Zum Kick-off-Tag „Lebendige Räume“ begrüßte Caritasdirektorin Pia Theresia Franke im Namen des Vorstandes Verantwortliche und Mitarbeiter aus Caritas und Pastoral im Würzburger Burkardushaus. Angereist waren unter anderem Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Orts- und Kreisebene und der Caritas-Fachverbände. Gekommen waren ebenso Pfarrer und Mitarbeiterinnen aus der Pastoral. Franke lud zu einem stillen Gedanken für den jüngst verstorbenen Bischof em. Paul-Werner Scheele ein, der sich bereits vor vielen Jahren für die Umsetzung neuer Konzepte im Sozialraum engagiert habe.
„Ein besonderes Willkommen gilt Frau Maria Lüttringhaus“, begrüßte die Caritasdirektorin die Referentin des Tages. „Wir freuen uns, dass Sie diesen wichtigen Prozess in den kommenden zwei Jahren begleiten werden.“ Dieser Prozess, so Franke, beginne nicht am Nullpunkt, sondern schließe an vieles an, was bereits im Bistum und beim Caritasverband unternommen wurde. Franke erinnerte unter anderem an das Projekt des Deutschen Caritasverbandes und der Deutschen Bischofskonferenz „Diakonie im Lebensraum der Menschen“. Klar sei, dass Kirche und Caritas nach wie vor eine engere Verzahnung bräuchten. „Mehr Kooperation im Interesse der Menschen, das ist das Gebot der Stunde“, betonte Franke. Mit dem Projekt „Kitas als pastorale Orte“ habe der Caritasverband für die Diözese Würzburg das Thema konkretisiert. „Heute gehen wir mit einem nächsten Schritt auf diesem Weg weiter.“ Es brauche eine bessere Vernetzung von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Pfarreien und Caritaseinrichtungen und Diensten im Lebensraum der Menschen. „Wir beginnen heute kein neues Projekt, sondern setzen einen Prozess fort. Ich freue mich deshalb besonders, dass Vertreterinnen und Vertreter aus der Pastoral unter uns sind“, so die Caritasdirektorin.
Kilian Bundschuh, Projektverantwortlicher der Caritas, dankte vorab für das große Interesse und versprach einen kurzweiligen Kick-off-Tag. „Wir wollen Grundlagen, Methoden und Konzepte in den Blick nehmen und möglichst konkret arbeiten.“ Bundschuh verwies auf erfolgreiche Projekte im Caritasverband Main-Spessart. Hier sei die Einquartierung von Flüchtlingen der Anknüpfungspunkt gewesen, um Akteure und Betroffene an einen Tisch und damit in ein Netzwerk zu holen. Bundschuh erinnerte ebenso an das gemeinsame Projekte von Caritasverband Würzburg und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), an dessen Ende konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden. „An diese Projekte und die vielfältigen Erfahrungen wollen wir anknüpfen.“ Der Prozess sei da, um in der Arbeit für die Menschen noch besser zu werden, meinte Bundschuh. Weil die Caritas seit 100 Jahren diesem Weg folge, passe der Prozess auch sehr gut zum Verbandsjubiläum, dass es im kommenden Jahr zu feiern gelte.
Sozialpädagogin Maria Lüttringhaus stellte sich anhand ihrer Lebensstationen vor und machte somit ihren reichen Wissens- und Erfahrungsschatz sichtbar. Begonnen habe sie im Bereich der Altenhilfe in Augsburg. Vor mehr als 25 Jahren führte ihr Weg nach Essen, wo sie sich in der Stadtteilarbeit engagiert habe. „Mir ging es immer um die konkreten Herausforderungen und Belange der Menschen.“ Jugend-, Straffälligen- und Behindertenhilfe seien nach und nach hinzugekommen. Versäulungen aufbrechen, Netzwerke schaffen, das habe sie umgetrieben. „Heute stelle ich den wunderschönen Garten hinter meinem Haus für die Menschen im Quartier zur Verfügung. Da wird schnell sichtbar, wie ein Raum zu einem lebendigen Raum wird.“ Lüttringhaus arbeitet im gleichnamigen Institut für Sozialraumorientierung.
Lüttringhaus schloss eine Einführung in die Grundlagen der sozialraumorientierten Arbeit an. Immer gehe es um Ressourcen, die sich am Subjekt ausrichteten. „Hilfe zur Selbsthilfe“, sei ein Schlagwort dafür. „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Diese Frage Jesu aus dem Lukasevangelium sei leitend, denn sie orientiert sich bereits am Willen und an den Ressourcen der Person. Wo diese nicht ausreichten, müssten weitere Schleifen gezogen werden, ohne den Betroffenen zu bevormunden. Die Ressourcen eines Stadtteils böten zahlreiche Chancen. Lüttringhaus erinnerte an das wegweisende Engagement von Dieter Oelschlägel im Bereich Gemeinwesenarbeit (GWA). Erst in einer letzten Schleife käme die Fachebene einer Institution zum Zuge.
Lüttringhaus stellte klar, dass es immer wieder nötig sei, grundlegende Begriffe zu klären, damit der Diskurs gelinge. „Was verstehen wir unter Sozialraumorientierung? Was meint Sozialraum? Was ist Gemeinwesenarbeit und was Quartiersmanagement? Wovon reden wir bei Gemeindecaritas?“ Anhand vieler Beispiele und Anekdoten nahm die Referenten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ins große Feld der Sozialen Arbeit und stellte den Bezug zur Kirche und Caritas her. „Was tut die Kirchen draußen im Feld? Sie engagiert sich, sie mischt sich für die Menschen ein.“ Das sei ihr Auftrag. Allerdings, so Lüttringhaus, habe die Kirche zu wenige Ressourcen für Neues, weil sie zu oft an Altem festhalte. „Kirche muss Aufbrüche wagen“, ermutigte die Referentin und erinnerte an die biblische Geschichte des Propheten Jona, der eher unfreiwillig zum Aufbruch nach Ninive gezwungen worden sei. „Schaut, dass ihr Leute gewinnt“, forderte Lüttringhaus, und da müsse es nicht gleich darum gehen, dass am Sonntag die Kirchenbänke voller werden.
Damit waren Stichworte und Konzepte für den Austausch und eine intensive Diskussion im Raum. Eine Caritasmitarbeiterin sprach über ihren Eindruck, an der Pastoral oft regelrecht abzuprallen. Ein Pfarrer berichtete von den besonderen Herausforderungen im ländlichen Raum. Der ländliche Raum biete aber gleichzeitig viele Chancen, meinte die Geschäftsführerin eines Caritasverbandes. Aus der Pastoral wurde von Überforderungen berichtet, die mit immer größer werdenden Räumen und wachsenden Aufgaben zusammenhingen. Lüttringhaus warnte: „Wir müssen nicht alles machen, sondern Prioritäten setzen.“ Sie sehe in den Kindertageseinrichtungen eine entscheidende Ressource, die man auf gar keinen Fall als Kirche und Caritas vernachlässigen sollte. Einig war sich die Gruppe, dass es mehr Schnittstellen, mehr Information und Kommunikation geben müsse. Kirchen- und Caritasleitung müssten dies dringend fördern und selbst vorleben. „Wir sind auf Synergieeffekte angewiesen“, brachte es eine Teilnehmerin auf den Punkt.
Mit Blick auf den Fortgang der Treffen im Juli und September wurde überlegt, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Pastoral noch besser beteiligt werden könnten. Gemeinsame Fort- und Weiterbildungen seien eine Möglichkeit, um den Austausch zu intensivieren. Gleichzeitig sei es wünschenswert, dass auch auf Leitungsebene Klärungsprozesse unternommen würden.
Lüttringhaus dankte für die engagierte Diskussion. „Ich freue mich auf unser nächstes Treffen im Juli“, dann werde es im Sinne der Personalentwicklung um konkrete Methoden und Trainings zu deren Umsetzung gehen.
In ihrem Schlusswort dankte Caritasdirektorin Pia Theresia Franke für den gelungenen Kick-off-Tag. „Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Kilian Bundschuh und Julia Niklaus für die gute Vorbereitung dieses Tages“, sagte Franke und verabschiedete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: „Wir haben heute hautnah erlebt, was einen lebendigen Raum ausmacht.“
Sebastian Schoknecht