„Wollten Sie schon immer Bischof werden?“ und „Was genau sind denn die Aufgaben eines Bischofs?“ Diese und weitere Fragen hat Bischof Dr. Franz Jung den Schülersprecherinnen Mia Schreiner und Giulia Palatino von der Dominikus-Savio-Schule Pfaffendorf (Landkreis Haßberge) beantwortet. Gemeinsam mit Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbands Würzburg, besuchte er am Mittwoch, 15. Dezember, die von den Salesianern Don Boscos betriebene Förderschule und das Jugendhilfezentrum im Osten des Bistums und informierte sich über das vielfältige Angebot für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Sozialpädagoge Marcel Pelikan, Gesamtleiter der Einrichtung, Provinzialvikar Salesianerpater Christian Vahlhaus, Schulrektorin Christine Loy und ihre Stellvertreterin Anita Scherer führten den Besuch einen Vormittag lang durch die Einrichtungen und beantworteten dem Bischof zahlreiche Fragen.
Die Anfänge reichen ins Jahr 1954 zurück, als die Salesianer im alten Schloss die „Bubenresidenz“, ein Kinderheim für Jungen, eröffneten. 1962 nahm dann die Förderschule ihren Betrieb auf. Zwischenzeitlich wurden Häuser für fünf Wohngruppen mit insgesamt 45 Plätzen errichtet. Der 1970 eingeweihte Schulkomplex wurde zwischen 2018 und 2020 generalsaniert, erläuterte Pelikan. „Diese Sanierung hat uns alle näher zusammengebracht, auch die Lehrer und die Erzieher.“ Die Schülerinnen und Schüler empfänden es als Zeichen der Wertschätzung, in einem schönen und technisch top ausgestatteten Schulhaus unterrichtet zu werden. Insgesamt 133 Kinder im Alter zwischen Kindergarten und 9. Jahrgangsstufe werden in Pfaffendorf und der Außenstelle in Ebern schulisch gefördert, in Pfaffendorf besuchen rund 80 Mädchen und Jungen die Jahrgangsstufen 5 bis 9. Rund 35 davon wohnen in der angeschlossenen stationären Jugendhilfeeinrichtung, der Rest kommt täglich aus dem Umland.
„Auch wenn oft gesagt wird, wie wichtig die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf in die Regelschule ist: In den meisten Fällen ist die Ausstattung dort oft schlecht und wird, auch was den Schlüssel Lehrer pro Schüler angeht, den Schwächeren einfach nicht gerecht“, erklärte Pater Vahlhaus. Deswegen seien Förderschulen ein Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit. Es sei zugleich aber auch wichtig, dass die Eltern jeweils frei entscheiden könnten, wohin sie ihr Kind schicken möchten, betonte Rektorin Loy. Die Kinder und Jugendlichen an ihrer Schule würden in den Bereichen Sprache, Lernen und sozial-emotional besonders unterstützt.
Viele schafften so den Mittelschulabschluss oder den Quali. „Manchmal müssen wir unrealistische Vorstellungen einfangen, wenn Schüler davon reden, Ingenieur werden zu wollen, aber sich mit dem Bruchrechnen schwer tun. Aber wir finden, nicht zuletzt wegen vieler Praktika, die die Kinder haben, immer die individuellen Stärken und das passende Berufsziel“, erzählte Konrektorin Scherer. Bischof Jung berichtete von seinen Erfahrungen als Religionslehrer an einer Hauptschule in Rheinland-Pfalz. Damals habe ihm der Rektor als Grundsatz mitgegeben, es sei wichtig, den Kindern und Jugendlichen das Gefühl zu vermitteln, dass sie etwas können, da sich viele schon wegen der Schule, auf die sie gingen, als weniger wert gebrandmarkt fühlten.
Überrascht zeigte sich der Bischof, als er erfuhr, dass viele Lehrer an Förderschulen inzwischen Quereinsteiger seien, die sich als ursprüngliche Gymnasiallehrer innerhalb von zwei Jahren für diese Schulart qualifizierten und in der neuen Tätigkeit ihre Berufung entdeckten. Ein entsprechendes Programm der Staatsregierung habe sich bewährt, betonte Loy. Gesamtleiter Pelikan stellte dem Bischof und Domkapitular Bieber zudem das Programm „Back to school“ vor. Zwischen vier und sechs Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen länger nicht den Unterricht besucht haben, werden dort individuell langsam wieder an eine normale Beschulung herangeführt. Die Ursachen seien vielfältig: Autismus, ADHS oder bei sehr intelligenten Kindern auch schlicht Unterforderung. Deswegen bedürfe es unterschiedlicher Ansätze. Einer ist zum Beispiel, dass die Schulverweigerer sich zunächst mit Unterrichtsstoff beschäftigen, der sie interessiert. Schon mehrere seien so zum Quali geführt worden oder aber auch zum Besuch eines Wirtschaftsgymnasiums. „Jeder Einzelne zählt, auch wenn es Misserfolge gibt“, sagte Pater Vahlhaus. Wie Domkapitular Bieber betonte, stehe bei den Salesianern wie bei der Caritas – anders als bei kommerziellen Anbietern – nicht die Ökonomie, als die Absicht, Gewinn zu erzielen, im Vordergrund.
In den Gruppenwohnhäusern werden jeweils maximal neun Kinder von multiprofessionellen Teams betreut. „Es ist 24 Stunden am Tag jemand da. An Wochenenden versorgen wir uns komplett selbst, unter der Woche wird das Mittagessen von der zentralen Küche geliefert“, erklärte Heiko Stumpf, Leiter des Hauses „Chieri“. Dort sind aktuell neun Jungs im Alter von sieben bis 14 Jahren untergebracht. Die Kinder würden zur Selbständigkeit angeleitet und lernten zum Beispiel, wie sie ihre Wäsche waschen und ihre Zimmer selbst aufräumen. „Die sind selbständiger als die eigenen Kinder“, erzählte er schmunzelnd. Ein großer Pluspunkt sei zudem das weitläufige Gelände der Anlage. „Ein Junge hat es einmal so formuliert: Wir leben hier weit abgelegen, dafür können wir raus in die Natur.“ Zudem brächten die pädagogischen Betreuerinnen und Betreuer sich mit ihren jeweiligen Hobbys ein, so dass es immer ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm mit Sport und Bastelangeboten gebe. Eine große Herausforderung ist es nach den Worten von Pelikan, Erzieher und Sozialpädagogen zu finden, die bereit seien, auf dem Land zu arbeiten. „Ähnliche Einrichtungen in großen Städten haben da weniger Schwierigkeiten.“ Bischof Jung dankte am Ende der Tour für die erhellenden Einblicke und das Engagement der Menschen in Schule und Jugendhilfezentrum. „Mir ist heute bewusst geworden, dass ein behütetes Elternhaus und eine unkomplizierte Bildungsbiographie keine Selbstverständlichkeiten sind.“
Was er den Schülersprechern auf die eingangs genannten Fragen geantwortet hat? Nein, Bischof war nicht auf seinem Schirm gewesen, als er sich kurz vor dem Abitur entschieden habe, Theologie zu studieren. Seine Aufgabe definierte Bischof Jung im Interview so: „Möglichst nah an der Not und dem Bedarf der Leute sein.“ Kirche sei aufgefordert „da zu sein, wo andere nichts tun“.
Markus Hauck