geöffneten Augen. Gott verhilft Josef sogar in auswegloser Situation zum Durchblick. Josef erhält den Auftrag, dem Kind einen Namen zu geben, nämlich Jesus. Dieser Name bedeutet: Gott ist Heil, Gott ist Rettung. Josef setzt in dieser unmöglichen Situation zunächst selber darauf, dass Gott heilt. Josef Ratzinger, der spätere Benedikt XVI., sagte einmal: „Der wichtigste Augen-Blick der Kirche ist der Blick auf den Gekreuzigten, also auf den, der mit uns leidet.“ Aus dem klaren Sehen, aus der Diagnose kann erst die richtige Therapie, die wirkungsvolle Hilfe erwachsen. Josef sieht ein, dass Gott weitersieht und uns weiterbringt.
Während heute viele Menschen fragen: „Was brauche ich?“„Was nützt mir?“„Wie kann ich meine eigenen Bedürfnisse befriedigen?“, fragt ein Mensch wie Josef „Was tut dem anderen gut?“„Was verhilft ihm zu einem erfüllten Leben?“„Was braucht es zu seinem Glück?“ Das genau ist die Art unseres Gottes, die offenen Wunden des Lebens und der Welt zu sehen und zu helfen.
Dazu bricht Josef auf. Das ist die vierte Aussage der Josefsdarstellung. Josef kommt in Bewegung. Schritt für Schritt geht er konsequent den Weg, den er von Gott her als richtig erkannt hat. „Consequi“ heißt: Ich folge nach. Uns Christen geht es um die Nachfolge Jesu, uns geht es darum, wie er den Menschen zu helfen, damit sie ihren Lebensweg gehen können. Und das ist der vornehmste Auftrag an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas.
Zu Josef passen auch die Worte von Romano Guardini: „Je mehr der Mensch sich sucht, desto mehr entgleitet er sich. Je wichtiger er tut, desto kümmerlicher wird er. Der eitle, berechnende, nur sich auslebende Mensch meint, er wachse in immer volleres, stärkeres Selbst-sein; in Wahrheit verkrüppelt er im Innersten, weil um ihn nie jener freie Raum entsteht, den allein Selbstlosigkeit schafft. Im Weggehen von eigenen Ich zum Du, zum Werk, zur Aufgabe erwacht und wächst das eigentliche Selbst.“
Schließlich fällt als fünfter Punkt der große Mantel auf. Schützend stellt sich Josef hinter Maria und Jesus. Leider wird in unserer Gesellschaft der Einsatz für Menschen in festgelegten Pflegesätzen bewertet, die wiederum auf Effektivität ausgerichtet sind. Die Diktatur des Geldes trifft auch kirchliche Einrichtungen. Trotz aller gebotenen Wirtschaftlichkeit sollten sich kirchliche Dienste und Einrichtungen darin von anderen Trägern unterscheiden, dass bei uns nicht nur auf Produktivität und Effektivität geachtet wird bei dem Bemühen, die schützende und bergende Liebe Gottes dem Menschen erfahrbar zu machen. In Anlehnung an den evangelischen Theologen Ulrich Bach, der selber im Rollstuhl saß, möchte ich sagen: Eine Kirche, die sich nicht für Schwache und Behinderte einsetzt, ist eine schwache und behinderte Kirche.
Sensationslüsterne Medien stellen bevorzugt die Fälle menschlichen Versagens heraus, verschweigen aber vielfach die tatkräftige Hilfe in tausenden von menschlichen Schicksalen.
Am Josefstag wünsche ich uns allen Rückgrat und Haltung beim wertvollen Einsatz für das Leben, ich wünsche die Wachsamkeit für den Anspruch Gottes, offene Augen und einen klaren Blick für das menschenmögliche und die ungeahnten Möglichkeiten Gottes. Ich wünsche immer neuen Mut zum Aufbruch auf dem gemeinsamen Weg mit hilfs- und unterstützungsbedürftigen Menschen und ihren Angehörigen. Ich wünsche den uns anvertrauten Menschen die Erfahrung von Geborgenheit und Schutz durch unser Bemühen.
Josef ist ein guter Patron. Sein Name bedeutet wörtlich „Gott möge hinzufügen.“ Gott möge uns immer seine Kraft zu unserem Bemühen hinzugeben gerade dann, wenn wir auf unvermutete Schwierigkeiten stoßen. Josef lebt es uns vor, dass Gott wichtig ist bei der Sorge um das anvertraute Leben.
Karl Barth, der große reformierte Theologe, sagte einmal: „Josef ist ein Mann, der uns auch heute noch Respekt abverlangt. Wenn ich ein katholischer Theologe wäre, würde ich mehr über ihn nachdenken.“ Mich jedenfalls schaut die eindrucksvolle Darstellung des Hl. Josef an, wenn ich aus meiner Wohnung zum Dienst gehe oder von da zurückkomme. Er soll uns alle zum Dienst ermutigen und bei unserem Wirken begleiten.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Text zur Besinnung
Der Jesuit Pater Alfred Delp schrieb:
Josef – er ist der Mann am Rand, im Schatten.
Der Mann der schweigenden Hilfe.
Der Mann, in dessen Leben
Gott dauernd eingreift
mit neuen Weisungen und Sendungen.
Dass ein Wort von Gott bindet und sendet,
ist ihm selbstverständlich.
Die dienstwillige Bereitschaft,
das ist sein Geheimnis.